ARD-Becker irrt oder täuscht. Wer die Linkspartei als die mehrfach umbenannte SED bezeichnet, äußert sich nicht polemisch, sondern benennt historische Fakten.
Der ARD-Chefredakteur Rainald Becker konterte per Twitter den BILD-Politikredakteur Ralf Schuler, der die Linkspartei als „SED-Erben“ apostrophierte. Der ARD-Manager schrieb:
„Wer nach 30 Jahren Einheit Die Linke immer noch als ‚SED-Erben’ bezeichnet, hat nichts verstanden und gelernt.“
— Rainald Becker (@BeckerRainald) August 10, 2019
Die Formulierung „SED-Erben“ ist relativ mild – ein Erbe ist nicht identisch mit dem Erblasser. In Wirklichkeit existiert eine juristisch durchgehende Linie von der DDR-Staatspartei SED zur heutigen Linkspartei. Im Dezember 1989 gab es auf dem ersten SED-Parteitag nach dem Sturz Erich Honeckers tatsächlich eine heftige Debatte über eine Auflösung der Partei. Sowohl der spätere Parteichef Gregor Gysi als auch der langjährige SED-Bezirkschef von Dresden und damalige DDR-Ministerpräsident Hans Modrow plädierten dagegen, und für die Umbenennung der SED in SED-PDS (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Partei des Demokratischen Sozialismus), in erster Linie, um das beträchtliche Parteivermögen zu retten. Damit setzten sie sich durch.
In der Partei-Chronik heißt es dazu:
„Es gehört zu Leistungen des Außerordentlichen Parteitages, dass Emotionen nicht das alles Beherrschende wurden, dass sein Hauptimpuls nicht dahinter verschwand. Und dieser bestand darin, die DDR als Basis für einen erneuerten Sozialismus zu erhalten, was wiederum ohne eine einflussreiche sozialistische Partei nicht vorstellbar war.
Deshalb wurde zum Knackpunkt des Parteitages die Frage: Auflösung der Partei oder Erneuerung. Dieses Problem thematisierte Gregor Gysi in seinem Referat. Er plädierte für Erhalt, Erneuerung und Umbenennung der Partei. Wenn heute das Motiv für die Fortführung der Partei oft lediglich auf die Bewahrung von Parteivermögen und die Verantwortung für zahlreiche hauptamtliche Kräfte reduziert wird, so negiert dies bewusst, die Dimension dieser Problematik, denn es ging letztlich um eine existenzielle Frage der deutschen Linken insgesamt.
Davon abweichend stellte am Ende einer abwägend geführten Debatte der Delegierte Norbert Voigtsberger aus dem Kombinat Landtechnik Erfurt folgenden Antrag zur Geschäftsordnung: „Ich bin mit dem Auftrag der Genossen, die ich vertrete, hier, eine Auflösung der Partei zu fordern.“ (Protokoll S. 91.) Und er verlangte hierüber abzustimmen. Die Frage, wie weiter wurde von ihm nicht gestellt und gleich gar nicht beantwortet. Vermutlich schwebte manchen Sympathisierenden einer Auflösung die Neugründung einer sozialistischen Partei ohne Erblasten vor. Aber vieles spricht dafür, dass nicht eine, sondern mehrere Neugründungen erfolgt wären. Und hätte eine von ihnen sich als einflussreiche Kraft etablieren können, wäre ihr gewiss das Stigma „Nachfolgepartei“ nicht erspart geblieben, ergänzt mit dem Zusatz „Etikettenschwindel“.
In dieser angespannten Phase des Parteitages beantragte der Tagungsleiter Wolfgang Berghofer eine Auszeit zur Beratung der Tagungsleitung. Diese kam überein, den Parteitag in geschlossener Sitzung fortzusetzen, also ohne die Anwesenheit der Medien. Es war schon weit nach Mitternacht, da ergriff Hans Modrow das Wort und mahnte eindringlich: „Wenn bei der Schärfe des Angriffes auf unser Land dieses Land nicht mehr regierungsfähig bleibt, weil mir, dem Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik, keine Partei zur Seite steht, dann tragen wir alle die Verantwortung, wenn dieses Land untergeht.“ (Protokoll S. 93.)
Anschließend zogen sich die Bezirksdelegationen zu Beratungen zurück. Den Delegierten wurde empfohlen, den Parteitag am folgenden Wochenende fortzusetzen, aber unmittelbar zur Wahl des Parteivorstandes, des Parteivorsitzenden und der Schiedskommission zu schreiten. Als über den Antrag Auflösung der Partei abgestimmte wurde, erhob sich keine Hand mehr dafür. Vielleicht war der Antragsteller auch nicht mehr anwesend. (Protokoll S. 98.) Groß waren der Jubel und die Erleichterung.
