Merkel gibt bis zum Ende die Bundesmutter

Seit Wochen redet Merkel den streikenden Schülern nach dem Mund wie bisher schon den Grünen. Aber was, wenn die Grünen sie nicht mehr brauchen?

SWEN PFORTNER/AFP/Getty Images

Contenance, Contenance, flüstern unhörbar manche CDU-Funktionäre und Regierungsmitglieder mit zusammengepressten Lippen und mit Faust in der Tasche sich selbst zu, wenn sie der Bundeskanzlerin Aktionen so beobachten.

Im Grunde genommen ist Angela Merkel längst zur schweren Last geworden, für die CDU, für die Regierung – aber auch für sich selbst wird Merkel zunehmend mehr zur Erschwernis. Ganz offensichtlich befinden sich Kanzleramt und Merkel selbst in Endzeitstimmung. Keiner wagt es jedoch, die Kanzlerin offen in Frage zu stellen, obwohl sie der Grund des ganzen Malheurs und der Fehlentwicklung der CDU ist.

Ganz speziell seit dem Beginn der Flüchtlingskrise und ihrem anfänglichen Mantra „Wir schaffen das“, das längst mehrfach widerlegt wurde, ist der Lack ab.

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Als Vorsitzende trat sie zwar scheinbar großzügig ab, aber nicht als Kanzlerin. Das wäre als Größe gewertet worden. So schleppt auch ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer Merkel’sche Altlasten mit, die sie komplett ausbremsen. Aus der EU-Wahl hielt sich die Kanzlerin raus, keinen Kandidaten unterstützte sie, nicht einmal den bayerischen Spitzenmann, Manfred Weber.

Das wurde hinter vorgehaltener Hand zwar auch begrüßt, aber Merkel lässt es sich nicht nehmen, subtil im Hintergrund und bei Presseterminen ihre eigene CDU samt Personal zu kritisieren, sie alle gemeinsam zu rüffeln. Wie kleine Kinder. Seht her, eigentlich kann ich es besser (souffliert von ihrer Entourage mit Beraterinnen und Peter Altmaier im Küchenkabinett und applaudiert von ihr zugetanen SPD-Frauen).

Die Situation ist recht grotesk. Im Grunde genommen nimmt die Kanzlerin auf einer Art Abschiedstour fast nur noch repräsentative Termine wahr, fast wie in der Rolle eines Bundespräsidenten – und deshalb wohl auch, nur mal so nebenbei, sucht sich der nominale Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Nischen und politisiert wie kein anderes Staatsoberhaupt vor ihm gegen die eigenen Bürger mit seiner ultralinken SPD-Agenda (dem Abgrund nahe). Man, was war dem gegenüber ein Johannes Rau (SPD) gelassen und beliebt, querbeet in allen Bürgerschichten.

Es ist derzeit eine verzwickte Lage in der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer ist bereits so angesägt, dass es einem Wunder gleichkäme, würde sie tatsächlich noch für das Kanzleramt in den Ring steigen dürfen. Dass Merkel für ein Schwarz-Grünes-Bündnis offen wäre, steht fest, und speziell bei Habeck und den Frauen der grünen Opposition steht die Kanzlerin als Vorfrau ihrer grünen Flüchtlingspolitik ganz hoch im Kurs.

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Überholen die Grünen die CDU weiterhin in den Umfragen, wächst der Vorsprung weiter, wäre das Thema AKK in der CDU komplett erledigt, würde wohl ein weiterer – aussichtsloser – Kandidat einspringen, in der Hoffnung, die Grünen einzufangen. Käme es zu einer Koalition mit einem Grünen als Chef und der CDU nur als Kellner, dürfte für AKK nicht einmal ein Ministerplatz drin sein. Interessant wird sein, wie viel Macht der Zirkel der Werte-Union tatsächlich bei Entscheidungen innerhalb der CDU/CSU einfließen lassen kann.

Alle außer ihnen selbst hoffen sie nun, die Grünen würden das Klima-Pferd bald totreiten. Eine erste Umfrage zeigte, dass die Bürgerschaft auch hier gespalten ist. Knapp mehr als die Hälfte lehnte nämlich eine Umweltpolitik mit neuen Gesetzen und Steuern ab, wenn diese, wie von den Grünen offen kommuniziert (als handele es sich nur um Peanuts) etwa 100 Milliarden (!) kosten soll. Hier müsste die CDU mit Alternativen aufwarten. Aber mit Merkel im Nacken ist diese CDU total verzagt.

