Zur Beerdigung von Günter Zehm in Bonn-Bad Godesberg kamen nur etwa 35 Trauergäste.
Der Publizist Günter Zehm gehörte zu den von jeher seltenen liberal-konservativen Stimmen in Deutschland, seit 1995 bis zu seinem Tod im November 2019 in der „Jungen Freiheit“, vorher im „Rheinischen Merkur“ und in der „Welt“, die er auch als stellvertretender Chefredakteur mitprägte.
Für seine antitotalitäre Überzeugung bezahlte der 1933 im sächsischen Crimmitschau geborene Zehm einen Preis, den im Westen niemand entrichten musste: der junge Philosophiestudent – erst bei Ernst Bloch in Leipzig, dann in Jena – protestierte 1956 gegen die Niederschlagung des Aufstands in Ungarn durch sowjetische Truppen. Dafür und für seine Kritik an dem SED-Regime wurde er 1957 wegen „Boykotthetze“ verurteilt; drei Jahre saß er in den Zuchthäusern in Waldheim und Torgau, bevor er 1960 freikam und in den Westen ausreisen durfte.
Nach seiner Promotion über Bloch und Sartre ging Zehm 1962 zur „Welt“. Als Redakteur und schließlich als Chef der Feuilletons gehörte er bis 1989 zu den Publizisten, die nicht bereit waren, den Unterschied zwischen Freiheit und Totalitarismus zu verwischen. Im Jahr 1990 bekam er eine Honorarprofessur an seiner früheren Universität Jena – und machte dort auch gleich Bekanntschaft mit dem Gesamtdeutschland, in dem die große Auseinandersetzung des 20. Jahrhunderts auf andere Weise weiterging. Gegen seine Berufung agitierten sofort linksradikale Gruppen an der Hochschule.
Seine „Pankraz“-Kolumne, benannt nach einer Figur aus Gottfried Kellers „Leute von Seldwyla“, schrieb der Autor nach dem Ausscheiden aus der „Welt“ weiter, erst im „Rheinischen Merkur“, dann, nachdem er dort politisch nicht mehr gelitten war, ab 1995 in der „Jungen Freiheit“. Zehm, so deren Chefredakteur Dieter Stein, sei gekommen, „als unser Blatt extrem angegriffen wurde“. In den Neunzigern gab es einen Anschlag auf eine Druckerei, in der die Zeitung hergestellt wurde; die Redaktion der „Jungen Freiheit“ musste damals fürchten, überhaupt keine Druckerei mehr zu finden.
Zehm radikalisierte sich in seinen Texten nicht, er blieb bei seinen Ansichten, auch wenn die Publikationsorte wechselten.
Zu seiner Beerdigung in Bonn-Bad Godesberg kamen nur etwa 35 Trauergäste. Allerdings waren auch sein langjähriger „Welt“-Kollege Dankwart Guratzsch darunter, der mit Zehm die sächsische Herkunft teilt, – und Ex-Chefredakteur Gernot Facius. Ansgar Graw schrieb für die „Welt“ einen Nachruf auf Dieter Zehm – den Autor, der nie Opportunist war.
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Herzlichen Dank !
Das ist der erste Nachruf auf Günter Zehm, den ich zu Gesicht bekomme.
Er ist nicht tot, er tauschte nur die Räume. Er lebt in uns und geht durch uns’re Träume (Michelangelo). Herzlichen Dank für die Würdigung eines Aufrechten, lieber Alexander Wendt!
Günter Zehm, einer der Aufrechten aus dem Berufsstand der Journalisten in diesem Land, der sich durch nichts und niemanden verbiegen ließ. Ehre seinem Andenken.