Soziale Menschenrechte: UN-Sozialrat rügt Deutschland scharf

Deutschland gibt sich immer als Muster-Sozialstaat. Nun hat der UN-Sozialrat eine lange Klageliste vorgelegt - Pflegebedürftige, Alte, Arme, Kinder und Migranten kämen trotz riesiger Sozialausgaben in Deutschland schlecht weg. Was ist dran an dem Bericht?

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Keine frohe Botschaft vor Weihnachten: Der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen/United Nations Economic and Social Council (ECOSOC) übt in seinen „Abschließenden Bemerkungen zum sechsten Staatenbericht Deutschlands“ zum Teil heftige Kritik an der Umsetzung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte in Deutschland. Man sei besorgt über die Situation älterer Menschen, „die unter entwürdigenden Bedingungen leben, auch in bestimmten Pflegeheimen,“ schreiben die UN-Vertreter. Außerdem werde zu wenig gegen Kinderarmut getan. Die Höhe der Grundsicherung reiche nicht aus, um den Empfängerinnen und Empfängern einen ausreichenden Lebensstandard zu ermöglichen. Die Mindestlöhne müssten besser durchgesetzt werden. Der zuständige UN-Ausschuss präsentiert eine Zusammenstellung diverser größtenteils bekannter Probleme, deren Lösung in einer globalisierten Welt aber nicht einfach ist. Bei genauem Hinsehen kommt dabei ein Teil der Kritik auf dem Umweg über den externen UN-Rat von inländischen zivilgesellschaftlichen Stellen und Nichtregierungsorganisationen.

Der im Ursprung 10-seitige englische Text liegt in einer Arbeitsübersetzung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales [BT-Ausschussdrucksache 19(11)234] in deutscher Sprache vor. Er würdigt und bewertet den sechsten Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschlands zur Umsetzung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte. Verantwortlich für die UN-Bemerkungen zeichnet der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte/Committee on Economic, Social and Cultural Rights (CESCR) des Wirtschafts- und Sozialrates. Er hat die Abschließenden Bemerkungen am 12. Oktober 2018 angenommen.

Kritikpunkte: Atypische Beschäftigung

Der Menschenrechts-Ausschuss zeigt sich in seinem Bericht besorgt über die „sehr hohe Anzahl“ an Personen in unterschiedlichen Formen sogenannter atypischer Beschäftigung, wie beispielsweise Minijobs, Leiharbeit, Teilzeitbeschäftigung, Tätigkeiten als Unterauftragnehmerinnen und -nehmer, die mit geschätzt 14 Millionen Beschäftigten beziffert werden. Eine steigende Anzahl von Beschäftigten, derzeit 1,2 Millionen Personen, sei von Sozialleistungen abhängig. Nur ein geringer Anteil prekär Beschäftigter schaffe den Wechsel in eine reguläre Beschäftigung.

Deutschland, heißt es, solle „seine Anstrengungen zur Schaffung guter Arbeit und zur Umwandlung atypischer Beschäftigungsverhältnisse in reguläre … erhöhen, indem Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber hierfür Anreize erhalten und Beschäftigte mit dem Ziel einer besseren Qualifizierung weitergebildet werden sowie indem sie andere Formen der Unterstützung erhalten, wie z.B. Betreuungsangebote für Kinder und pflegebedürftige Angehörige, damit sie einer Vollzeittätigkeit nachgehen können, da die Mehrzahl dieser Beschäftigten Frauen sind“. Zudem sei zu gewährleisten, dass die Arbeitnehmer- und Sozialversicherungsrechte dieser Beschäftigten gesichert sind und dass das Mindestlohngesetz durchgesetzt wird. Es sei „verstärkt sicherzustellen, dass alle Beschäftigten zumindest den allgemeinen Mindestlohn erhalten und dass der Mindestlohn so festgelegt wird, dass er allen Beschäftigten und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht“.

Soziale Sicherheit/Ältere Menschen/Kinderarmut

Mängel sieht der Bericht bei der sozialen Sicherheit. Der Ausschuss regt an, Deutschland solle die Leistungen der Grundsicherung erhöhen, indem die Berechnungsmethode für das Existenzminimum verbessert wird. Die Sanktionsmechanismen seien dahingehend zu überprüfen, dass gewährleistet ist, dass das Existenzminimum immer erhalten bleibt. Außerdem empfiehlt der Ausschuss unter Verweis auf das ILO [International Labour Organization]-Übereinkommen, „explizit die Kriterien für die Bewertung der Zumutbarkeit einer Beschäftigung zu definieren“.

