In Deutschland stehen seit geraumer Zeit existenzielle Fragen einfach nicht mehr zur politischen Debatte, sondern werden ganz stickum von unseren Parteipfaffen hinter verschlossenen Sakristeitüren für uns alle beantwortet.
Anfang der weitergeleiteten E‐Mail:
Datum: 26. März 2016 00:00:40 MEZ
An: „post@ludger-k.de“ <post@ludger-k.de> Betreff: Gender Schwachsinn
Hallo Ludger, leider muß ich mich mit diesem Stuss befassen da ich noch 2 schulpflichtige Kinder habe. Ich würde gerne darüber lachen aber leider ist es nur zum kotzen. Du als Komiker hast doch exzellente Möglichkeiten dieses Thema mehr in die Öffentlichkeit zu bringen. (Zu unser aller Wohl) Die Politik installiert die sexuelle Früherziehung nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit in den Kitas und Schulen. Ich stelle mir ernsthaft die Frage: Muß einem 5 jährigen erklärt werden was das Wort Arschficken bedeutet? (…) Bei YouTube gibt es jede Menge Videos zu diesem Quatsch „Gender Mainstream“
Beste Grüße Gesendet mit I Pad
Diese Zeilen erreichten mich letzte Woche via Mail. Von wem? Na ja, ich vermute stark, dass Sie den Namen der Person eh nicht kennen; so viel sei verraten: Claudia Roth war’s nicht!
Mundtotmachen, noch bevor der erste Satz beendet ist…
Mir hat das Geschriebene zu denken gegeben – nicht etwa, weil mich der Hinweis auf staatliche Indoktrination überrascht oder gar schockiert hätte (is‘ ja eh klar), sondern weil mir plötzlich gewahr wurde, dass in Deutschland seit geraumer Zeit existenzielle Fragen einfach nicht mehr zur politischen Debatte stehen, sondern ganz stickum von unseren Parteipfaffen hinter verschlossenen Sakristeitüren für uns alle beantwortet werden. Es gab Zeiten, da wurden Konservative für das Ablehnen linker Sex-(Alb-)Träumereien zumindest noch als vorsintflutlich verachtet, als gemeingefährlich gegeißelt oder zumindest verspottet – doch es dreht sich im Land grad alles, wirklich alles nur noch um Asylan… äh, Verzeihung, Flüchtlin… äh, Verzeihung, Schutzsuchende (dieser Begrifft gilt glaube ich aktuell), und diese Thematik lässt eine Diskussion über einstige Kernanliegen der Luderzirkel erst gar nicht groß aufkommen. Besagte Schutzsuchende sind auch „SchutzGEBENDE“ für Politiker, die sich selbst und alle Aktenzeichen xy ungelöst dahinter verstecken können, um sich widerstandsbefreit am Webstuhl der Macht ihren feuchten Spinnereien hinzugeben. Ich mag dies Vorgehen jetzt nicht als System ausmachen – doch falls es doch eines sein sollte, dann ist es echt anerkennenswert perfide, weil es auf unselige Weise schafft, was Machthabende schon immer wollten: Mundtotmachen, noch bevor der erste Satz beendet ist…
Taktisch betrachtet erinnert mich das an meine Oberstufenzeit: Wenn daheim in meinem Zimmer sich massenweise Bücher und Zeitschriften unsortiert auf Tisch und Bett stapelten, so maßregelte mich meine Mutter gern mit einem darauf verweisenden lauten „Lütteken, räum die Sachen hier auf“. Was Mutter angesichts des auf den ersten Blick erkennbaren Chaos‘ nicht wahrzunehmen vermochte, war der weitere zuweilen weit fatalere Unrat dahinter: die Apfelkitsche auf der beheizten Fensterbank, getragene Strümpfe hinterm Bettpfosten, das Pfui in den Ecken, das Bäh im Schrank und das Iiih unterm Teppich. Irgendwann erkannte ich das als wunderbaren Trick: durch bewusste Zurschaustellung eines hervorstechenden Durcheinanders konnte ich leicht von allem anderen Zeugs ablenken, und war es noch so widerwärtig. Ich räumte zwar dann und wann Bücher und Zeitschriften von A nach B und wieder zurück, um meiner Mutter Fortschritte vorzutäuschen, doch Ordnung zu schaffen war gar nicht mein Ziel, im Gegenteil: im nicht sichtbaren Bereich wuchs das Bäh. Herrlich einfach, schrecklich schön! Klar, irgendwann kam meine Mutter mir dann doch auf die Schliche – doch da war ich schon von zu Hause ausgezogen…
