Eine wieder rundum interessante Ausgabe, dieses Mal überlagert die Quantität und Qualität der Fotos alle Texte, auch die herausragenden.
„In München spukt die Angst vor dem Weltkrieg“ auf der Titelseite: Der Bericht von der jährlichen Sicherheitskonferenz führt zu Seite 2, „Entscheidigung in der ÄGÄIS“: „Die deutsche Politik der offenen Grenzen wird jetzt in der Meerenge zwischen Griechenland und der Türkei verteidigt – von der Nato. Denn die EU will Angela Merkel immer noch nicht folgen.“ Ein übersichtliches Bild vom Stand der Migrations-Dauerkrise im Inland und Deutschlands Umgebung – neu: Österreich setzt sich von Merkel ab und führt die Brenner-Grenze wieder ein. (Ein Bild vom Gardasee und die Zeile „Garda-See ade“ ist die Alternative bei der Frankfurt Allgemeinen Sonntagszeitung – eine wunderbare Idee. Aber in der Analyse bleibt sie deutlich zurück)
In Baden-Württemberg skizziert Hannelore Crolly die Koalitionsperspektive CDU, SPD und FDP und sagt dem Begriff „Deutschland-Koalition“ naheliegend „eine rasante Karriere“ vorher. Ja, der Ort des bisher größten grünen Erfolges, eines grünen Ministerpräsidenten, könnte zum Wendepunkt der in die Jahre gekommenen Partei werden. (Wer innerhalb der FDP noch auf eine Erneuerung des organisierten Liberalismus hoffte, kann bei ihr als drittes Rad am Wagen einer Koalition dann alle Hoffnung fahren lassen.)
„Wir wissen einfach nicht, wo sie sind, was sie tun oder bei wem sie sind“, sagt Brian Donald, Europol-Stabschef. Kaum eine Geschichte zeigt den Abgrund zwischen dem Verkündeten und der Wirklichkeit dramatischer. Bei Parkgebühren lässt die Staatsgewalt nichts durchgehen, aber in elementaren Fragen bleiben die Kernaufgaben des Rechtsstaats auf der Strecke.
„Russische CHUZPE“, die Zusammenfassung sagt, „dass niemand Putins Kalkül gewachsen ist. Moskau wird zur entscheidenden Kraft in Syrien, und es kann Europa in der Flüchtlingsfrage quasi erpressen“. Wer das Foto von David Cameron und Angela Merkel auf Seite 7 sieht, sieht zwei, die sich nichts mehr zu sagen haben.
In unseren Tagen ist es schon wohltuend, wenn anderen Themen nachgegangen wird – mit der Titelgeschichte „Unser größtes PROJEKT“ einem, das alle Zeiten überdauert: „Was ist das Geheimnis langjähriger Partnerschaften?“ Den Text von Susanne Gaschke sollten so manche mehrmals lesen. Nach der Besprechung von Nicola Erdmann von Michael Nast: Generation Beziehungsunfähig werde ich sicher dazu greifen.
„Die ganz große WELLE“, Albert Einsteins Gravitationswellen nachgewiesen, werden wir in allen Gazetten lesen. Ein Beitrag nach dem anderen quer durch die Ressorts, alle interessant.
Aufmerksam werde ich wieder bei „ACHTUNG, Einsturzgefahr!“, auf Dauer droht Deutschland die Staatspleite, Martin Greive über einen neuen, ernüchternden Bericht. „Der nächste CRASH“ im Finanzteil schließt an – und auch: „Der Klub der neuen MILLIARDÄRE“, wie sich die Welt diesseits und jenseits des klassischen durchsetzt, während wir die falschen Gefechte führen und die richtigen nicht (letztes ist meine Notiz). Während China-Star und IT-Selfmade-Man Jack Ma unbeirrt seinen Weg geht, steht Wendelin Wiedeking vor Gericht im deutschen Manager-Fokus.
Viel über Immobilientrends, Reisen, Mode, Interior, Sport, Technik und so weiter. Für jeden Wochenabend etwas, statt auf der öden Glotze zwischen ausgeleierten Krimi-Formaten zu wählen, was anderes an Unterhaltung ist ja kaum zu finden.
Fotos: Die WamS-Fotos sind durchweg große Klasse, in dieser Ausgabe wegen mehrere Sonderthemen noch mehr als sonst, einfach erstmal durchblättern, das regt zum Verweilen an. Bei den Bilderfolgen darf man im ästhetischen Genuss schon mal vergessen, welche Bilder einen sonst tagtäglich beschäftigen. Muss auch sein Leute, leistet es Euch.
Denn Stefan Aust im Editorial kann man nicht widersprechen: „Das Einzige, was im Augenblick grenzenlos erscheint, sind die Krisen. Syrien ist der Infektionsherd, der Weltmächte, Ölprinzen, Mullahs, mörderische Gotteskrieger sowie die angrenzenden und weiter entfernten Staaten Europas an den Rand des Weltenbrandes bringt. Kaum jemals nach dem Ende des Kalten Krieges wurde so offen über dessen Neuauflage debattiert. Dabei ist ein Kalter Krieg noch die bessere Alternative.“
Schade, dass Aust nicht überall hinschaut. Ein Blick durch die WELT der vergangenen Woche zeigt födert diesen furchterregenden Kritiker Merkel`scher Migrationspolitik mit einem Text über die „geronto-maskuline Form der Gruppendynamik“ zutage. Der liest sich nicht nur wie der in bestimmten Wissenschaften übliche Anschlag auf eine klare Sprache, sondern auch auf Aust, selbst wenn er namentlich nicht genannt wird:
„Was aber derzeit zu beobachten ist, ist eine Maskulinisierung der öffentlichen Debatte durch ältere Männer, denen es eine unbändige Lust zu bereiten scheint, auf Ressentiments zurückzugreifen, die sie als wenigstens ansatzweise liberale Intellektuelle kaum je vorher gebraucht hätten. Viele von ihnen haben wie selbstverständlich die Figur der Bedrohung des Fremden stark gemacht.“
Es bleibt also viel zu tun, Stefan Aust. Packen Sie es an;-))
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