Ältere Menschen, kritisiert das UN-Gremium weiter, erhielten „aufgrund des Mangels an qualifiziertem Pflegepersonal keine angemessene Pflege“. Deutschland solle seine Anstrengungen zur Sicherstellung einer ausreichenden Zahl an qualifizierten Altenpflegerinnen und Altenpflegern im Einklang mit dem WHO[World Health Organization]-Verhaltenskodex zur Anwerbung von Gesundheitsfachkräften im Ausland erhöhen und gewährleisten, dass sie zu „gerechten und günstigen Arbeitsbedingungen“ beschäftigt werden. Vor allem wird Deutschland nahegelegt, „unverzüglich Maßnahmen zur Verbesserung der Situation älterer Menschen in Pflegeheimen zu ergreifen“.

Kinderarmut in Deutschland halten die UN-Experten ebenso für ein gravierendes Problem: Laut vorliegendem Papier befinden sich 19,7 Prozent (2,55 Millionen) der Kinder unter 18 Jahren, von denen die Mehrheit bei einem alleinerziehenden Elternteil oder in Familien mit mehr als zwei Geschwistern lebt, „in Armut“. Die Experten befürchten zudem, „dass die Höhe der Leistungen für Kinder nach wie vor nicht den grundlegenden Bedarf dieser Kinder deckt“. Außerdem seien sie „besorgt angesichts von Berichten, dass einige Eltern, einschließlich Migrantinnen und Migranten, aufgrund bürokratischer Hürden oder fehlender Informationen über die Leistungen diese nicht beantragen“. Ziel müsse die Beseitigung von Kinderarmut sein. Noch immer gingen viele Kinder ohne Frühstück in die Schule.

Recht auf Wohnen und Bildung

Des Weiteren postuliert der Bericht ein „Recht auf Wohnen“ und empfiehlt die vermehrte Bereitstellung bezahlbarer Wohneinheiten, die Bekämpfung von Spekulation auf dem städtischen Wohnungsmarkt, eine Erhöhung der Grenzen für die Übernahme der Wohnkosten in der sozialen Grundsicherung und die Verringerung von Obdachlosigkeit. Im Bildungswesen bestünden Herausforderungen fort. So unterscheiden sich die Hürden für Kinder von Geflüchteten und Asylsuchenden beim Zugang zu Bildung von Land zu Land und von Kommune zu Kommune stark. Für nötig hält der UN-Ausschuss hier die Sicherstellung einer ausreichenden Anzahl an ausgebildeten und qualifizierten Lehrkräften sowie eine ausreichende Schulung und Zertifizierung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern, die Fortsetzung der Implementierung eines inklusiven Bildungswesen sowie die Weiterführung der Bemühungen, „dass geflüchtete und asylsuchende Kinder möglichst schnell nach ihrer Ankunft an Bildung teilhaben, sowie Gewährleistung gleichberechtigter und qualitativ guter Bildungsangebote für diese Kinder bundesweit“.

Mehr Rechte für (auch irreguläre) Migranten

Für problematisch halten die UN-Experten, dass § 87 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes öffentliche Stellen verpflichtet, den Ausländerbehörden Migrantinnen und Migranten ohne gültigen Aufenthaltstitel zu melden, „da dies irreguläre Arbeitsmigrantinnen und -migranten daran hindern kann, Angebote in Anspruch zu nehmen, die unerlässlich für die Ausübung ihrer Rechte sind, wie z.B. Gesundheitsdienste, sowie daran, Straftaten, einschließlich häuslicher Gewalt sowie sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, zu melden“. Kritisiert wird in diesem Kontext auch, dass das Asylbewerberleistungsgesetz den Zugang von Asylsuchenden zur Gesundheitsversorgung in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland auf akute Erkrankungen und Schmerzzustände beschränkt und dass ihr Zugang zu Gesundheitsdiensten eingeschränkt sei. Deutschland solle alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, „damit alle Personen im Vertragsstaat, einschließlich Asylsuchende, unabhängig von ihrem rechtlichen Status und Aufenthaltstitel einen gleichberechtigten Zugang zu präventiven, kurativen und palliativen Gesundheitsdiensten haben“.

