Hinter dem Massenmedien-Vorhang von Migration und Terror wursteln staatliche Administration und mit ihr vielfach verzahnte Lobby-, Verbände- und NGO-Szene weitgehend ungestört weiter.
Der laute Massenmedien-Vorhang der zwei globalen Ereignisse Migration und Terror lässt keinen öffentlichen Raum für noch viel tiefergehende ungelöste Probleme. Der aufmerksame Beobachter fragt sich, ob das den Verantwortlichen nicht ganz recht ist. Wie dem auch sei, hinter dem Fokus auf Sensationen kann die staatliche Administration und die mit ihr vielfach verzahnte Lobby-, Verbände- und NGO-Szene weitgehend ungestört weiterwursteln.
Avanti Dilettanti: marode Strukturen
Dass die Verwaltungen noch dazu nebeneinander her und an einander vorbei leben, erfahren wir innerhalb des föderativen Durch- und Gegen-Einanders nationalstaatlich und EU-weit gleichermaßen. Wir lernten, das im Migrationsprozess wichtige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) arbeitet „zu Fuß“, muss im elektronischen Zeitalter erst noch ankommen. Im inzwischen berüchtigten LAGeSo Berlin suchten eigene Leute nach den in Kisten ungeordnet und unbearbeitet irgendwo abgestellten Asylfällen. Die Daten der Bundes- und Landesbehörden sind elektronisch nicht kompatibel – ein Zustand, der sich in der EU fortsetzt und multipliziert. Die Krone der Inkompetenz: Schengen setzte erfreulicherweise die nationalen Grenzen außer Kraft, aber niemand in der EU zog die zwingende Konsequenz, wirksame Außengrenzen mit allem, was dazu gehört, zu installieren. Die EU-Kommission werkelt im Klein-Klein. Auch weil sie an den richtige Stellen nichts darf: Weil die nationalen Regierungen ihren alten Stiefel nicht hergeben.
Avanti Dilettanti scheint die Maxime des Staatshandelns zu sein, wobei Avanti hier wohl ein Euphemismus ist. Verantwortlich für diesen Zustand ist die Politik. Oft ist sie zugleich der Verursacher, gar nicht die Verwaltung selbst. Schon in der Bonner Republik ist mit der ersten Großen Koalition die Bundesverwaltung aufgebläht worden. Das Institut der Parlamentarischen Staatssekretäre, damals als Minister-Vertreter begründet, war die Erbsünde. Ihre Stäbe wurden die Brandbeschleuniger des Stellenwachstums erst im höheren Dienst, dann überall. Was früher eine gute Chefsekretärin plus Sekretärin gekonnt leisteten, dafür wird heute ein Stab mit wenigstens zwei Akademikern und fünf Sachbearbeitern eingesetzt. In der Berliner Republik ist es üblich geworden, auch beamtete Staatssekretäre und Abteilungsleiter mit Parteifunktionären zu besetzen, die keine entsprechende Vorbildung mitbringen. Wasserköpfe prägen aber in Folge auch die Führungsetagen von Konzernen. Die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk- und Fernseh-Anstalten schlagen alles: Selbst riesige Apparate vergeben sie Produktionen an oft überteuerte Dienstleister. Der ganze öffentliche Komplex, der weit über den eigentlichen Staat hinausgeht, immer weiter ausgreift, ist die institutionalisierte Einladung zur Selbstbedienung. Korruption in vielen Spielarten ist noch nicht einmal die schlimmste Seite dieses pathologischen Prozesses, sondern die damit unweigerlich verbundene Austreibung jeder Innovation.
Im Gefolge der Bewältigung der ungeordneten Einwanderung erfährt der staatliche, halbstaatliche und von Steuergeldern lebende Teil der Zivilgesellschaft riesigen Ausbauschub, der sich nahtlos in die undurchsichtigen Avanti-Dilettanti-Strukturen einfügt. Nach dem bekannten Motto: Bei uns funktioniert nichts, das aber sehr gut.
Institutionelle Innovationsbehinderung
Die Infrastruktur von den Straßen über die Brücken bis hin zu allem, was mit IT zu tun hat, verrottet oder ist nie in der Moderne angekommen. Im Bildungswesen ist seit der großen Diskussion Ende der 1960er Jahre, die mit dem Antritt der ersten SPD-FDP-Koalition abrupt abbrach, nichts vorangekommen. Statt um das, was drinnen pädagogisch passiert, geht es seit 45 Jahren nur um die Schilder, die außen drauf stehen. Mittlerweile sind viele neue Schul- und Hochschulgebäude zu einem bedauernwerten Zustand heruntergekommen, während Forschung und Lehre nicht wirklich modernisiert wurden.
In deutschen Landen degeneriert jede Reformdiskussion zur Organisationsdebatte – mit dem Ergebnis der Verschlechterung der Organisation und dem Vergessen der Reforminhalte. Markt und Wettbewerb werden Schritt für Schritt immer noch weiter außer Kraft gesetzt, die einzig funktionierende Form des Findens und Erprobens von Ideen wegverwaltet.
