Thüringen: Mohring interessiert sein Geschwätz von gestern nicht mehr

Mike Mohring hat den Schwenk zur Linken in Thüringen schon eingeleitet. Bodo Ramelow muss sich trotz verlorener Mehrheit um die CDU nicht einmal besonders bemühen, um weiter zu regieren. Schwierig wird es für eine andere Partei.

CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images

Wenn Spitzenpolitiker davon sprechen, dass es um „das Land“ gehe und „nicht um die Partei“, dann weiß man als erfahrener Politikerphrasen-Hörer, dass da jemand eine Abkehr von früheren Versprechen einleitet. Bei Thüringens CDU-Chef Mike Mohring hörte sich dies im Morgenmagazin der ARD so an: „Wir sind für eine starke Mitte eingetreten. Und dass in der Mitte Thüringens keine Mehrheit mehr da ist, das ist neu im politischen System der Bundesrepublik Deutschland. Das heißt nicht, dass wir uns in die Ecke stellen können, sondern wir müssen Verantwortung übernehmen, damit das Land auch weiter vorankommen kann.“ Und dann noch: „Mir sind stabile Verhältnisse wichtiger für das Land, als dass es nur um parteipolitische Interessen geht.“ Im Klartext heißt das frei nach Adenauer: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.

Das ist natürlich nichts anderes als ein verklausuliertes Angebot zur Zusammenarbeit mit Bodo Ramelow und der Linken. Aber der kann ohnehin gelassen bleiben. Dank der Quarantäne, in der die AfD gehalten wird und dank der thüringischen Verfassung.

Es sei „völlig offen“, sorgte sich die ZDF-Frontfrau Bettina Schausten, als die ersten Thüringer Hochrechnungen auf dem Schirm erschienen, wie es in dem Bundesland weitergehe. „Thüringen stehen komplizierteste Regierungsverhandlungen bevor“, meinte auch der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck gut vierzig Minuten nach Schließung der Wahllokale: „Eine total dramatische Situation eigentlich.“ 

Ramelow hat vorgesorgt
Regieren ohne Mehrheit – und jenseits der Verfassung
Dramatisch ist die Lage aber höchstens für seine eigene Partei, mit gerade 5,2 Prozent (nur knapp vor der FDP mit 5,0005 Prozent!) die zweitschwächste der Sechs, die in den Erfurter Landtag einziehen. Die Regierungsbildung dagegen dürfte überhaupt nicht kompliziert werden: Obwohl Ministerpräsident Bodo Ramelow keine Mehrheit für seine bisherige rot-rot-grüne Koalition zusammenbringt, kann er – gestützt auf ein Ergebnis von 29 Prozent für die Linke, stärkste Partei also – einfach weiter regieren, und auch seine bisherigen Partner behalten. Die Thüringer Verfassung bestimmt, dass der alte Regierungschef ohne Zeitbegrenzung im Amt bleibt, bis ein neuer gewählt ist.

Die Minister behalten dann ebenfalls ihre Posten. Gegen Ramelow bringt der CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring, mit 21,8 Prozent Verlierer des Abends, keine Mehrheit zustande. Da die Regierung Ramelows schon auf Vorrat einen Haushalt für das kommende Jahr verabschiedet hatte – nach Meinung von Staatsrechtlern an der Verfassung vorbei, aber erst einmal gültig – könnte seine Minderheitsregierung auch im politischen Geschäft unverändert weiter fortfahren.

In welche Richtung er denkt, machte der strategisch geschickte Ramelow noch am Wahlabend deutlich: er wolle jetzt „auch mit der CDU“ über Volksabstimmungen reden. Flankiert mit Plebisziten bekäme auch eine Minderheitsregierung einen legitimen Anstrich. Wehren kann sich die CDU dagegen schlecht – zumal CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer im Nachbarland Sachsen ein ganz ähnliches plebiszitäres Instrument einführen will. 

Damit würde Thüringen weiter links regiert, obwohl es im Land keine linke Mehrheit gibt. Eine Koalitionsvariante blendete das ZDF-Wahlstudio interessanterweise nicht ein, obwohl es sonst alle Möglichkeiten durchspielte, sogar die von Linkspartei und CDU und, von Bettina Schausten immer wieder in Interviews ins Spiel gebracht, Linken, Grünen, SPD und FDP. Die fehlende Variante: AfD, CDU und FDP käme ebenfalls auf eine Mehrheit. Allerdings schließen nicht nur Mohrings CDU sondern auch die Freidemokraten eine Koalition mit der AfD aus. Es kommt dazu: in keinem anderen Land fällt die politische Distanz  zwischen dem AfD-Spitzenmann – also Björn Höcke – und den Politikern der Mitte-Parteien so gravierend aus. Eine Umfragezahl des ZDF zeigt, dass sich die Parteienlandschaft unter anderen Bedingungen auch noch stärker hätte verschieben können. Immerhin 33 Prozent der befragten Thüringer unterstützen demnach die Aussage: „Die AfD ist die einzige Partei, die bestimmte Probleme beim Namen nennt“. Also deutlich mehr als diejenigen, die dann am Ende Höckes Partei tatsächlich ankreuzten. 