Vielleicht merkt Merkel gerade selbst, genauso wie DFB-Bundes-Jogi Löw, das CDU-Team könnte auch ohne sie Erfolg haben? Löw war gerade angeschlagen, weil ihm im Fitnessstudio einen Sportunfall hatte. Das Team gewann auch mit Löws Assistenten auf der Bank. Angeschlagene Personen beruflich in Frage zu stellen? Das ziemt sich nicht.

So rätselte erst die Tage ganz Deutschland über Merkels sichtbaren Zitteranfall, ein echter Tremor schüttelte ihren Körper fast eine Minute, während die Nationalhymne gespielt wurde. Neben ihr stand der neu gewählte ukrainische Präsident. Das Regieren hat definitiv Spuren hinterlassen. Wie steht es tatsächlich um den Gesundheitszustand der Kanzlerin? Und wie angeschlagen ist die CDU?

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Einen Tag später spulte sie bereits wieder einen Termin in Sigmar Gabriels Heimatstadt Goslar ab, die inszenierte Diskussion mit Schülern in der historischen Kaiserpfalz fehlte nicht. Und die Schüler sowie die Fridays-for-Future-Bewegung lobte sie genauso über den grünen Klee wie, aufgepasst, den Youtuber Rezo. Fast wie eine Absolution. Ja, der habe absolut Recht gehabt mit seiner Kritik, „Die Zerstörung der CDU“.

Eigentlich sagte die Kanzlerin vor den Schülern, was ihre CDU im Umgang mit Rezo alles falsch gemacht habe. Dass Rezos Kritik oberflächlich war, und dass man sich auch als junger Mensch schlau machen kann, mehr Tiefe statt Oberflächlichkeit, dazu von Merkel keine Silbe. Nein, seit Wochen redet sie den (streikenden) Schülern nach dem Mund. Und natürlich, wenn Angie es toll findet, müssen es viele andere eben auch tun.

Nein, die Kanzlerin will weiter selbst gefallen, sammelt eigene Fleißsternchen mit gespielter Authentizität, will die Kinder und Jugendlichen für sich einnehmen, indem sie ihnen nach dem Mund redet. Wie sie seit Anbeginn allem nach dem Mund redet, was Medien gut finden nach dem adaptierten Werbespruch: Angie weiß, was Medien wünschen.

Angela Merkels eigener Wunsch ist es wohl, als liebe Bundesmutter in Erinnerung zu bleiben. Kritiker sagen besonders in der CDU, Merkel habe die Partei gespalten und zerstört. Dazu hätte es nicht einmal Rezos infantiles Video gebraucht.


Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist, ist seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig.

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Kommentare ( 125 )

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125 Comments
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Betreutes Denken
5 Jahre her

Wann geht diese bleierne Zeit endlich zu Ende? Diese Frau hat die Dividende der Schröderschen Reformagenda mit ihrer gescheiterten Energiewende, ihrer auf naivem Humanitarismus und auf überdehntem Toleranzverständnis begründeten Flüchtlingspolitik und ihrer unsäglichen Euro-Rettungspolitik komplett aus dem Fenster geworfen. Von der unsäglichen Verkehrswende und ihrer sozialisitischen Rentenpolitik (Rente mit 63) ganz zu schweigen. Alles, was diese Frau angepackt hat, hat sie falsch gemacht. Ihre Kanzlerschaft sind für Deutschland völlig verlorene Jahre.

Schwabenwilli
5 Jahre her

Und zu allem Überfluss kommt auch noch der Merz um die Ecke mit der Hiobsbotschaft: „Driften Sicherheitsorgane ab?Merz warnt: „Wir verlieren Teile der Bundeswehr und der Bundespolizei an die AfD““
https://www.focus.de/politik/deutschland/driften-sicherheitsorgane-ab-merz-warnt-wir-verlieren-teile-der-bundeswehr-und-der-bundespolizei-an-die-afd_id_10853535.html

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Wenn jetzt noch die Grünen fordern das die BW und Polizei abgeschafft werden sollen Zwecks Ausrufung des tausend jährigen Friedens, wird Merkel auch noch hier mit einstimmen.

Ja die Frau ist mehr als gefährlich für diesen Staat, diese Gesellschaft, den Frieden, die Bildung, die Kultur, die Wirtschaft, den Fortschritt, die Wissenschaft und den Wohlstand dieses Landes.

