Paradox: Der Spaltung Deutschlands folgte die Spaltung der wiedervereinten Gesellschaft. Es gibt mehr Trennendes als Gemeinsames - in Ost und West.
Erinnern Sie sich noch an das Kuratorium Unteilbares Deutschland? Wir gehen auf den dreißigsten Jahrestag des Mauerfalls zu und auf ein Desaster der klassischen Bonner Volksparteien bei ostdeutschen Landtagswahlen. Gegen die ihrer Stärke nach ostdeutschen Regionalparteien AfD und Die Linke kommen sie auf keinen grünen Zweig, obwohl sie sich gerade darum so sehr bemühen. Okay? Dann gleich noch ein Scherz, der leider keiner ist: Es wird Zeit für die Gründung des Kuratoriums Unheilbares Deutschland. Hier ist sein Gründungsmanifest.
I.
Die historischen Stadtkerne strahlen, Gewerbeparks und Einkaufszentren an allen Ecken, unvergleichlich niedrige Lebenshaltungskosten und fast überall herrlich viel Platz und gute Luft. Was wollt ihr denn noch?
II.
Es war eine Illusion zu glauben, man müsse nur genug Geld in die neuen Bundesländer stecken, um die innere Einheit zu vollenden. Noch größer war die Illusion, man könne die Einheit von oben in Kraft setzen. Die Vereinigung zweier Staaten ist nicht dasselbe wie die Vereinigung zweier Gesellschaften. Mentalitäten sind zäher als Institutionen und Gesetze. Es ist nicht die erste Fusion, die scheitert.
III.
Es rächt sich, in den Ostdeutschen arme, gedemütigte Wesen gesehen zu haben, die besonderer Rücksicht bedurften. Sie haben gespürt, was es war: Geringschätzung im Zeichen von P.C.. Bedurfte früher die Wahrheit über den Osten der Zustimmung der Ossis, ist es heute umgekehrt: Die widerspenstigen Ossis, vor allem, wenn sie AfD wählen, dürfen beschimpft werden. Sie haben noch immer nicht kapiert, wie Demokratie geht.
IV.
Die viel beschworene innere Einheit ist heute kaum noch ein Problem zwischen Ost und West, sondern zunehmend zwischen einander fremd gewordenen Ostdeutschen. Paradox: Der Spaltung Deutschlands folgte die Spaltung der wiedervereinten Gesellschaft. Es gibt mehr Trennendes als Gemeinsames – in Ost und West. Die neue Spaltung der Nation reicht tiefer als die wachsende Kluft zwischen Wohlstand und Armut.
V.
Zweites Paradox: Vor dreißig Jahren ging nicht nur die DDR zugrunde, sondern auch die BRD. Die Westdeutschen leben heute, gemessen an dem, was sie hatten, in einer beschädigten Republik. Und die Ostdeutschen traten nicht der Republik bei, nach der sie sich gesehnt hatten.
VI.
Aus diesem schwer zu bewältigenden Trauma heraus erkennen viele in der Berliner Republik das, was sie an der DDR nicht mehr vermissen. Ein neuer, diesmal grüner Kollektivismus greift um sich. Eine verlogene Moral. Globalismus statt Antifaschismus. Einen Trend zur Öko-Einheitspartei. Viele im Osten halten die sogenannte Demokratie für Betrug. Dass sie aus ihrer Erfahrung mit der Diktatur des Proletariats falsche Schlüsse ziehen, ändert nichts daran, dass ihr Vertrauen ins politische System Deutschlands erodiert.
VII.
Natürlich ist das übertrieben. Auf eine vertrackt dialektische Weise hat so die DDR in den Köpfen überlebt. Es sind keineswegs die vom Kapital ins Elend getriebenen Massen, die die westliche Demokratie zunehmend ablehnen. Aber die DDR-Diktatur wurde nicht hinreichend aufgearbeitet. Ersatzweise werden die politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik abgelehnt. Insofern erinnert das Grummeln von Rechts an das Grummeln von Links in der alten Bonner Republik. Weil das Naziregime nicht richtig aufgearbeitet worden war, hatten die 68er den Westen verteufelt. Damals wie heute ein Krieg gegen die Verlogenheit der herrschenden Elite/Klasse.
VIII.
Eine funktionierende Gesellschaft ist permanent miteinander im Gespräch, wozu auch ein gemeinsames Verständnis der wesentlichen Problemfelder gehört, sowie gemeinsame Ziele und Werte und Leitbilder. Auch in dieser Hinsicht kann von einem vereinten Deutschland heute kaum noch die Rede sein.
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Herr Herles, ** Das sagt Ihnen ein Sachse am Erwerbsabend, der also von DDR und BRD reichlich abbekommen hat. Wo haben Sie die „vom Kapital ins Elend getriebenen Massen“ gesehen? Lenin getroffen? Lehnt man in Ihren Augen die Demokratie ab, wenn man AfD wählt? Extiction Revolution lehnen die Demokratie ab, mit Hinweis auf den Weltuntergang – die kommen aber von westen und werden dort auch hofiert.
Das alles wäre nicht so passiert, hätten wir einen Kanzler, der regiert statt zu reagieren. Dieses opportunistische herumgeplänkel mit Wahnideen, die für jeden klar Denkenden nur zu einem bösen Ende führen können, hat die Gesellschaft gespalten, nämlich in Realisten und ideologische Träumer und, als dritte Kategorie, in flexible Geschäftemacher, die, ähnlich den Kriegsgewinnlern im 3. Reich, nicht weiter denken als bis zu ihrem Bankkonto.