Wirklichkeitsverdrängung
Landtagswahl Thüringen: Schon wieder die AfD
Wirklich dramatisch dürfte sich die Wahl für die CDU auswirken. In einem Land, in dem sie unter Bernhard Vogel sogar schon mit absoluter Mehrheit regierte, steht sie nur noch an dritter Stelle. Sie besitzt keine strategische Position mehr. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer muss in ihrer kurzen Amtszeit wieder einmal dramatische Wahlverluste rechtfertigen. Ohnehin scheint sie nach ihrer Serie  handwerklicher Fehler und Pannen wie festgetackert am untersten Ende des bundespolitischen Beliebtheitsrankings. Eine überwältigende Mehrheit der Bundesbürger traut ihr nicht zu, ins Kanzleramt einzuziehen. 

Vor der Wahl hatte Friedrich Merz in einer dramatischen Rede im thüringischen  Nordhausen von dringend „nötigen Korrekturen“ des Parteikurses gesprochen, und das Offensichtliche festgestellt: Wenn in der Koalition in Berlin alles richtig gelaufen wäre, „dann wäre die AfD heute nicht so stark“. Der derzeit amtslose CDU-Politiker  rief Sätze in den Saal, die sich durchaus als Bewerbungsrede für den Posten des Kanzlerkandidaten interpretieren lassen:  „Ich bin fest entschlossen, meinen Beitrag zu leisten, dass die CDU wieder eine klare Position einnimmt zu den Fragen, wo sie früher auch klar gewesen ist“. Die Welt habe sich verändert – aber, so Merz, „es kann trotzdem sein, dass Antworten von früher immer noch richtig sind“. Zum Beispiel in der Migrationsfrage. Er nannte zwar weder die Namen Merkel noch Kramp-Karrenbauer. Aber mittlerweile kann sich auch die Parteichefin mitgemeint fühlen. 

Der Chef der parteiinterne CDU-Basisbewegung Werte-Union Alexander Mitsch fordert nach dem Ergebnis der Thüringen-Wahl im Gespräch mit TE einen schnellen Abgang Angela Merkels aus dem Kanzleramt. „Die erneuten dramatischen Verluste für die CDU“, so Mitsch, „liegen hauptsächlich in der Bundespolitik begründet. Auch die Tatsache, dass der Linksblock mit Linke, SPD und Grünen die Mehrheit verloren hat, zeigt, dass die Wähler immer lauter nach einer Politikwende insbesondere in der Einwanderungspolitik rufen. Die muss jetzt mit einem zeitnahen geordneten Wechsel im Kanzleramt begleitet werden.“ 

Eine Zusammenarbeit der CDU mit der Linkspartei, die manche Unionspolitiker wie der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther schon früher ins Spiel gebracht hatten, nennt Mitsch „politischen Harakiri und Verrat an der Geschichte“. 

Schwierig wird es für die CDU, vor allem in Berlin. Aber auch das ist – eigentlich – nicht kompliziert.

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Kommentare ( 130 )

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Andreas aus E.
5 Jahre her

Machen Blockparteiler doch gern so: Erst schneidig was anmerken, Windrichtung abwarten, dann relativieren.
Also exakt das, was gern Politikern der AfD unterstellt wurde und wird.

Fairnesshalber: So handhaben das tatsächlich ALLE Politiker, die sich einer (Wieder-)Wahl stellen müssen.
Finde ich im Prinzip auch ganz in Ordnung so. Politiker in einer Demokratie sollen ja machen, was Demos will. Erstaunlicherweise wird das, wenn aus Sicht der Qualitätsjournalistikratur schwefelböse, als „Populismus“ verunglimpft.