Wolfgang Schuckmann
5 Jahre her

Es tut mir sehr leid.
Nach Abwägung aller mir bekannt gewordenen Fakten zum Thema Kanzlerschaft von Frau Merkel fällt mir nur eine Bewertung dieses politischen Abschnittes (unserer) Republik ein: Absolut ungenügend

horrex
5 Jahre her

Ein wenig OFF TOPIC, trotzdem! Ich greife die Begriffe „Endzeitstimmung“ und „Bundesmutti“ auf. Versuche mich an einer psychologischen (ohne darin professionell zu sein) Deutung der Zusammenhänge: 1.) Kann es sein, dass Obige Begriffe, Endzeitstimmung und Bundesmustti tiefen inneren Zusammenhang haben? 2.) Kann es sein, dass die so lange, intensiv und vielfach gefühlte Eigenschaft namens „Mutti“ angesichts ihrer (wie lange auch immer) Restzeit geradezu zwingend zu vorweg empfundenen „Entzugs-Symptomen “, damit zu einer Endzeitstimmung führen? Eine Endzeitstimmung die – quasi nur als Lösung – schon die Nachfolge in Form von „Grün“ (deren Wahl- und Umfrage-Erfolg) in sich trägt? 3.) Kann es… Mehr

pcn
5 Jahre her

Eine Anmerkung zur „Klimapolitik“. Klima macht zwar keine Politik, aber sei’s drum. Was ganz vom Radar der gebeutelten Bevölkerung verschwunden ist: Die „Ausländermaut.“ Sie wird nicht kommen. War von den Herren Seehofer und Dobrindt auch nie wirklich als realistisch angedacht worden. Eher zum Türöffner für eine Privatisierung nicht nur der Autobahnen, sondern durch GPS, auch der Nutzung sämtlicher Verkehrswege nach gefahrenen Kilometern. Möglicherweise bleibt letzteres noch in der Ablage für weitere zusätzliche Abgaben für die marode Strasssen-Infrastruktur. Momentan liegen die Kosten dafür so um die 40 Milliarden! Das Geld hat der Finanzminister nicht! Explodierende Zuwanderungskosten bewegen sich schätzungsweise auf die… Mehr

antizeitgeist
5 Jahre her

Der Tag, wo diese unmögliche Person die Öffentlichkeit verlässt, wird viele Menschen mit großer Freude erfüllen.

Betreutes Denken
5 Jahre her
Antworten an  antizeitgeist

An dem Tag mache ich eine gute Flasche Wein auf und werde mir diese auch vollständig geben!

Bummi
5 Jahre her

Die Ähnlichkeit mit den senilen Mielke und Honecker wird immer offentsichtlicher.

Dietesheim
5 Jahre her

Kohl ist mit 35,1% abgetreten. Merkel ist noch Kanzlerin und liegt aktuell wo?

rainer erich
5 Jahre her
Antworten an  Dietesheim

Merkel hat 87% hinter sich….Sie hat das Parteiensystem ausgehebelt und es ad absurdum geführt, nicht nur das im übrigen. Im Grunde hat sie vorsätzlich die Demokratie geschliffen und deutlich gemacht, was sie von Volk und Parteien hält, nämlich nichts.

Hadrian17
5 Jahre her

Läuft augenscheinlich alles bestens. Die nächste Legislaturperiode scheint gesichert. 2020 zurück in den PV … und dann geht es in den Wahlkampf. Die Leichtgewichte der „Grünen“ sind halt noch „grün“ nicht nur hinter den Ohren im politischen Geschäft und daher leicht zu überwinden. Keine Vorstellung von wirtschaftlichen Zusammenhängen, keine politische Erfahrung, traumtänzerische Realitätsverweigerung. Nur tolle Held*innenfotos im Sonnenblumenkranz Wenn da demnächst an der richtigen Stelle der Hebel angesetzt wird, macht es „Peng“ und der Luftballon ist geplatzt. Die CDU rettet dann das Land vor den leichtfertig Verbote predigenden. Und die Richtlinienkompetenzinhaberin sagt, wo es längs geht: Wir wollen doch das… Mehr

Blackbird
5 Jahre her

Merkels Verhalten zeigt: sie ist die wahre Populistin im Land, genauso wie die meisten anderen etablierten Parteien, die ihr Fähnchen stets nach der medial erzeugten Stimmung im Land richten anstatt bewährten politischen Prinzipien treu zu bleiben und verantwortungsvoll zum nachhaltigen Wohl des Landes zu regieren. Die Energiewende war eine populistische Entscheidung, genauso wie die Grenzöffnung 2015, genauso wie jetzt ihre „Klimaschutz“-Politik. In allen Fällen ließ sich Merkel treiben von den linksdominierten Medien und den Grünen. Die verdiente Rechnung für die CDU kommt, denn diese Partei ist inzwischen mangels eigenem politischem Profil obsolet im Parteiensystem.