Insektensterben: Industrie stellt sich freiwillig an den Pranger

Insect Respect, eine Art Gütesiegel für Biozide: Wer ein Produkt mit dem Label kauft, zahlt einen Obolus, der dazu verwendet wird, Ausgleich für den Schaden zu schaffen, den das Mittel anrichtet.

Screenprint: Reckhaus.com

Wenn Sie zu jenen Bürgern gehören, die etwas Grün abbekommen haben, dann haben Sie vielleicht auch schon unangenehme Bekanntschaft mit der Mehlmotte gemacht, die mag es nämlich besonders, wenn Familien Volkornprodukte bevorzugen, Bio-Korn bestellen und sich ihr Mehl für das schwere dunkle Brot selber mahlen.

Die kleinen Viecher fliegen allerdings recht träge umher, so ist es ein Leichtes, zuzuschlagen. Einziger Nachteil: So eine zerquetschte Mehlmotte macht ziemlich hässliche dunkle Flecken, wenn man sie direkt an der frisch gestrichenen Raufaser zerklatscht oder zwischen den Händen, je nach Fangmethode. Was übrigens daran liegt, dass die Motte eigentlich zu den Schmetterlingen gehört, also auch eingepudert ist mit diesem magischen Flugpulver der Elfen – allerdings eben in einer unansehnlichen Variante.

Aber im Ernst: Motten sind nicht schön. Nicht in der Kleidung, aber noch weniger schön in der Küche. Hausfrauen oder -männer kleben deshalb Mottenpapiere in ihre Küchenschränke und wenn’s funktioniert, hängen da bald schon eine Menge verendeter Mehlmotten, die dann mitsamt des Mottenpapiers aus den heimischen vier Wänden entfernt werden können. So weit, so erfolgreich gegen den Vorratsschädling.

Aber nun scheint die eine Methode nicht so gut wie die andere. Also aus ökologischer Sicht. Das Umweltportal Utopia empfiehlt beispielsweise Schlupfwespen. Die sollen die natürlichen Feinde von Lebensmittelmotten sein: „Sie suchen die Motten-Eier, um ihre eigenen Eier darin zu legen. Die Motten-Eier werden zerstört, es schlüpfen nun keine weiteren Motten mehr, sondern Schlupfwespen.“ Nun gut, dann hat man ein Schlupfwespenproblem. Aber nur eine knappe Woche lang, denn diese Wespe stirbt wenige Tage, nachdem sie ihre Killing Fields angelegt hat. Praktisch, oder?

Nun gibt es diverse Produzenten dieser Anti-Mottenpappen bzw. Züchter der Wespe. Alles ist käuflich, ganz gleich, ob Sie die Wespen im Internet bestellen oder die Mottenfallen im Drogeriemarkt ums Eck holen. Da allerdings werden Sie in Zukunft eine Überraschung erleben und sich fragen, ob die EU jetzt völlig verrückt geworden ist, wenn auf Mottenfallen Warnhinweise angebracht sind wie auf Zigaretten, wenn da in einem vergleichbaren weißen Kasten in schwarzer Schrift steht: „Tötet wertvolle Insekten.“ Und kleiner gedruckt: Informationen unter www.insect-respect.org.

Überraschenderweise sind von diesen Warnhinweisen bisher aber nur Produkte aus dem Hause DrReckhaus betroffen. Und die sind sogar 100% insektizidfrei und der Insektenverlust wird ökologisch kompensiert, wie – kein Witz! – auf der Verpackung zu lesen ist.

Kann es sein, dass die EU-Gesetzgebung mittlerweile völlig verrückt spielt? In diesem Fall ausnahmsweise nicht. Denn bei den Warnhinweisen auf den Mottenvertreibern bzw. –killern der Kammerjäger aus Bielefeld handelt es sich tatsächlich um eine Art Selbstanzeige des Unternehmers. Hier warnt der Hersteller seine Kundschaft eigeninitiativ, seine Produkte besser nicht mehr zu kaufen, denn anders kann es ja kaum gemeint sein.