In der Abstimmung über einen neuen Namen sprachen sich mehr als ¾ der Delegierten dafür aus, obwohl der neue Name noch offen war. Dann erfolgten die Wahlen mit vielen Fragen an die Kandidaten. (…)
In einer geschlossenen Sitzung wurde Gregor Gysis Vorschlag auf Umbenennung der Partei in SED-PDS gegen 172 Stimmen, bei 39 Enthaltungen zugestimmt. Gysi referierte zu den aktuellen Aufgaben der Partei und steckte Leitlinien zum künftigen Profil der SED-PDS ab.“
Später änderte die Partei ihren Namen in PDS, ließ also den ursprünglichen Namen wegfallen. Noch später – 2009 –änderte sie ihre Bezeichnung in „Die Linke“, ebenfalls, ohne die rechtliche Kontinuität aufzugeben.
Im Jahr 2009 fand in Berlin auch ein bemerkenswerter Prozess statt: Die BZ hatte damals ein Zitat des Historikers Hubertus Knabe veröffentlicht, in dem es um eine Verschiebung des Altvermögens der SED ging („Bis heute ist nicht bekannt, wie viel Geld die PDS insgesamt beiseite schaffen konnte und wer davon heute profitiert. Allein zwischen Januar und Juli 1990 verringerte sich ihr Vermögen – nach Parteiangaben – von 9,5 auf 3,5 Milliarden DDR-Mark.“)
Die Linkspartei widersprach: „Wir haben so etwas nie erklärt. Das stimmt auch nicht.“ Es ergab sich die Frage, inwieweit die Linkspartei berechtigt war, für die SED zu sprechen.
An Eides Statt erklärte damals der Linkspartei-Bundesschatzmeister Karl Holluba: „,Die Linke‘ ist rechtsidentisch mit der ,Linkspartei.PDS‘, die es seit 2005 gab, und der PDS, die es vorher gab, und der SED, die es vorher gab.“
Wer die Linkspartei als die mehrfach umbenannte SED bezeichnet, äußert sich also nicht polemisch, sondern benennt historische Fakten. „SED-Erben“ ist, siehe oben, schon eine nachsichtige Bemerkung.
Dass ein ARD-Chefredakteur das alles entweder nicht weiß oder nicht wissen will, ist bemerkenswert.
Beckers Insinuation, die Formulierung „SED-Erben“ sei unkorrekt, weil die Linkspartei nach 30 Jahren mit der SED nichts mehr zu tun hätte, läuft auf eine Geschichtsfälschung hinaus.
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Die Aussagen von Hern Becker belegen seine (bewußte) Ahnungslosigkeit und sollen die Linke hoffähig machen.
Solchen Bullshit von sich zu geben hat mit Profi-Journalismus nichts zu tun, sondern mit Wahrheitsverdrängung.
Den Herrn kann man sich zukünftig durch „ein Klick“ ersparen, ähnlich „Sudel-Ede.“
Rainald Becker führt eben definitiv die Relotiuspresse beim deutschen Staatsfunk ARD ein. Entspricht es inzwischen auch dem geistigen Niveau eines Staatsfunks ARD mit seinen gesinnungsethischen Bevormundungen, wobei Gniffke (vorgeblicher Nachrichtenchef der ARD) mit seinen Schergen immer noch denkt, es wären Nachrichten.
Nee… Relotius ist überall, schon seit Jahrzehnten.
Schauen Sie sich die Tagesschau-vor-20-Jahren an, gleiches Spiel wie heute.
Nur – damals konnte man das nicht so leicht erkennen.
Es wurde von Journalisten schon immer gelogen, betrogen und „Haltung“ gezeigt… egal ob konservative oder linke Journalisten
Neu ist nur, dass es keine konservativen Journalisten mehr gibt – jedenfalls im ÖR. Aber Framing – wenn auch namentlich damals nicht bekannt – gab und gibt es seit hunderten von Jahren.
Aussagen ohne Begründung wie die des Politikredakteurs Becker sind nichtssagende Phrasen, hohles Rauschen im Stil von Werbeslogans – wobei diese ab und an wenigstens geistreich und witzig sind, was man dem ARD-Mann schwerlich attestieren kann.
Auch wenn die ARD keine direkte Rechtnachfolgerin der „aktuellen Kamera“ ist, so wird sie ihr trotzdem immer ähnlicher.
