Allmählich wirken die vielen Reden zum 60. Geburtstag der Bundesrepublik etwas ermüdend. Lassen Sie mich deshalb eine andere, eine private und politisch unkorrekte Form wählen – die Generationenfolge unserer Automobile.
Im kühlen Mai 1948 hat sich mein Vater beim Kundenbesuch auf einer Zündapp (für Spätgeborene: beliebte Motorradmarke, 1984 nach China verkauft) eine Lungenentzündung geholt und daher alles für einen Fiat Topolino zusammengekratzt. Die Familie musste zu Fuß gehen, wenn wir beim Sonntagsausflug über den zu steilen Pass Lueg fuhren; der Motor war asthmatisch. Aber die deutsche Automobilisierung begann – mit Fiat, das damals eine Rolle spielte wie später die Japaner. Es folgte ein Fiat 600, ein gewaltiger Fortschritt im Raumangebot, mit dem wir endlich Ausflüge zu siebt unternehmen konnten. Heute sieht man solche Fotos von Autos, mit Kindern und Oma und Opa überbelegt, aus Indien – und wir sehnen uns heimlich, allein in der Großraumlimousine, nach dem Reichtum familiärer Enge.
Es ging vorwärts, aufwärts zum edlen Opel Rekord, angekommen in der gehobenen Mittelklasse. Der wohlhabende Fabrikant am Ort fuhr auch Opel, allerdings den wuchtigen Admiral. Im Winter hat er den Schlitten des Sohnes an die Stoßstange gehängt; so wurde der Rausch der Geschwindigkeit vererbt. Der Sohn hat später sein Leben (und den Fortbestand der Fabrik) an einer Leitplanke beendet, sein BMW, aufgebrezelt von Schnitzer, war zu leicht, zu schnell. Borgward fuhren wohlhabende Urlauber aus dem fernen Norden. VW war meinem Vater zu prollig; ein Mercedes kam für uns nicht infrage – zu teuer, zu schwer. Weswegen ihn Metzgermeister Viktor wählte, um damit den Anhänger mit Schlachtvieh – Ochsen, Stiere und Schweine – hinter den Heckflossen nachzuschleppen. Mit so praktischen Autos wurde Mercedes groß, nicht mit dem schwarzen Nitribitt-190 SL. Hat Mercedes vergessen, wer seine Kunden sind?
Unser armer Onkel fuhr Goggo. Das hatte den Vorteil, dass er beim Reifenwechsel das Autochen hochheben konnte und die Rechte für den Kreuzschlüssel frei hatte. (Das neueröffnete Glas-Museum in Dingolfing erzählt die Geschichte vom Aufstieg der Landmaschinenfabrik Glas und ihrer Goggos – eine deutsche Geschichte.) Der reiche Onkel, Prokurist, fuhr Audi, immer mit Hut. Mein Vater musste paritätisch zwischen Opel und Ford wechseln, um sein geschäftliches Netzwerk örtlicher Autohändler zu befrieden. All Business is local, den Spruch kannte er nicht, aber handelte danach, während andere sich in der Globalisierung verloren. Nach der Pensionierung gönnte er sich den ersten Lustkauf – einen BMW – nicht mehr Fortbewegungsmittel war das Auto, sondern Kultobjekt. Wie lange kann das gut gehen, wenn die Wirtschaft rückwärtsfährt?
Vielleicht war es die geerbte Treue, dass mein erstes Studentenauto ein Fiat 124 war; auf der ersten Reise brach der Ganghebel ab. Die jahrzehntelange Malaise von Fiat nahm ihren Lauf. Später wechselte ich, im gerade wiedervereinigten Berlin tätig, vom Westdienst-Audi in den Ostdienst-Lada, ein getarnter Fiat, und ich lernte: „Hüte dich vor fremden Frau’n und Autos, die die Russen bau’n.“ Später habe ich ihn an einen russischen Major verkauft, und mein Lada fährt wahrscheinlich immer noch in Tomsk oder Omsk.
Wenn sich jetzt also die Landkarte der Autokonzerne neu ordnet, Fiat oder der Russen-GAZ bei Opel einsteigt – habt
euch nicht so. Aufstieg und Fall, Liebe und Verrat an Marken, Erfolg und Misserfolg gehören zum Geschäft, so war es immer. Wir werden davon erzählen, wenn wir irgendwann in diesen langweiligen, summenden, öko-perfektionierten Stromautos sitzen. Müssen.
(Erschienen am 09.05.2009 auf Wiwo.de)
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