Zum Thema Familienzusammenführung empfiehlt das Papier, „die Familienzusammenführung für subsidiär Schutzberechtigte zu gewährleisten, unter anderem durch die Aufhebung der Quote von 1.000 Personen pro Monat“. Deutschland wird ferner aufgegeben, praktische und verwaltungsrechtliche Hürden für die Familienzusammenführung zu verringern und es sowohl beiden Eltern als auch den Geschwistern zu erlauben, „ohne Hürden“ nachzuziehen, wenn ein(e) unbegleitete(r) Minderjährige(r) als erstes Familienmitglied in den Aufnahmestaat einreist.

Des Weiteren plädiert der Ausschuss für eine Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen, die Reduzierung der „Lohnlücke“ zwischen den Geschlechtern, die Einhaltung der Beschäftigungspflicht für schwerbehinderte Personen, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hausangestellten, die Lockerung des Streikrechts für Beamte. Diskriminierung in kirchlichen Einrichtungen sei zu verhindern. Zum Thema „Intergeschlechtliche Kinder und transgeschlechtliche Personen“ schlägt das UN-Papier vor, „ die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um medizinisch nicht notwendige geschlechtsangleichende Eingriffe an intersexuellen Säuglingen und Kindern zu verbieten“ und die Gesetze zu Geschlechtern im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards und best practices zu überarbeiten.

Wirtschaft und Menschenrechte

Im Wirtschaftsleben sieht der Ausschuss die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte Deutschlands (NAP) nicht sichergestellt. (Der NAP ist eine Initiative der Bundesregierung zur Verbesserung der Menschenrechtssituation entlang der Wertschöpfungs- und Lieferketten von deutschen Unternehmen in Deutschland und weltweit.) Außerdem wird unter anderem moniert, dass Deutschland bzw. die EU keine „menschenrechtlichen Folgenabschätzungen für landwirtschaftliche Exporte in arme Länder mit Nahrungsmittelengpässen vornimmt“. Bei den internationalen Finanzinstitutionen, bei denen Deutschland Mitglied ist, sei sicherzustellen, dass diese bei der Bereitstellung von Krediten diesbezüglich menschenrechtliche Folgenabschätzungen in den Kreditnehmerländern durchführen. Darüber hinaus erinnern die Experten an das Pariser Klimaabkommen und die Verpflichtungen der Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA), 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungspolitik bereitzustellen. Dieses Ziel habe Deutschland 2017 verfehlt.
Zustandekommen der UN-Bilanz

Der formal für den Bericht zuständige Wirtschafts- und Sozialrat zählt, neben der Vollversammlung, dem Sicherheitsrat, dem Treuhandrat, dem Internationalen Gerichtshof und dem Sekretariat zu den Hauptorganen der Vereinten Nationen. Er besteht aus 54 Mitgliedern. Der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wiederum ist ein 1985 eingerichtetes Expertengremium, das die Einhaltung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte/International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, auch UN-Sozialpakt bzw. in der Schweiz UNO-Pakt genannt, überwacht.

Der Pakt, 1966 von der UN-Generalversammlung verabschiedet und im Jahr 1976 in Kraft getreten, gilt im Verein mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte/Universal Declaration of Human Rights und dem UN-Zivilpakt, dem International Covenant on Civil and Political Rights, als grundlegender allgemein anerkannter „internationaler Menschenrechtskodex“/„International Bill of Rights“ und im Verhältnis der Staaten zueinander als völkerrechtlich verbindlich. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Vertrag im Jahr 1973 ratifiziert, insgesamt haben dies bislang über 160 Staaten getan. Das ergänzende so genannte Fakultativprotokoll zum Sozialpakt – das Einzelpersonen das Individualbeschwerdeverfahren ermöglicht, wenn sie sich in ihren im Sozialpakt aufgeführten Rechten verletzt fühlen – ist 2008 von der UN-Generalversammlung verabschiedet worden und seit 2013 in Kraft. Deutschland hat dieses Protokoll noch nicht ratifiziert.

