Die Gebäudestruktur konnte wohl gerettet werden. Wird es eine gemeinsame Anstrengung aller Europäer geben, Notre Dame analog der Frauenkirche in den nächsten Jahrzehnten wieder herzustellen?
Weite Teile der Kathedrale Notre Dame de Paris sind am Abend des 15. April 2019 in einem verheerenden Feuer niedergebrannt. Der einzigartige hölzerne Dachstuhl aus dem 13. Jahrhundert ist in sich zusammengebrochen und verbrannt. Ganz Paris ist auf den Straßen, alle blicken hinüber zum brennenden Herzen ihrer Stadt und trauern still.
Aber nicht nur die Hauptstadt Frankreichs ist im Mark getroffen, ein verwundetes wie verunsichertes Europa hat so ganz unerwartet ein neues düsteres Symbol gefunden. Eine in seiner Entstehung merkwürdig banale wie furchtbare Katastrophe, die wohl in der Form niemand erwartet hatte. Fast unspektakulär soll die Entstehungsgeschichte des Brandes sein, wenn aktuell Restaurierungsarbeiten dafür verantwortlich sein könnten, kein Angriff, keine terroristischer Anschlag, einfach nur ein technischer Defekt oder etwas Vergleichbares mit maximal zerstörerischen Folgen.
Nein, der Untergang des Abendlandes ist das sicher noch nicht. Aber es scheint für viele Menschen wie eine Momentaufnahme zu sein, wie so ein Untergang tatsächlich aussehen könnte, wenn in Stunden vernichtet wird, was tausend Jahre lang für Europa ein sichtbarer Beleg seiner Größe und Schaffenskraft war. Was in den Stunden großer Not mit seiner schieren Existenz aufrichten konnte, was am Boden lag.
Das Fernsehen berichtet von einem schweigenden Trauermarsch der französischen Führung rund um Macron hin zum brennenden Notre Dame. Schnell wurde daraus in den sozialen Medien „Notre Drame“. Die Vergleiche gehen nun langsam aus. Die Einordnung fällt in den ersten Stunden spürbar schwer. Ein französischer Geistlicher bittet am späten Abend darum in ganz Europa die Kirchenglocken zu läuten. So soll Europa jetzt gemeinsam darum beten dass die beiden Türme der brennenden Kathedrale stehen bleiben samt der tonneschweren bronzenen Glocken, die zu schmelzen oder abzustürzen drohen. Die Schatzkammer von Notre Dame befindet sich noch in der heiligen Kapelle. Was wird dort noch zu retten sein? Gegen Mitternacht die Nachricht, die Flammen haben den Kirchenschatz, darunter die Dornenkrone, nicht erreicht.
In Deutschland werden manch Ältere vor den Fernsehgeräten jetzt an solche Katastrophen erinnert werden, die sie persönlich als Kinder oder Jugendliche erlebt haben. Sie erinnern eine der wohl schrecklichsten und längsten Reihungen von Kirchenbränden in kürzester Zeit, damals, als amerikanische und englische Bomberverbände in den letzten Kriegsjahren die Großstädte dieses niederzuringenden Hitlerdeutschland samt seiner unwiederbringlichen weltlichen und kirchlichen Denkmäler, Wahrzeichen und Symbole in Schutt und Asche legten. Tausende von erschütternden Zeitzeugenberichten sind dokumentiert, die vom Untergang dieser ehemals blühenden Städte erzählen, von den einstürzenden Kirchen und Kathedralen.
Nun sind das Erzählungen der Vergangenheit, jene die Menschen in Europa in den letzten Jahrzehnten emotional am stärksten bewegenden Momente, lassen sich in einem merkwürdig dissonanten Dreiklang zusammenfassen, wenn nach dem Mauerfall der Tod von Lady Di so über die Maßen bewegte und dann die einstürzenden Türme in New York und ihre Folgen die Welt und auch das Leben in Europa nachhaltig verändern sollte.
Um 23 Uhr sagt die Feuerwehr, dass die Gebäudestruktur gerettet werden konnte. Macron verspricht den Wiederaufbau. Wird es eine gemeinsame Anstrengung aller Europäer geben, Notre Dame analog der Frauenkirche in den nächsten Jahrzehnten wieder aufzubauen? Wer allerdings einmal in der Dresdner Frauenkirche war, der kann dieses „neue“ Meisterwerk bewundern, der versteht aber im selben Moment noch mehr, was mit dem Original unwiederbringlich verloren ging: Geschichte und Geschichten können überliefert werden, aber die Seele eines solchen überragenden europäischen Ortes lebt von der Kontinuität seiner Berührungen, von Menschen, die diesen Ort über die Jahrhunderte besuchten im festen Wissen, dass sie hier unmittelbar physisch vergangenen Generationen nachfolgen.
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Alles halb so wild,
„unsere“ wertvolle Kanzlerin hat deutsche „Expertise“ als Hilfe angeboten.
Damit meinte sie natürlich die weltweit so anerkannte wie hoch gelobte (linksgrüne) Berliner „Expertise“ in Sachen Bau, Politik und „Kultur“.
Das heißt wenn die Franzosen schlau sind, dann lehnen sie „dankend“ ab, es sei denn die Bauarbeiten sollen 25 Jahre dauern**
Was mich hier stört… …..man liest ja heute so allerhand. Vom terroristischen Anschlag bis zum Versagen des Brandschutzes ist da mal wieder alles dabei. Was soll man dazu sagen ? Scheinbar leben wir jetzt in einer Zeit in der wir, trotz allem technischen Fortschritts, nichts mehr erschaffen können. Wir können keinen Bahnhof mehr bauen, keinen Flughafen, es reicht gerade noch für ein Opernhaus. Flugzeuge fliegen nicht, Schiffe schwimmen nicht. Und während wir so beschäftigt sind, auf allen Feldern zu versagen, brennen uns die Altertümer ab. Auf keinen Fall würde ich diese Kathedrale neu aufbauen. Es wäre nur eine Art Disneyland,… Mehr
Schule! Das wäre doch auch mal etwas für Sie!
Jetzt wollen wir uns aber bitte nicht gleich vor lauter Fatalismus selbst beerdigen.
Was wäre, wenn wir abrupt mit dem „füttern“ aufhörten?
Gerade die französische Politelite ist bekannt dafür, dass sie ein ganz eigenes Spiel spielt.
Unsere gefährlichsten Feinde sitzen in den Parlamenten.
Ihr Kommentar…Stimmt, der Zustand vieler französischer Kirchen ist erbärmlich.
Ich wohne nur ein paar Kilometer von der französischen Grenze entfernt. Im Elsaß ist der Zustand noch relativ gut ( ich glaube noch dank einer speziellen Regelung), aber in Innerfrankreich sehen die Kirchen wirklich schlimm aus. Auch in kulturhistorisch bedeutsamen Kirchen sieht es nicht viel besser aus, zum Beispiel im Burgund.
Ich kenne kein Land in Europa, das seine religiösen Gebäude so verkommen lässt.
Ihr Kommentar…Ist halt immer verdächtig, wenns noch brennt und man will schon die Ursache wissen!
Was für ein Unglück für Frankreich oder vielleicht eher ein Glück für Macron? So kurz vor der Europawahl…
Cui Bono, ich habe ein ungutes Gefühl.
Die Asche ist noch nicht kalt, und er hat schon den 5-Jahres-Plan in der Hand.