Schauen wir also besser immer wieder mal auch unters Bett der Republik, hinter die Schranktür, in die Ecken! Mein E-Mail-Fan hat eine berechtigte Frage, die er in eine Formulierung packt, deren Krassheit absolut angemessen ist, um wach zu rütteln. Zitat [sic]: „Muß einem 5 jährigen erklärt werden was das Wort Arschficken bedeutet?“
„Die Wissenschaft“ – so was von gestern
Womit werden (nicht nur beim Thema Gendern) kritische Fragen gern abgetan, sofern solche dann doch mal geäußert werden? Genau, mit einem jovialen (paradoxerweise unappetitlich schalen) „das macht man heute so“, einem „das ist modern“ oder gern auch einem lachhaft beflissenen „das sagt die Wissenschaft“. Sogar in einem Wort zum Sonntag im letzten Jahr wurde letztere Formulierung mal gewählt, um auf die vermeintliche Unabstreitbarkeit der Existenz von 50-550 verschiedenen Geschlechtern hinzuweisen. Aha, „die Wissenschaft“ sagt das. Was gestattet mir hier ein kleines Spötteln? Nun, „die Wissenschaft“ hat schon immer Statements von sich gegeben, die die Menschen als wahrhaftig anzusehen hatten, als letzte Erkenntnis, als state of the art. Wenn „die Wissenschaft“ was sagt, so umweht das Gesagte stets ein Hauch von Endgültigkeit, dabei sollte uns die Vergangenheit mehr Skepsis einbläuen. Es lohnt sich, mal in alten Büchern zu blättern. (An dieser Stelle erlaube ich mir den dezenten Hinweis, dass genau das mein Grundthema sein wird in meinem bald startenden neuen Programm „Was Nietzsche über Merkel wusste“.)
Zitat [sic]: „Die körperlichen Folgen übermäßig und gewohnheitsmäßig betriebener Onanie können recht ernste sein. Besonders das Auge erleidet mannigfache Schädigungen, wie namentlich die Forschungen von Hermann Cohn dargetan haben. Reizungen der Bindehaut, Lidkrampf, Akkommodationsschwäche, subjektive Lichtempfindungen, Lichtscheu können infolge von Masturbation auftreten. Auch das Herz wird in Mitleidenschaft gezogen, Krehl spricht sogar von einem Masturbantenherz. (…) Sehr wichtig ist auch der Zusammenhang zwischen Onanie und Nerven- bzw. Geisteskrankheiten.“
Dies stammt aus dem Standardwerk „Das Sexualleben unserer Zeit“ von Dr. Iwan Bloch aus dem Jahre 1907. Wäre damals schon das Wort zum Sonntag auf Sendung gewesen, so hätte gewiss ein frommer Ansager diesen Auszug mit den Worten „das sagt die Wissenschaft“ zu adeln gewusst. (Ich weiß, es gab damals noch kein Fernsehen, das war ein Witz!) Als Komiker frage ich mich übrigens, wie besagte Forschungen des Herrn Cohn in der Praxis abgelaufen sind. Moment mal: Cohn? Cohn-Bendit? Masturbantenherz? Hier gibt’s die Pointen wirklich wie reife Früchte. Egal. Noch ’ne Entdeckung gefällig?
„Da Sinnlichkeit das größte Hindernis für die Höherentwicklung des Menschengeschlechtes ist, kommt es darauf an, danach zu streben, dass unsere Nachkommen mit dem geringsten Maß an Sinnlichkeit behaftet geboren werden. (…) Eine große Sinnlichkeit ist aber nicht nur eine große Last für den Menschen, sondern sie ist auch an allen seinen Qualen und am Unglück seines Lebens in der Hauptsache schuld. (…) Die Jugend kann vor der Sinnlichkeit nicht eindringlich genug gewarnt werden.“
Quelle: Theo Libra, Die sexuelle Revolution und das Geschlechtsleben der Zukunft, Berlin 1922. An anderer Stelle steht dort: „Es ist ja erschreckend, wie weltfremd viele Menschen in sexueller Beziehung sind.“ Aha, das sagt(e) die Wissenschaft. Ich lach mich schlapp!
Hey, Politiker, ihr spielt Versteck, stimmt’s? Ihr beruft euch auf „die Wissenschaft“? Und während ich mit verschlossenen Augen runterzähle, lanciert ihr die nächste Gender-Offensive in der Schule. Ihr denkt: „Der sieht doch eh nichts“? Dann rufe ich euch hiermit zu: „Augen auf, ich komme!“
Mehr zu Ludger unter www.ludger-k.de
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