Der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte setzt sich aus 18 internationalen „Experten“ zusammen, die sich zweimal jährlich in Genf zur Beratung treffen. Zur derzeitigen Besetzung gehört ein deutsches Mitglied: Michael Windfuhr, seit dem 1. Januar 2011 stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin. Seine Amtszeit läuft von 2017 bis 2020. Windfuhrs Institut für Menschenrechte wird von 84 Mitgliedsorganisationen und Einzelpersonen getragen, unter ihnen Amnesty International, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in der Bundesrepublik Deutschland e. V., die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e. V., der LSVD Lesben- und Schwulenverband, die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e. V. und der Deutsche Gewerkschaftsbund. Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist als gemeinnütziger Verein eingetragen, versteht sich als „politisch unabhängig“, wird aller¬dings gleichzeitig aus dem Haushalt des Deutschen Bundestages finanziert, der das Institut auch eingesetzt hat.

Schattenberichte und „Vereinte Nationen“ als Gütesiegel

Die Aufgabe der 18 UN-Experten besteht im Wesentlichen in der Prüfung der von den Staaten periodisch zu erarbeitenden Staatenberichte (der Erstbericht ist 2 Jahre nach Inkrafttreten fällig, weitere Berichte folgen in der Regel ca. alle fünf Jahre). Das Staatenberichtsverfahren, also die Einreichung der Regierungsbilanz und die Bewertung dieser Bilanz, geschieht unter Berücksichtigung einer sog. „Parallel-“ bzw. „Schattenberichterstattung“. Das heißt: NGOs und sonstige Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft eines Landes haben das Recht, dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zusätzlich zum eingereichten Regierungsbericht selbst Statements und Informationen vorzulegen. „Da sich der Ausschuss mit vielen verschiedenen Staaten befasst und wenig Einblick in die Situation vor Ort hat, ist er auf umfassende Informationen angewiesen. Die Parallelberichte spielen daher eine wichtige Rolle“, informiert das Institut für Menschenrechte.

Die inländischen Organisationen machen von ihrem Recht auch gern Gebrauch, wie die 2017/2018 eingereichten Dokumente zeigen.

So hat das Forum Menschenrechte (FMR) eine sogenannte „List of Issues“ (Problem- und Frageliste) zu territorialen und extraterritorialen Staatenpflichten eingereicht. Zum FMR-Netzwerk gehören über 50 NGOs, die teilweise parallel im Deutschen Institut für Menschenrechte engagiert sind, und als Gast die Evangelische Kirche in Deutschland. Ferner prangert der Arbeitskreis ArbeitSoziales von attac München/Forum-Pflege-aktuell in einer eigenen Stellungnahme die Kinderarmut an. Die Wiener Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, das Forum Pflege aktuell, das von „desaströsen Zuständen“ in Pflegeheimen spricht, sowie die Nationale Armutskonferenz haben sich ebenfalls zu Wort gemeldet.

In gewisser Weise nehmen diese NGOs über die Schattenberichterstattung also, zusätzlich zu ihrer Öffentlichkeits- und Lobby-Arbeit im Inland, noch einmal über die UN-Ebene Stellung zum Zustand von Staat und Gesellschaft. Sie versehen ihren Standpunkt damit – sofern dieser Eingang in den CESCR-Bericht findet, was häufig der Fall ist –, sozusagen mit dem Gütesiegel „Vereinte Nationen“. Anders ausgedrückt: Die Bundesregierung wird über den Umweg Vereinte Nationen aufgefordert, Forderungen der inländischen Stellen zur Kenntnis zu nehmen (und darauf zu reagieren). Die UN-Kritik kommt also – entgegen dem ersten Anschein – nicht komplett „von außen“.

Berliner Opposition, Medien, Organisationen zeigen sich beschämt

Die Reaktionen von Politik, Medien, zivilen Organisationen auf die „Abschließenden Bemerkungen zum sechsten periodischen Bericht Deutschlands“ waren von verbaler Empörung geprägt. Nicht nur „Die Welt“ titelte wortgewaltig: „UN-Gremium moniert schwere Defizite bei sozialen Menschenrechten in Deutschland.“ Es sei „absolut beschämend, dass der UN-Sozialrat Deutschland erneut schwere Defizite bei der Umsetzung der sozialen Menschenrechte vorwerfen muss“, kommentierte für die Linken-Fraktion im Bundestag Jan Korte gegenüber dem „Tagesspiegel“. Die Grünen-Fraktionschefin Kathrin Göring-Eckardt sagte der Zeitung, der Sozialrat lege „den Finger in die Wunde“. Es sei „beschämend, dass die Bundesregierung immer noch zu wenig dagegen tut, dass in einem wohlhabenden Land zahllose ältere Menschen unter entwürdigenden Bedingungen untergebracht sind“. Man hätte auch „tausenden Geduldeten einen Spurwechsel in Pflegeberufe eröffnen können, stattdessen hat die Bundesregierung die Anforderungen für gut integrierte Geduldete eher noch verschärft.“

