Codewort Asyl

Sebastian Richter weiß zu berichten: Eine geeignete Fluchtgeschichte und Pass, die man den Asylbehörden präsentiert, kann man im Internet kaufen - Lernen der syrischen Nationalhymne inklusive.

Dezember 2014, ich treffe Mohammed in der Südtürkei. Er ist jung und kommt aus Syrien, arbeitet als Kellner in einem Restaurant. In seiner Heimat könne er nicht mehr leben, erzählt er mir, sich dort eine Zukunft aufzubauen ist nicht möglich. Eigentlich träumt er von Europa, vielleicht kann er dort etwas studieren und ein Unternehmen aufbauen. Eine bessere Zukunft und ein besserer Job als in der Türkei wären auf jeden Fall drin. Ich entfliehe gerade dem deutschen Winter und verbringe meinen Urlaub in der Südtürkei. Mir geht es gut, vielen Menschen nicht, stelle ich einmal mehr fest.

Mir war nicht klar, wie schnell der Traum von Mohammed und vielen anderen in Erfüllung gehen würde. Nur wenige Monate später nimmt die Flüchtlingskrise ihren Lauf, die inzwischen sogar das Fortbestehen der Europäischen Union bedroht. Wenige Seemeilen im Boot und schon ist man da: Das Codewort „Asyl“ ermöglicht, die meisten europäischen Grenzen einfach so passieren; viele kommen nach Deutschland.

Viele Milliarden Menschen leben unter teils deutlich schlechteren Bedingungen als wir und verständlicherweise streben sie nach einem besseren Leben, wie Mohammed, der ja eigentlich schon ein sicheres Auskommen in der Türkei hatte. Die europäischen Statistiken zeigen, dass eine Mehrzahl der Asylersuchen trotz liberaler Richtlinien abgelehnt wird, die Anträge also unbegründet gestellt wurden.

Wenn es nur die Asyl-Tür zur Einwanderung gibt

Gleichzeitig kann man sich im Internet eine geeignete Fluchtgeschichte und Pass kaufen, die man den Asylbehörden präsentiert. Viele, die sich einfach eine bessere Zukunft in Europa erhoffen, kaufen solche Zutaten und peppen ihre Geschichte u.a. mit dem Lernen der syrischen Nationalhymne auf.

Auch wenn ich Mohammeds Träume und Wünsche verstehe, müssen wir realistisch bleiben. Eine fairere Welt erreichen wir mit dem derzeitigen Vorgehen nicht. Was ist mit Frauen, die aufgrund der patriarchalen Strukturen vor Ort nicht für eine Flucht ausgewählt werden? Was ist mit Waisen, alten Menschen oder Behinderten? All diese profitieren von unserem Vorgehen nicht, denn nur die (Finanz-)Stärksten können sich eine Flucht überhaupt leisten, nicht massiv verfolgte Menschen.

Ob Medikament oder Operation, in der Medizin wird meist jede Maßnahme auf ihre Effektivität überprüft, bevor sie flächendeckend zum Einsatz kommt. Es stehen nicht unendlich viele Ressourcen zur Verfügung, in den meisten Gesellschaften muss eine Priorisierung erfolgen. Auch in Deutschland ist das der Fall, so steht nicht in jedem Dorf ein Notarztwagen, unbegrenzte Plätze auf Intensivstationen gibt es auch nicht. Wenn wir unsere Maßnahmen in der Flüchtlingskrise diesen harten Kriterien der Effektivität unterlegen würden, müssten wir unser Vorgehen umgehend ändern und die Hilfsmaßnahmen vor Ort konzentrieren. Seit Beginn der Asylkrise hat sich einiges getan, aber auch der Türkei-Deal ist nur eine Scheinlösung. Die türkische Migrationsbehörde hat das Vorschlagsrecht, wer nach Europa kommt. Eine richtige Prüfung kann erst in der Europäischen Union durchgeführt und zum Beispiel gefälschte Pässe erkannt werden.

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz fasste es in der Tagesschau schön zusammen: Mit dem Geld, das wir in Europa für einen Flüchtling ausgeben, könne man in den Heimatregionen 20 Menschen ein besseres und sicheres Leben ermöglichen. Und das mit der Option auf eine nachhaltige Lösung der Probleme.

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