Ein verzwicktes Erbschaftssteuergesetz ist der beste Garant dafür, dass das Thema zügig wieder vor dem höchsten Kadi landen wird – dann zum vierten Mal seit 1995.
War da nicht noch was? Die Reform der Erbschaftsteuer? Hatte das Bundesverfassungsgericht die nicht ultimativ eingefordert? Deadline demnächst. Ende Juni. Das wird langsam ziemlich knapp. Der zustimmungspflichtige Bundesrat tagt nur einmal im Monat. Selbst wenn im Bundestag alles blitzschnell durchgewunken würde, bleiben da realistisch wohl nur noch ein, zwei Termine.
Tatsächlich schwelt der Streit, ob und wie Betriebsvermögen erbschaftbesteuert gehört, annähernd unverändert weiter. Was zuletzt geschah: Anfang des Jahres waren nach der gescheiterten ersten Lesung des Gesetzes im September 2015 (!) die Vize-Fraktionsvorsitzenden der Koalition gemeinsam mit der CSU-Landesgruppen-Chefin in die Verhandlungsversenkung verschwunden, um dann kaum einen Monat später auch schon einen Kompromiss gefunden zu haben. Wie zu befürchten war, keinen einfachen.
Der Präsident der Familienunternehmer Lutz Goebel kommentiert:
„… Erfreulich ist, dass die Parteien die von uns geforderte Berücksichtigung der in Familienunternehmen geradezu typischen Kapitalbindung anerkannt und lösungsorientiert umgesetzt haben, wie auch die strukturelle Überbewertung durch das Bewertungsrecht. Bei Betriebsvermögen über 26 Mio. Euro muss man zwar immer noch zwischen einer Bedürfnisprüfung mit Heranziehen des privaten Vermögens und einem abschmelzenden Verschonungsabschlag (nunmehr 1 Prozent für 750.000 Euro anstatt 1,5 Mio. Euro und Auslaufen bei 99 Mio. Euro) wählen. Aber der hohe Kapitalisierungsfaktor wird gesenkt, indem der Basiszins angepasst wird. Nach derzeitigem Verhandlungsstand soll ein Bewertungsabschlag von bis 30 Prozent gewährt werden, wenn bestimmte für Familienunternehmen typische Gesellschafterbeschränkungen vorliegen. Für uns war dabei besonders wichtig: Das Vorliegen jener Gesellschafterbeschränkungen, an das positive Rechtsfolgen geknüpft werden sollen, wird künftig von Unternehmern auch tatsächlich dargelegt werden können. Auch liquide Mittel zur Reinvestition und Pensionsrückstellungen zur betrieblichen Altersvorsorge werden künftig nun wohl doch aus der Definitivbesteuerung als vermeintliches „Verwaltungsvermögen“ herausgenommen. …“
Alles klar, oder? Es bleibt wohl dabei, wie der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Bundestags Peter Ramsauer unlängst meinte: Die Erbschaftsteuerreform wird eine riesengroße Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Steuerberater. Nicht, dass ich der Steuerberater-Zunft ihren Broterwerb missgönne. Aber erstens ist ein verzwicktes Steuergesetz der beste Garant dafür, dass das Thema zügig wieder vor dem höchsten Kadi landen wird – dann zum vierten Mal seit 1995 – und zweitens steht zu befürchten, dass die SPD (und Wolfgang Schäuble?!) nach wie vor versucht, mit der Komplexität Steuererhöhungen zu kaschieren. Sei es, weil die Kniffe erst in Jahren Wirkung entfalten – nicht zuletzt nachdem angesichts der Rechtsunsicherheit viele Unternehmer ihr Nachfolgeregelung jetzt schon vorwegnehmen – oder sei es, weil die Komplexität nicht nur den Steuerberatern, sondern auch den Finanzbehörden Auslegungs- und Bewertungsspielräume eröffnet, und heute ganz gewiss noch nicht klar ist, wer da künftig am längeren Hebel sitzen wird.
Noch blockiert Horst Seehofer die Freigabe dieses Kompromisses. Wohl mit ähnlichen Befürchtungen, wie dargestellt. Flankierend hat die Mittelstands-Union der CSU, die den Regierungsentwurf sehr treffend als „nicht reparaturfähig“ bezeichnet, unlängst noch einmal nachdrücklich an ihren Alternativvorschlag erinnert: drei Prozent Steuer p.a. auf die Gewinne ab Übergabe zehn Jahre lang – zur verfassungsgerichtlich anerkannten Verschonung von kleinen Unternehmen mit eine Freibetrag von jährlich 100.000 Euro, der gegebenenfalls vorgetragen werden kann. Substanzentnahmen unterliegen innerhalb einer zehnjährigen Behaltefrist der Erbschaftsteuer wie Privatvermögen. Punkt. Das wäre alles.
Keine anfechtbaren Unternehmenswertberechnungen. Keine fiktiven Abgrenzungen zwischen Betriebs- und Verwaltungsvermögen. Keine Arbeitsplatznachweisbürokratie des Abschmelzmodells. Keine Detektivarbeit der privaten Bedürfnisprüfung.
Das hat fraglos Charme, weil neben der radikalen Vereinfachung auch der echte Wert des Unternehmens berücksichtigt wird und es ausgeschlossen ist, dass Steuern aus der bestehenden Substanz des Unternehmens genommen werden müssen. Nur wenn ein Unternehmen gewinnträchtig ist, also im wahrsten Sinne des Wortes einen Wert hat, müssen die Nachfolger dafür Erbschaftsteuer zahlen.
Wenn man partout nicht auf die Erbschaftsteuer verzichten will, eine wirklich sinnvolle Alternative. Was bei diesem Modell aber auch sehr schön deutlich wird, sind die unweigerlichen Konsequenzen der Besteuerung von Betriebsvermögen. Die drei Prozent schmälern jährlich den Gewinn und damit jährlich das Potenzial zur Thesaurierung und damit die Investitionskraft der Unternehmen. Damit werden definitiv weniger neue Arbeitsplätze in den betroffenen Betrieben entstehen als ohne die Steuer. Immerhin besser als bei den bisherigen Modellen, die auch bestehende Arbeitsplätze gefährden.
Vom Autor ist im September 2015 eine umfassende Auseinandersetzung zur Erbschaftsteuerdebatte „Warum Erben gerecht ist: Schluss mit der Neiddebatte“ im FinanzBuch-Verlag erschienen.
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