DrReckhaus schafft sich selbst ab? Oder doch nur eine geniale Strategie, auf weitere Produkte des Hauses zu verweisen, welche die Motte nur zum Nachbarn vertreiben, falls das geht? Auf jeden Fall hat es der Unternehmer mit seinen 50 Mitarbeitern bei 20 Millionen Euro Jahresumsatz faustdick hinter den Ohren oder eine bemerkenswerte Verwandlung hinter sich, die ihm sogar ein Unternehmerporträt im Edelprint BrandEins eingebracht hat. Dort heißt es nämlich über den Kammerjäger: „Vom Insektenbekämpfer zum Fliegenretter: die erstaunliche Verwandlung des Hans-Dietrich Reckhaus.“

Besagter Chef des Traditionsunternehmens hatte vor ein paar Jahren eine Art Erweckungserlebnis, als er seine Liebe zu Insekten entdeckte und sein Mordsgeschäft irgendwie kompensieren wollte mit einer Art marketingwirksamem Ablasshandel.

Der Gedanke hat sein Leben verändert. Seine Idee: „Insect Respect“, eine Art Gütesiegel für Biozide: Wer ein Produkt mit dem Label kauft, zahlt einen Obolus, der dazu verwendet wird, Ausgleich für den Schaden zu schaffen, den das Mittel anrichtet. „Denn“, so die neue Erkenntnis des Unternehmers, „Insekten sind faszinierende Tiere, die einen großen Wert für uns und das Ökosystem haben.“

Sagte der Doktor aus dem Hause der Bielefelder Kammerjäger und er beauftragte also Biologen, die Biomasse der getöteten Insekten zu ermitteln – so soll das Produkt „Flippi“ beispielsweise im Schnitt 200 Fliegen ums Eck bringen – dafür muss doch ein adäquater Ausgleich in der freien Natur geschaffen werden, dachte sich der Unternehmer. Gesagt getan und flott voran: Reckhaus ließ auf dem Flachdach seines Verwaltungsgebäudes ein 200 Quadratmeter großes Biotop anlegen, das angeblich schon einmal 72.000 Fliegenscheiben neutralisiert.

So lockt also der jüngste, aber gar nicht mehr so junge Spross des so erfolgreichen Insektenvernichters auf seinem Firmendach Käfer, Milben, Ameisen, Schmetterlinge, Wanzen, Bienen und Wespen an und versieht seine Produkte freiwillig mit einem Warnhinweis, wie er sonst auf Zigarettenpackungen zu finden ist. Kann man die Verwerfungen der Gegenwart eigentlich noch besser erzählen?

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Kommentare ( 15 )

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nachgefragt
5 Jahre her

Ich muss das nochmal loswerden. Es kann doch nicht sein, dass die Leute es nicht kapieren, dass derartige Aktionen Schwachsinn sind. Deshalb habe ich das mal aufgeschrieben am Beispiel CO2-Steuer: CO2-Steuer ist staatliches Greenwashing in Reinstform, Geldprahlerei und absolut Kontraproduktiv Um das zu verstehen, braucht es nur ein paar einfache Überlegungen zu folgenden Instrumenten aus staatlicher Lenkung und Marketing, sowie zu Erfahrungen aus solchen, bzw. was eine Vermischung bedeutet: Grundüberlegung: Staatliche Mittel, um das Verhalten der Bürger zu lenken, sind a) Belohnung und b) Bestrafung. Ein gängiges Mittel um die Absätze zu steigern in Marketing und Werbung ist die Imagepflege… Mehr

Martin L
5 Jahre her

Für einen Kammerjäger wäre es doch eine Win-Win-Situation:
Man verkauft Produkte, die Insekten bekämpfen. Und mit einem Teil des Geldes fördert man die Vermehrung dieser Insekten, auf dass das eigene Produkt noch viel mehr gekauft wird.

