Wenn der Spiegel den Neoliberalimus für zu wenig Geld für die Polizei schuldig erklärt und damit das Staatsversagen im Kölner Skandal erklärt, ist es Zeit, den Spiegel in Pension zu schicken. Billiger geht Populismus nicht.
Es gibt einen Grund, den SPIEGEL in dieser Woche zu lesen: Der Gastbeitrag „Ein Karneval der Underdogs“ des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek mit einer fesselnden Sicht auf die Geschehnisse in Köln. Dahinter verblassen die Berichte und Meinungsartikel, die sich von der allgemeinen Hysterie anstecken lassen und den Blick für die Essenz verlieren.
Den Titel könnte man als das richtige Thema zur richtigen Zeit ansehen. Nur ist die Redaktion in eine Falle gegangen, indem sie die fehlende Wehrhaftigkeit der Ordnungskräfte Polizei und Justiz auf die jüngsten Ereignisse fokussiert und damit eng mit der Flüchtlingskrise verschmolzen wird. Und dann gibt es noch einen weiteren Schuldigen für die Misere: laut Dirk Kurbjuweit in seinem Leitartikel das „neoliberale Denken“, wodurch dem Staat das Geld für seine Wehrhaftigkeit vorenthalten werde. Wo ist der Fingerzeig auf das linkspopulistische Denken und die davon instrumentalisierten Medien, die bisher jeden größeren Polizeieinsatz skandalisierten, aufjaulten über das ihrer Meinung nach einschüchternde Verhalten der Sicherheitskräfte? Auf PR-Unterstützergruppen, die die Kameras öffentlich-rechtlicher Sendungen in Stellung brachten, wenn mal wieder abgeschoben werden sollte?
Ich lese nicht, dass die personellen und technischen Mittel fehlen, um die Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte aufzuklären. Ich lese nicht, dass in ländlichen Kommunen nachts und am Wochenende schon seit langer Zeit die nächste diensthabende Polizeidienststelle bis zu einer halben Stunde Autofahrt entfernt liegt. Ich lese nichts über Bürgerwehren, die sich nicht erst jetzt formen, sondern in ländlichen Gebieten schon seit längerem Alltag sind, weil zu wenige Polizeibeamte für eine zu große Region verantwortlich sind und sich die Menschen ungeschützt fühlen. Jetzt, wo man die Flüchtlinge verantwortlich machen kann, da sind die Defizite plötzlich Thema für die SPIEGEL-Redaktion. Das ist Populismus.
Und was ist die Quintessenz der Titelgeschichte? Muss man nur den Geldhahn weiter aufdrehen? Mehr Beamte einstellen, nicht bei Integrationsmaßnahmen knausern? Und dann wird schon alles gut werden? Dass daneben Intelligenz und Findigkeit eine Rolle spielen, wird nur en passant erwähnt. Ich hätte gerne mehr über Menschen wie den Richter Johann Krieten erfahren oder Elke Bartels, die Polizeipräsidentin von Duisburg, die mit ihrer Null-Toleranz-Strategie in den Problemgegenden im Duisburger Norden mit Erfolg das Entstehen rechtsfreier Räume unterband und die Polizei zu einer respektierten Größe machte.
Spannend und dringend zur Lektüre empfohlen sei auch der der Forschungskrimi „Liebe Grüße, Dein Ulrich“ von Laura Höflinger aus dem Innenleben des Leipziger Fraunhofer Instituts.
Verzichtbar sind die Ausführungen von Alexander Jung mit „Ende eines Zeitalters“ zum Untergang des Erdöls als Wirtschaftsfaktor.
Zum Schluss: Einen Blick hinter die Kulissen unseres Nachbarlands Polen lohnt der Essay „Polens Direktor“. Die These: Die Eroberung der Macht ist Jarosław Kaczyński nicht das Mittel zur Umsetzung seiner Politik, sondern das Ziel an sich. Autor des Psychogramms ist der in Sydney und Warschau lehrende Staatsrechtler Wojciech Sadurski.
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