Ein Verfassungsgericht bestätigt die Halbierung der Wahlliste der AfD für die Wahl in Sachsen, die in den Umfragen bei 25% liegt . Wegen Formfehlern.
Die Demokratie und der Rechtsstaat in Deutschland hat fertig.
Westdeutschland vor 1989 gibt es nicht mehr. Westdeutschland hat sehr viel von der DDR übernommen. Presse und TV sind jetzt Regierungskonform. Im Unterschied zur DDR sind sie der Berater der Regierung. Die Oppositionsparteien sind nicht in der Opposition sondern fungieren als Blockflöten (außer der AFD). Wobei die grüne Partei keine Blockflöte ist. Zusammen mit den Medien stellt sie die Regierung . Siehe Söder, der grün weisungsgebunden ist. Die Bundeskanzlerin ist immer nur das ausführende Organ. Die SED ist im Gegensatz zur NSDAP nicht verboten worden. Blockflöte SPD möchte jetzt gern mit der Blockflöte SED koalieren (Fliege/Karl Lauterbach). Das Spiel die… Mehr
Machen wir uns nichts vor. Das vereinte Deutschland ist genauso gespalten wie seinerseits BRD und DDR: Gespalten nicht entlang politisch-ideologischer Linien sondern gespalten in eine herrschende Elite mit ihren Hofnarren und dem Rest der Bevölkerung (In SPD Terminologie auch Pack). Der Politikzirkus, dem wir täglich zusehen dürfen, ist Unterhaltung für die Massen, und auch noch schlechte dazu.
Also dass hier Achse Leser und Tichy Leser zusammenkommen ist schon klar, ne.Ich werde ja schon von meiner Kiosk Betreiberin auf dem Mittelalter Markt angesprochen, dass ich ja noch vor dem Urlaub Tichyeinblick abhole. Passt jetzt wirklich nicht zum Thema, aber wir sind halt schon so ne Art Gemeinde.
Wieso spricht man eigentlich immer noch von Ossis und Wessis? Wir sind ein Land. Niemand würde Martin Luther einen Ossi nennen. Also wenn wir nicht Mal die Deutschen inkludieren können, was wollen wir dann von der Welt erwarten. Nee die Soziologen haben komplett versagt. Deren Theorien sind Null und nichtig. Das ist die Wahrheit.
Ich kann dem Artikel nur in ganz wenigen Punkten zustimmen. Ich bin froh über die Ostdeutschen, die sich nicht von AM und ihrem Hofstaat, den grünen „Rattenfängern“ und den Klimahysterikern einfangen lassen. Es graust mich, wenn ich in den Kommentarspalten gewisser linker Medien lese. Dort findet man nicht wenige, die eine Allparteienregierung außer der AFD befürworten. Berufsverbote, Ausschluss aus Vereinen und Fußballstadien von Gegnern von Linksgrün werden gefordert bis hin zum Einsetzen von Gewalt. Neulich schlug jemand bei ZO vor, „anständige“ Wähler aus dem Westen in den Osten zu bringen, damit dort „richtige“ Wahlergebnisse herauskommen. Dort liegt die wahre Spaltung… Mehr
Auch die CDU scheint sich übrigens zu spalten. Frau Merkels Kartenhaus verliert sein fundament. Aber nicht nur in Mitteldeutschland, gern der Osten genannt, sondern überall. Das der „Osten“ vorangeht liegt an dessen geschichtlicher Erfahrung und daran, dass dort allgemein kritischer gedacht wird. (Mer Sachsen mer sinn helle …..)
„Demokratie ist einzig und allein das, was ich will! Und zwar alternativlos.“ — Der Konsens der Deutschen war offensichtlich lediglich eine hauchdünne Schicht, wie bekanntlich auch die zivilisatorische es ist. Diese hauchdünne Tünche wird nun vom Winde der auseinander driftenden Interessenlagen, nämlich nicht nur derjenigen der Ossis und derjenigen der Wessis, sondern auch derjenigen der anywheres (Globalisten) und der somewheres (Heimatverbundenen) verweht. — Die einen sehen sich selbst als Angehörige einer abstrakten one-world-family, die andere als Teil einer konkreten Familie, die einen betrachten die ganze Welt als Lebensraum für sich, die anderen ihre Heimat. — Die einen haben kaum noch… Mehr
In oder zur AFD gingen die, denen die Altparteien (bis hin zu LINKE) zuwenig konservativ waren. Siehe deren Biografie. Die LINKE sind eine Kleinbürgerpartei, keine Kommunis-ten. In der DDR gab es nur Kommunisten, die das vor 1945 schon waren. Und das waren Stalinisten oder Maoisten. Stalinist wollte nach 1953 keiner mehr sein, und Mao war so eine Art vergilbter Marsmensch. Ergo: Aus der DDR kamen normale Deutsche, die von der Armut weg wollten. Sie sind inzwischen in der linksgewordenen Republik und fühlen sich verkehrt. Sie fühlen, dass sie unter gefühlt 5 Mio. Staatsfeinden fremd sind. Sie halten die viele Spinnerei… Mehr