Karneval ist wie das richtige Leben. Es verschwimmt irgendwie alles.

Ursprünglich wollte ich ja als Dschihadist gehen, ich habe das zeitgemäßer empfunden. Winnetou, Seeräuber, Pirat, Ritter und ähnliche Outlaw-Kostüme sind ja doch irgendwie nicht mehr so up to date. Aber jetzt gehe ich in einer Burka.

Lieber Wolfgang Herles,

wie ich mich im Karneval verkleide, wollen Sie in Ihrem jüngsten Brief an mich wissen?  Ich geh in einer Burka. Als Ausweis meiner Fähigkeiten, mich in andere hineinzudenken, hineinzuversetzen und meine  tradierte Genderrolle zu hinterfragen. Irgendwann muss man ja damit anfangen.

Warum nicht im Fasching? Und das Beste: Ich werde schon irgendwo einen schwarzen Stoffhaufen finden – und den schicke ich dann als Beweisfoto. Das heißt also, ich brauche mich gar nicht verkleiden. Nur so tun. Und dabei mein Gender auch gleich erfüllen. Ich war heuer schon Frau! Dabei bin ich bloss im Bademantel daheim gesessen und habe genetflixt.

Ursprünglich wollte ich ja als Dschihadist gehen, ich habe das zeitgemäßer empfunden. Winnetou, Seeräuber, Pirat, Ritter und ähnliche Outlaw-Kostüme sind ja doch irgendwie nicht mehr so up to date. Da offenbart man eigentlich nur, dass man kopfmäßig total versaut ist durch Karl May und solche Literatur. Also Dschihadist. Aber der Kölner Polizeipräsident hat ja davor gewarnt. Stell Dir vor, Du zischt Dir ein Kölsch und die SEK Jungfrau fällt über Dich her und schleppt Dich ins Kittchen. Das ist mir zu gefährlich. Und mein altes Scheich-Kostüm traue ich mich auch nicht mehr anzuziehen. Könnte doch so polarisierend wirken. Darf man ja nicht mehr, ist irgendwie kulturell provozierend. Wahrscheinlich gibt es deshalb so viele Biene Majas. Weil wir wollen anders sein, klar, und da passt nur noch kindisches. Erwachsen hältst Du dieses Land ja nicht mehr aus.

Polizist wäre auch noch gegangen. Aber bei so vielen echten verschwimmt ja im Karneval die Grenze zwischen Uniform und Kostüm, zwischen uniform und echt.

Insofern ist eben der Karneval wie das richtige Leben. Es verschwimmt irgendwie alles. Immer schon.

Brief an den Blogwart IV
Der gescheitelte Buddha oder: Warum mich der Drehwurm plagt
Dabei fällt mir ein: Ist Ihnen schon aufgefallen, wie Frauke Petry von der AfD demaskiert wurde von unseren Kollegen? Sie galt ja lange als das hübscheste Gesicht des Faschismus. Der Gauland, ihr Vize, sieht ja aus, wie man sich so einen alten Nazi vorstellt. Aber Petry, oder Petra, wie mein Rechtschreibsystem immer unbedingt will, war so was von anders, geradezu sexy. Und das blaue, schulterfreie Kleid, mit dem sie sich auf dem Bundespresseball gesehen hat, wie wurde das gefeiert, die Verbürgerlichung der AfD schien unmittelbar vor der Tür zu stehen und damit drohte ein Skandal zu verschwinden. In allen Talkshows war sie schon deshalb die Gewinnerin, weil neben ihr diese Maase und Stegners so grausig aussahen wie die Muppetshow im Altersheim. Und dann diese Frische, diese prilfrische Nazibraut! Die nur Seife an ihre Haut läßt! Geradezu unwiderstehlich hat die auf alle Redakteure gewirkt, die sie eingeladen haben. Aber das ist jetzt vorbei.

Seit die echt in den Bundestag einziehen könnte, sieht man sie nur noch als verbiesterte Fratze mit Zornesfalten und Wutgesicht, grad als würde sie kleine Flüchtlingskinder in die Kälte jagen (zu den 5.000, von denen die Behörden nicht wissen, wo sie sind?). Wie kommt es eigentlich, dass in den Medien immer so gleichzeitig alle dieselbe Idee haben? „Hey Fotofuzzis, sucht mir mal ne richtig hässliche Petry-Fratze? Der zeigen wir es jetzt aber, der reißen wir die lächelnde Maske vom Gesicht, der alten Trulla!“

Also, auf Anweisung geht das ja nicht, wie alle sagen, nachdem Sie, lieber Herles, gesagt haben, es gibt Ansage. Aber alle suchen auf einmal nur noch hässliche Bilder raus, wie funktioniert das? Darüber müssen wir dringend noch einmal reden, wenn wir wieder reden können. Nach Fasching. Jetzt stülpe ich mir erst einmal die Burka über und suche Sie auf der Domplatte im Büßerhemd. Und eines garantiere ich Ihnen: Ich halte den Reker-Abstand ein. Mindestens eine Armlänge!

Ist Ihnen übrigens aufgefallen, dass Frauen alle von Flüchtlingen angegrapscht werden wollen? Nein? Dann schauen Sie mal in die Glotze, nein, nicht Netflix, verflixt, ins richtige Analog-TV. Keine Frau in ganz Köln hält den Reker-Abstand ein. Keine! Also, der Beweis ist erbracht. Es wird ein ganz toller Karneval, der Köln wieder rehabilitiert. Selber schuld! Helau und Alaaf.

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