Nach der Ablehnung seines Zeitplans setzt Boris Johnson auf Zusammenarbeit und Konfrontation. Labour-Chef Corbyn soll ihm Neuwahlen im Dezember ermöglichen und dafür mehr Zeit für die Prüfung des Deals bekommen. Doch Labour ist gespalten, und die EU wartet ab.
Experten versagen in diesen Tagen. Weder führende Politiker noch Kommentatoren können derzeit absehen, was als nächstes in London und Brüssel passieren wird. Am Donnerstagabend hat Boris Johnson offiziell angekündigt, Neuwahlen zum britischen Unterhaus am 12. Dezember anzustreben. Sollte die Opposition sich dem verweigern, will er an jedem einzelnen Tag („day after day after day“) für Wahlen werben und praktisch alle anderen Regierungsgeschäfte ruhen lassen. Auch Schatzkanzler Sajid Javid bestätigte, dass die Regierung »in den Streik treten« würde. Labour wechsele beständig die Ziellinien aus und wolle anscheinend immer nur das eine – eine neue Verlängerung.
In einer Videobotschaft an seine Mitbürger machte Johnson noch einmal deutlich, dass der nun drohende Brexit-Aufschub allein das Werk des Parlaments sei:
„Hallo Leute, es freut mich sehr euch mitzuteilen, dass diese Regierung – endlich! – einen Deal mit der EU abschließen konnte. Und am Ende, nach dreieinhalb Jahren haben wir das Parlament dazu gebracht, diesem Deal auch zuzustimmen, zumindest in der zweiten Lesung. Doch dann hat das Parlament unglücklicherweise erneut für einen Aufschub votiert, und das Risiko ist, dass die Abgeordneten immer weiter Aufschub an Aufschub hängen werden, so dass ich befürchte, dass wir nie aus der EU austreten werden.“
Die neue Verlängerung charakterisiert er dabei fast als Komplott zwischen EU und britischem Parlament („at the moment our EU friends and partners are at risk of agreeing with Parliament“). Die Regierung wolle das jedenfalls nicht. Man werde vorangehen, mit diesem Parlament oder mit einem neuen. Johnson ruft seinen Konkurrenten zu: Beschließt den Brexit, oder wir rufen Wahlen aus.
Der Schwachpunkt der Regierung ist: Für Neuwahlen bräuchte sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Unterhaus, also eine Menge Stimmen aus der Opposition, vor allem von Labour. Was Johnson dem Parlament nun anbietet, ist mehr Zeit für die Prüfung und Verabschiedung seines Deals im Tausch gegen Wahlen noch in diesem Jahr. In seinem Brief an Jeremy Corbyn schreibt Johnson, dass er eine kurze Verlängerung der Austrittsfrist bis Mitte oder Ende November bevorzugen würde. Für wahrscheinlicher hält er aber offenkundig die lange Verschiebung bis ins neue Jahr hinein. Auch in diesem Fall sähe sein Plan nicht viel anders aus: Das Parlament soll bis zum 6. November Zeit haben, um den Austrittsvertrag zu verabschieden, und sich dann bis zu den Wahlen Anfang Dezember auflösen.
Kein schlechter Deal für Corbyn
Das sieht nicht nach einem so schlechten Deal für Corbyn und die Fraktion der No-Deal-Verhinderer aus. Man ratifiziert zuerst das neue Abkommen, vermeidet so offenkundig einen Austritt ohne Deal und kann dann endlich neue Fragen an den Premier und seine Regierung stellen. Doch Labour hat sich noch nicht mit sich selbst geeinigt und scheint gespalten zwischen einem inneren Zirkel um Jeremy Corbyn, der prinzipiell offen für Neuwahlen ist, und der breiteren Führungsschicht der Partei, die das für keine gute Idee hält.
Auf der anderen Seite des Kanals wollen die EU-Gremien offenbar darauf warten, wie sich die Briten in Sachen Neuwahlen entscheiden. Das wollen angeblich vor allem die Franzosen vor ihrer Entscheidung über eine Verlängerung wissen. Ein merkwürdiges Entscheidungspatt, in der Art: „Bitte gehen Sie zuerst.“ – „Nein, Sie.“ – „Nein, Sie.“ Tatsächlich will Emmanuel Macron nur eine kurze Verlängerung von etwa zwei Wochen beschließen, um so Druck auf die britischen Abgeordneten in Richtung auf eine Ratifizierung des Deals auszuüben. Freitag mittag verkündete Michel Barnier, dass Brüssel eine Verlängerung gewähren, aber die Entscheidung über deren Dauer bis Dienstag aufschieben will. Doch am Montag sollen die Briten über Neuwahlen entscheiden. Schon titeln Zeitungen wie der Express mit Schlagzeilen wie: „Labour nimmt das Land in Geiselhaft – die EU weigert sich, eine Verlängerung zu bestätigen, bevor Corbyn Wahlen akzeptiert“.