Die Linke in Sachsen kommt aus ihren Löchern. Im Staatsfernsehen wurde die Vorsitzende der sächsischen Linke gezeigt, als sie sagte, dass sie den demokratischen Sozialismus wieder einführen wollen und damit in die Wahl gehen. Auf den Wahlplakaten bei uns ist davon zwar nichts zu sehen, sondern nur dumme Satzfetzen, aber das besagt gar nichts. Die Linke ist nicht so dumm, es den Sachsen frei heraus zu sagen, dass sie den Sozialismus wieder einführen wollen. So etwas wäre in Sachsen toxisch. Nur, gesagt, ist gesagt und die Zielrichtung der Linken ist klar. JEDE Partei, die sich mit dieser Partei gemein macht,… Mehr
Aber sicher ist die Linke dumm. Denn schon sprachlich gibt es keinen demokratischen Sozialismus. Denn ein Sozialismus ist immer mit einer Diktatur der Besserwisser, Bevormunder und Fremdbestimmer verbunden, also nie mit der Herrschaft des Volkes.
Stimmt. Das haben die Linken erfunden, um ihre SED umzubenennen, um schäfchenhafter daherzukommen. Der demokratische Sozialismus = der Wolf, der Kreide gefressen hat.
Nur 30 Jahre nach dem Mauerfall ernsthaft eine Diskussion darüber zu führen, ob die Linke die Nachfolgepartei der SED ist, kann doch eigentlich nur ein schlechter Witz sein. Muss man denn jetzt nach Tonscherben graben, um etwas zu beweisen, was man selbst erlebt hat? Ist es Blödheit, ideologische Verblendung oder ein politischer Plan, der Menschen dazu bringt, die jüngste Geschichte zu leugnen? Die meisten Kommentare auf Twitter als Reaktion auf Ralf Schuler tun nämlich genau das. Sie schlagen damit nicht nur den Maueropfern nachträglich ins Gesicht. Nur, was ist denn dann mit der SED passiert, wenn die Linke nicht die… Mehr
Die Linke hat lediglich umfirmiert. Der Geschäftszweck bleibt derselbe. „Marktführer “ war sie nur, solange sie ihr Einflußgebiet gewaltsam vor Konkurrenz schützen konnte.
Sie hat die neue Situation durch einen drastischen Schrumpfungsprozeß bewältigt.
Inzwischen erwachsen ihr mit der gleichfalls geschrumpften SPD und den unverdient erfolgreichen Grünen neue potentielle Kooperationspartner. Die arbeiten daran, das ramponierte Image der Linken aufzupolieren, um eine mögliche Zusammenarbeit ihren Wählern schmackhaft zu machen. Dazu muß die Erinnerung an die SED von dem neuen Namen abgespalten werden, weil es doch zu viele gibt, die noch wissen, was sie dieser Partei zu verdanken haben.
Man muss die Linke sogar als SED Nachfolger bezeichnen, alles andere wäre Geschichtsklitterung. Warum diese Partei nicht längst verboten is, ist mehr als fraglisch. Wer ein Staatswesen derart zu Grunde richtet, „Parteivermögen“ unterschlägt, den angerichteten Schaden anderen aufbürdet und immer noch glaubt, auf der richtigen Seite zu sein, ist nicht nur gefährlich naiv sonder zeigt auch gefährlich kriminelle Züge. Die SPD als Juniorpartner von Grün/Linke (grün und rot ergibt übrigens braun…) besiegelt somit den endgültigen eigenen Untergang. Aus der SED Geschichte nix gelernt. Auf ein Neues…
Nein, die Linke ist kein Nachfolger. Es ist immer noch die KPD mit der Ost-SPD verschmolzene SED! Nur heute UMBENANNT in die Linke.
Mich würde interessieren wie das möglich ist, da die KPD in Deutschland wegen Staatsfeindlichkeit verboten ist.
Und mich würde interessieren wie die SPD doppelt zur Wahl antreten kann. Als KPD-SPD sowie als SPD ?!