Die Gentechnik ist des Landes verwiesen, Weiterentwicklungen der Energietechnik ebenfalls. Selbst bei den Erneuerbaren-Energie-Techniken herrschen keine Freiheit und kein Wettbwerb. So wie die Politik Deutschland einseitig auf die Kernspaltung als Technik der Atomenergie festgelegt und damit die Forschung nach Kernfusion und anderen Alternativen ausgeschaltet hatte, tut sie es jetzt bei den Erneuerbaren. Indem bestimmte wenige Windrad-Typen subventioniert werden, gibt es keine Suche nach intelligenteren Lösungen der Nutzung von Wind, Sonne, Licht und so weiter. Solche erkunden Findige in anderen Ländern. Das schädigt erneut nicht nur die eigene Energieerzeugung, sondern schaltet deutsche Unternehmen als Träger der Innovation aus mit der Folge, dass die modernsten Blaupausen aus anderen Ländern kommen (werden).
Kein Monat vergeht, in dem nicht vom Kauf deutscher und anderer europäischer Unternehmen durch Investoren aus China berichtet wird (der Käufer übrigens öfter der chinesische Staat als private Unternehmen). Dagegen ist in einer globalen Wirtschaft nichts einzuwenden, europäische und amerikanische Unternehmen verhalten sich weltweit nicht anders. Würden global offene Wirtschaften nicht von national geschlossenen Politiken gefährlich konterkariert, wäre das alles wettbewerbsfördernd.
Europa muss sich entscheiden
Immer wenn eine ausländische Übernahme von Großunternehmen stattfindet, versichern Gewerkschaften, dass sie mit ihren Verhandlungen sichergestellt haben, dass keine Arbeitsplätze wegfallen, ja sogar neue entstehen. Das ist wie in der Politik nur bis zum nächsten Wahltag gedacht. Wenn dann so etwas wie der Mindestlohn und andere kostensteigernde Regulierungen hinzukommen, werden erst neue Produktionsstätten, dann Entwicklungsabteilungen deutscher Unternehmen im Ausland errichtet, nicht mehr hier. Weil dort die Kosten günstiger und der Regulierungsrahmen lockerer ist. Bis eines Tages das Knowhow sich ganz in anderen Ländern weiterentwickelt, nicht mehr hier. Mit Abstufungen sieht das Bild im Rest der EU nicht anders aus.
Es ist überall wie beim offenkundigen Staatsversagen in der Einwanderungskrise und der öffentlichen Sicherheit in Zeiten eines Terrors, der drauf und dran ist, so „normal“ zu werden wie in Israel.
Dem werden und können alle, die das nicht hören und glauben wollen, die guten Wirtschafts- und Jobdaten entgegenhalten und die daraus resultierenden hohen Steuereinnahmen. Der darin verborgene Bonus der Nullzins-Politik der EZB sei nur der Vollständigkeit halber genannt.
Doch die Wahrheit ist, Deutschland und Europa leben zunehmend nur noch von der Substanz. Auf dem Markt der Ideen wird der Stillstand politisch verordnet. Der ganze Laden läuft auf Verschleiß. Wenn alles verschlissen ist, ist Schluss. Hektisches im Kreis Laufen täuscht darüber noch eine Zeitlang hinweg. Doch wer genau genug hinschaut, kann es nicht übersehen.
Die Einwanderung wirkt kurzfristig wie ein Konjunkturprogramm, weil viel mehr Geld ausgegeben werden muss, weil Jobs entstehen, die es nicht gab, oder an vielen Stellen personell aufgestockt werden muss. Doch das geht alles in den Servicesektor und nicht in Entwicklung und Produktion. Die Neuankömmlinge verschärfen die Lage in den Problemgebieten, die strukturell schon da waren, bevor sie in großer Zahl kamen. Die Logik der politisch gewollten Deindustrialisierung ist, dass wir weniger Arbeitskräfte brauchen – im wenig qualifizierten Beschäftigungssektor noch mehr als sonst. Die Folge der ungeordneten Einwanderung ist, dass wir dort am meisten Arbeitskräfte kriegen, wo wir sie am wenigsten eingliedern können. In der deutschen Politik und Verwaltung passt nichts zueinander.
Unter dieser Belastung werden marode Strukturen schneller zerbrechen, als sie es ohne den Migrationsstrom auch getan hätten. Die Sicherheitsstrukturen müssen nun nicht nur angepackt werden – der traditionelle politische Widerstand dagegen von Rot-Grün-Rot verwandelt sich in eigene Forderungen. Wem Freiheit immer trotz allem wichtig ist, hat vorerst keine politische Heimat.
Mehr als zwei Möglichkeiten bleiben nicht. Entweder Europa wacht auf und befreit sich aus den Fesseln der lieb gewordenen Annehmlichkeiten oder geht darin unter. In der Entscheidung für Innovation überall und durchgehend liegt die Chance einer großen Renaissance.
Ein alter Freund fragte mich, was ich täte, wäre ich heute 20: Ohne zu zögern, antwortete ich: auswandern. Das werden viele tun, wenn wir die Chancen der Krise nicht ergreifen.
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