nachgefragt
5 Jahre her

„Kann man die Verwerfungen der Gegenwart eigentlich noch besser erzählen?“ Grüne Spinner und F4F-Kids kapieren es auch nach einer so ausdrücklichen Beschreibung nicht, dass man über Geld einen (angenommenen) Schaden nicht kompensieren kann. Die glauben trotzdem, sie würden irgend etwas kompensieren, wenn sie zwar jedes Jahr dreimal in den Urlaub fliegen oder sich anders paradox verhalten, aber 50 oder 100 Euro mehr für das Ticket bzw. eine Steuer bezahlen. Es geht nicht in deren bildungsferne Schädel, dass wenn man Fliegen verhindern will, kein Weg drumherum geht, auf das Fliegen zu verzichten. Man fragt sich, von welcher Regierung die eigentlich ein… Mehr

von Kullmann
5 Jahre her

Sollen die grünen Geldgeier samt Gläubige doch gestochen und gepeinigt werden, fürderhin sich selbst mit Plagen geißeln für ihre Schandtaten. Die grüne Spezies kann sich selbst als Kiloware auf den Insektendächern zum Ausgleich der Natur hingeben. Nur so können sie glaubhaft Sonne oder Gott spielen.

Max Media
5 Jahre her

Tja…aber wenn man aus jahrhunderter alter Verblendung Tiere bei lebendigem
Leibe schächtet, dann wird man geschützt wegen Religionsfreiheit.
Perverser geht es garnicht.

Danton
5 Jahre her

Wieder ein Getriebener mehr. Wo der Senior 16 Std. am Tag für die Firma gekämpft hat, und eine Basis schuf damit dieser Betrieb heute den Junior ernährt, hat der Jüngere heute Zeit und Muse sich auf die Ästen zu setzen an denen er, in seiner Dekadenz sägt.

Hegauhenne
5 Jahre her

Ich habe noch vorausschauend Roundup gebunkert, ohne jedes schlechte Gewissen, ? damit auf der teuer sanierten Dachterrasse keine Buchen, Birken und Ahörnchen wurzeln können. Und den Buchszünsler bekämpfen wir mit giftigem Nachdruck. Dafür füttern wir aber das Eichhörnchen durch den Winter und der Nachbar hat sogar einen Nistkasten gezimmert. Selbstverständlich bieten wir auch winterliche Oasen für Amsel, Drossel, Meise & Co. Sind wir damit wieder von allen Sünden befreit? 😉 Wie sollen denn Schlupfwespen eigentlich an Mehlmotten im Schraubglas kommen, um dort selbst zu „eiern“? Nein, ich würde eher sagen, Mehlmotten sind eine gesunde Proteinbeigabe für Vollkornesser, oder? ? Ja… Mehr

Eliane
5 Jahre her

oh mannomann – es geht immer noch schlimmer — gegen Motten in der Küche hilft Knoblauch, regelmäßig erneuert in die Schränke gelegt und im Kleiderschrank Lavendel oder Zedernholz – dafür brauche ich keine Schlupfwespen bemühen, obuli zahlen und diesen Hype finazieren.

Hadrian17
5 Jahre her

Der ist doch clever, der Herr Dr. Reckhaus. Bevor die Ökos über ihn herfallen, weil er Ungemach von ihren ökologisch korrekten Pferdefuttermahlzeiten fernhalten will, macht er einen Ökologieausgleich für das vernichtete Ungeziefer. Hei Di — das Ei des Kolumbus. Das muss einem erst einmal einfallen. Das machen wir mit den Bakterien ja auch schon so … die durch ein Antibiotikum dahingerafften Exemplare kippen wir mit einem „probiotischem“ Getränkoder einer Tablette wieder nach. Und zahlen auch noch dafür? Das kann man doch verbessern. Pro Packung Penicillin ein Portiönchen – gleich beigelegt „Rettet die Einzeller“. Ist zwar nicht nötig, das Zeug siedelt… Mehr

Babylon
5 Jahre her

Es gibt alte Häuser, vorzugsweise solche, in denen früher oder immer noch Ställe vorhanden waren oder sind. Die Rindviecher sind weg, aber Stubenfliegen nach wie vor jede Menge, die sich von Generation zu Generation weiter fortpflanzen, oft in erheblicher Anzahl.
Gegen Stubenfliegen gibt es, Klebebänder aber auch Fliegenklatschen.
Auf Fliegenklatschen zukünftig ein Pfichtwarnhinweis, „Achtung, kann wertvolle Fliegen töten“ wäre eine EU-Verordnung, die bestimmt ihren Zweck erfüllte.