Es ist doch schon seit langem so. Es wird nicht mehr über Geschehnisse berichtet sondern es wird nur noch kommentiert! Kaum eine Meldung in dem ÖRR kommt ohne Fingerzeig aus. Mit der Meldung kommt auch gleich eine Verlautbarung was man davon zu halten hat und wie man korrekterweise darüber zu denken hat ( Orwell läßt grüßen) . Klar hat Herr Becker das Recht auf eine eigene Meinung, aber wie er sie oberlehrerhaft unter das Volk bringt zeigt nur welche Arroganz er vor sich her trägt. Alle die nicht seiner Meinung sind, sind Dumm ( Klarsprech), da nichts gelernt und und… Mehr
Mhh, mal ein Gedanke u. Frage von einer NICHT hellen politi Leuchte wie mich….:
> WO wäre dann der -große- Unterschied zu sehen wenn sich die damalige PDS erst aufglelöst und dann als SED und/oder -je nachdem- früher oder später auch als Die Linke neu gründet hätten??
Hier wären dann doch die selben Politiker mit ihrem gleichen Denken zu finden gewesen sein!??
UND wäre dann der polit Einfluß einer dann neu gegründeten SED u/o Die Linke ein anderer geworden als wie der heute ist? Oder wäre(n) die dann neu gegründete(n) Partei(en) so klein geworden das sie unter 5% wären?
Bin mir nicht sicher. Hab mich das auch schon gefragt. Ich vermute, dass das Parteivermogen dann jemand anderem zugefallen wäre. Bei vielen Vereinen steht in der Satzung, dass wenn sie sich auflösen ein Dritter das Vermögen dann erbt. Wahrscheinlich wäre der Nutznießer in diesem Falle der Staat gewesen und somit hätte die SED darauf nicht mehr zurück greifen können. So oder so ähnlich denke ich wird der Zusammenhang sein
Mhh, dass betrifft dann zwar soweit die finanz. Seite, doch wie hätte/würde die polit Seite aussehen wenn die PDS damals anders vorgegangen wäre. Denn wie ich auch schon eingangs andeutete u. fragte: EGAL ob sich die PDS zB erst aufgelöst und dann umbenannt oder gleich umbenannt hätte – oder aber wenn nach der Auflösung der PDS daraufhin zwei kleine Parteien entstanden wären, die polit Personen und deren Denke wären doch so oder so unverändert u. gleich geblieben. WELCHE polit Veränderung hätte es für die damalige PDS bzw heutigen Die Linke gehabt oder haben können? Und würde dann die heutige „Die… Mehr
Genau das was @Donostia sagt, wird den größten Anteil daran haben. 1989 arbeiteten in meinem Arbeitsumfeld viele SEDler und die wollten in die KPD (wurde im Osten wieder gegründet damals) eintreten und in andere linke Parteien. Somit wären auch Netzwerke und Organisationsstrukturen verloren gegangen. Ich kenne diese Netzwerke nicht, aber ich denke, das wäre für die SED sehr schmerzlich gewesen. Es ist nicht so einfach, wenn man eine Partei auflöst und wieder neu gründet, wieder auf die Füße zu kommen. Wenn alles intakt ist, ist der Prozess, sich neu darzustellen einfacher. Und gerade im Osten trafen sie auf ihre altbekannten… Mehr
Nachdem ich grad eben @Donostia geantwortet habe, sehe ich nun diese Antwort….
Also habe ich es nun richtig verstanden, dass es damals den SED Hauptverantwortlichen in der Hauptsache um das SED Vermögen und nicht so sehr bis gar nicht um die polit Seite ging?
Womit dann auch meine eingangs gestellten Fragen beantwotet und meine Vermutung bestätigt wären, dass bei dieser Partei – also der damaligen SED und der heutigen Die Linke, deren polit Denken im Grunde gleich und unverändert geblieben ist.
Das habe ich nicht gesagt. Ich habe @Donostia zugestimmt und noch eine andere Linie dazugefügt. Eine politische Linie durchzusetzen kostet Geld. Wahlen kosten Geld. Die Organisationseinheiten kosten Geld. Ohne Geld wird’s nichts. Lobbyismus kostet Geld. Beides zu haben: Das Netzwerk, die Organisationsstruktur untersetzt mit Geld ist Gold wert.
Ein Unterschied (steht auch im Artikel) ist das Vermögen. Eine Partei gilt zwar nicht als juristische Person, wird aber dieser gleich behandelt. Wenn man eine juristische Person auflöst wird auch das vorhandene Vermögen auf die Gesellschafter verteilt, bei einem Verein, dem eine Partei gleicht, auf die Mitglieder.
Ein weiterer Unterschied ist die Rechtsträgereigenschaft. Wenn sie die auflösen, ist sie untergegangen. Ähnlich einem Haus, daß man abreißt. Es ist verschwunden, selbst wenn man an derselben Stelle das alte Haus nachbaut. Das neue Haus ist immer anders als das alte Haus.