Marie-Jeanne Decourroux
5 Jahre her

In folgendem Passus ist beinahe alles über die Lage der bundesdeutschen Oligarchie – »Demokratie« genannt – gesagt [und das Programm für die nächsten Jahre bereits vorgezeichnet] : »Eine Koalitionsvariante blendete das ZDF-Wahlstudio interessanterweise nicht ein, obwohl es sonst alle Möglichkeiten durchspielte, sogar die von Linkspartei und CDU und, von Bettina Schausten immer wieder in Interviews ins Spiel gebracht, Linken, Grünen, SPD und FDP. Die fehlende Variante: AfD, CDU und FDP käme ebenfalls auf eine Mehrheit. Allerdings schließen nicht nur Mohrings CDU sondern auch die Freidemokraten eine Koalition mit der AfD aus.« Folglich bleibt als letztes gemeinsames Ziel eine »Nationale Front… Mehr

jopa
5 Jahre her

Die nationale Front lebt weiter. Nur welche Fraktion wird sie führen? Die Westgrünen oder die OstSED? Die CDU hat fertig, ihr weiterer Weg ist vorgezeichnet, 30% weniger Stimmen für jede der Grokoparteien. Wenn Walter das erlebt hätte, die allumfassende Einheitspartei nicht die Abnahme ihrer Beliebtheit. Aber dafür gabs die Stasi.

Marie-Jeanne Decourroux
5 Jahre her

Es gibt interessante neue Erkenntnisse in den Mainstream-Medien: In den gestrigen »Tagesthemen« regte Caren Miosga eine Koalition der CDU mit der Linken an. Ihr Hauptargument (und ihre überraschende neue Erkenntnis): Herr Ramelow sei »nicht die Linke«. Ähnlich äußerte sich der Journalist Jörg-Helge Wagner vom Weser-Kurier [in einer Antwort-Email an mich]: Der Spitzenkandidat der Linken sei [wörtlich]: »nun einmal der zutiefst bürgerliche Diplom-Kaufmann und bekennende Christ Bodo Ramelow.« Das gibt zu hoffen, denn – wie ich folgere – sind zum Beispiel Herr Meuthen oder Frau Weidel, oder Jörg Urban,… in Zukunft nicht mehr einfach »DIE AfD«. Das ist neu! Denn bisher… Mehr

Regina Lange
5 Jahre her

Wenn jetzt die CDU auch noch mit den Kommunisten kollaboriert, ist es vorbei mit der Volkspartei! Erst mit den Grünen und jetzt noch mit den Linken! Was bleibt eine konservativen Menschen da anderes übrig, als sich angeekelt abzuwenden!

country boy
5 Jahre her

Die CDU würde ja als Juniorpartner in eine Regierung mit der Linken eintreten. Folgerichtig müsste sie sich dann auch der Position der Linken zum Thema Clan-Kriminalität unterordnen.
Frau Jelpke sieht ja in den Familienclans, die die deutsche Wirtschaft beherrschen (und damit auch die deutschen Medien), eine größere Bedrohung als in den arabischen Clans, die sich ihre Brötchen durch organisierte Kriminalität verdienen. Ergo müssten die auch entschiedener bekämpft werden. Ob das unseren Pressezar*innen so gut gefallen würde?

Karl Heinz Muttersohn
5 Jahre her

Seit geraumer Zeit sieht sich die CDU als Teil des links grünen Spektrums. Da ist es doch völlig normal, dass man am Rockzipfel der SED ein wenig Macht ausüben möchte.

Wolfgang Schuckmann
5 Jahre her

Wie leicht das doch wäre. Aber Sie machen in diesem Fall die Rechnung ohne den Wirt.
Es möge keiner glauben, dass es unseren Freunden vom überm großen Teich egal wäre, wer bei uns das politische Sagen hat. Oh nein, man wird sich gegen dann ein sehr, im Vergleich zu heute, aufmüpfigen Deutschland, engagieren. Mit tätiger Beratung gegen verirrte Politiker und deren Probanden. Ganz langsam, eine 2. „DDR“ wird es nicht geben, auch wenn uns zur Zeit ein Hauch davon umweht. Da, denke ich, träumt man von der heiligen Fastnacht, sagt man bei uns .

Wolfgang Schuckmann
5 Jahre her

Und was lernen wir daraus? Wer diesen Leuten von der CDU auch nur noch einen halben Satz glaubt, ist noch gut belogen. Von den Anderen lieber ganz zu schweigen. Sollte angesichts eines solchen Wahlergebnisses die dafür essenziell Verantwortliche nicht schnellstens die notwendigen Konsequenzen ziehen, wird das für die ehemalige Kanzlerpartei aus konservativer Sicht wohl die Ouvertüre zu ihrem Weg in die Bedeutungslosigkeit sein. Kann man ja auch verstehen, satt, bräsig, desinteressiert, Schäfchen im Allgemeinen im Trockenen, was kann denn da privat noch schief gehen. Also schön opportun als so genannte „Gutmenschen“ bis zum bitteren Ende Kurs halten und dann in… Mehr

Medienfluechtling
5 Jahre her

Vor 3 Jahren habe ich allen CDU Landes Zentralen geschrieben, das Merkel nach dem Land auch die Partei pulverisieren wird…