Macron will Johnson helfen und ihn zugleich etwas quälen
Es läuft auf eine Dreiecks-Konstellation zwischen Johnson, Corbyn und der EU hinaus: Johnson will die Neuwahlen als definitiven Endpunkt („hard stop“) für die Parlamentsberatungen, Corbyn die Wahlen nur akzeptieren, wenn eine ausreichend lange Verlängerung gesichert ist, die EU die Dauer der Verlängerung erst dann beschließen, wenn beide über Neuwahlen entschieden haben. Theoretisch könnte Macron die Briten in den No-Deal-Brexit treiben, indem er die Entscheidung über eine Verlängerung bis Ende nächster Woche blockiert. Das dürfte nicht passieren. Offenbar will er aber Johnson etwas helfen und ihn zugleich quälen, indem er den Druck auf ihn und die Opposition erhöht.
Immerhin scheint sich die Sprache der britischen Oppositionspolitiker allmählich zu wandeln. Man gibt sich nun „bereit und versessen“ auf Wahlen, so beispielsweise die Schatteninnenministerin Diane Abbott. Unter dem Druck der Konservativen sind Labour und auch die europhilen Lib Dems gezwungen, die eigene Bereitschaft zu Neuwahlen deutlicher zu bekunden. Deren Kommen scheint nur noch eine Frage der Zeit und der Umstände. In Downing Street wartet man entspannt darauf, ob die Opposition ihr Versprechen einhält, im Falle einer Verlängerung für Neuwahlen zu stimmen.
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Boris Johnson ist schwach…er hätte den Brexit nie verschieben lassen dürfen..er hätte es auf einen No Deal Brexit herauslaufen lassen müssen. Er setzt damit nur des Volkes Willen durch. Und das kann nie ein Verbrechen sein.. dafür wird das Volk dann schon sorgen.. Johnson wäre gestärkt aus diesem Kampf herausgekommen aber so… Vergesst es!
Mehr als genug Politiker wollen WEDER Neuwahlen noch den Brexit. Und damit meine ich nicht nur die ihre Felle wegschwimmend sehenden Eurokraten, sondern auch auf der britischen Insel.
Es sieht aber so aus, als Johnson stoisch und unbeirrt Beides bekommt. Ein erfolgreicher Brexit wäre ein politisches „Waterloo“ für Europa, das auch durch eine clevere Strategie der Briten gewonnen wurde.
Hoffentlich sind die Engländer bald raus. Dieses Gezeter was da als gemacht wird, zeigt die Hilflosigkeit der EU ein weiteres mal auf. Dieser Showverein ist nicht mal im Stande, eine Art Hausrecht in der eigenen Hütte durchzusetzen. Und so was will Aussenpolitisch mit der dicken Hose auftreten ? Die hatten mehr als 2 Jahre Zeit. Das ganze ist einfach nur noch eine einzigste Blamage. In der EU haben sich die Länder zusammengeschlossen, um Aussenpolitisch ein stärkeres Gewicht zu haben. Die Länder haben sich zusammengeschlossen, ihr Gewicht aufzugeben, um bei jedem Problem weder zu reagieren zu können, noch irgendwas auf die… Mehr
Der Ausfall der britischen Mitgliedsbeiträge wird von 2021 bis 2027 eine jährliche Lücke von zwölf bis 14 Milliarden Euro aufreißen.
https://www.diepresse.com/5703668/brexit-kostet-84-mrd-euro
Dies erklärt das Brexit Theater auf beiden Seiten.
Johnson wird nicht zahlen und die EU kann nicht.
Da ist es völlig egal, was passiert.
Die EU ist am Ende.
Und wem haben wir den Austritt der Briten zu verdanken?
Also ich finde, wie dieses Merkel das geschafft hat ist einfach nur – briliant.
Stimme Ihnen vollkommen zu!
Deutschland hat doch schon erklärt, den Teil der Britten zu übernehmen. Sowas macht Frau Merkel im Vorbeigehen.
Aber auch bei Neuwahlen gilt: „Nix gwieß wois ma ned.“
So sieht es aus, wenn Politiker den Volkswillen umsetzen sollen. Vielleicht sollte man sie ihre Diäten erhöhen lassen – das ginge sicher schneller und einhelliger.
Ist es nicht so, dass das britische Volk entschieden hat auszutreten? ich hab aber den Eindruck, dass die Mehrheit der britischen Parlamentarier gar nicht austreten will. Deshalb wird ständig versucht irgendwie den Brexit zu verschieben oder noch besser nochmals darüber abstimmen zu lasen in der Hoffnung, dass die Bürger sich für den Verbleib entscheidet. Bei einem erneuten Referenten würden dann die Mainstreammedien ein Feuerwerk der Propaganda lostreten damit das „Fehlverhalten“ der britischen Bevölkerung in der ersten Abstimmung korrigiert werden soll. Warum sollte ein Austritt ohne Deal ein großes Problem darstellen? Dann gelten halt die WTO Vereinbarungen. Und nach dem Austritt… Mehr