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales betonte in seiner Antwort auf eine Anfrage von Sabine Zimmermann, Abgeordnete der Linken im Bundestag, die Abschließenden Bemerkungen des Ausschusses stellten keine Menschenrechtsverletzungen fest, sondern enthielten Empfehlungen zur Umsetzung der in dem Pakt verankerten Rechte. „Diese sind vor dem Hintergrund der in Artikel 2 Absatz 1 des Paktes enthaltenen Verpflichtung der Staaten zu lesen, Maßnahmen zu treffen, um ‚nach und nach‘ die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen.“ In Erfüllung dieser Aufgabe nehme die Bundesregierung die Empfehlungen des WSK-Ausschusses „sehr ernst“. Das UN-Papier sei zahlreichen Stellen, darunter den deutschen zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich aktiv in das sechste Staatenberichtsverfahren eingebracht haben, übermittelt worden. Für Januar 2019 sei ein erstes Treffen mit diesen zivilgesellschaftlichen Gruppen geplant. Die Bundesregierung sei dazu aufgerufen, dem Ausschuss in 24 Monaten einen Zwischenbericht zu den drei Themenbereichen Pflege, Kinderarmut und sozialer Wohnungsbau vorzulegen. Im Jahr 2023 ist der nächste Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland einzureichen.

Bekannte Probleme – nicht leicht zu lösen

Nun verkündet der CESCR-Text den Eingeweihten kaum Neuigkeiten. Zahlreiche Themen sind hier zu Lande bereits viel diskutiert, so die Kinderarmut, der Pflegenotstand, die Wohnungsnot, Defizite des Bildungssystems. Einzelne Punkte, zu denen das UN-Gremium klar Position bezieht – wie die Befürwortung inklusiver Schulen für Kinder mit Behinderungen oder Regelungen des Familiennachzugs –, werden in der gesellschaftlichen Debatte auch durchaus unterschiedlich gesehen.
Viele Forderungen sind sicher auch aus der Warte von Oppositionspolitikern und humanitären Organisationen leichter als in der Realität zu erfüllen. Gerade das General-Problem „Armut in ‚wohlhabenden Ländern‘“ in all seinen Facetten dürfte in einer Gesellschaft, die 1. in Globalisierungsprozesse eingebunden ist und 2. durch UN-Flüchtlingspakt, -Migrationspakt sowie das auf den Weg brachte Einwanderungsgesetz mit Sicherheit weitere Zuwanderung, auch ärmerer Menschen ohne große berufliche Chancen, erwartet, schwer in den Griff zu bekommen sein. Letztlich hängt der künftige Lebensstandard vieler Menschen im Land stark davon ab, wie viele nicht-prekäre Jobs, in den Worten der UN-Experten: „gute [Vollzeit-]Arbeit“, für vorhandene Arbeitsuchende in Zukunft überhaupt zur Verfügung stehen werden. Auch der UN-Wirtschafts- und Sozialrat kann den Knoten nicht zerschlagen, dass in Deutschland – wie er selbst feststellt – einerseits viele Millionen von Menschen heute bereits keine optimalen Lebensumstände vorfinden, andererseits (immer mehr) Zuwanderern angemessene Lebensumstände und umfassende sozial-ökonomische Menschenrechte gewährleistet werden sollen. Nicht nur für die Anhebung des Mindestlohns braucht es willige Arbeitgeber, die dann nicht mit der Verlagerung von Produktion ins Ausland liebäugeln und die gegebenenfalls Absatzeinbrüche durch höhere Preise akzeptieren. Deutschland ist eben im Kreis der 193 UN-Staaten keine Insel.

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Kommentare ( 80 )

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enterfiles672
5 Jahre her

auf der einen Seite hat die UN in vielen Punkten richtige Armutszeugnisse angesprochen aber auf der anderen Seite was mischt sich die UN in Deutsche Abartigkeiten ein ? Die UN hat mit sich selbst genug zu tun und UN ist eigentlich ein sinnloses Ding betrieben einiger weniger Mächtige. Blödsinn den keiner wirklich braucht. Was nutzt jetzt die UN Rüge ? Nichts. Den Mächtigen in Deutschland wird es mehr als weniger egal sein die Betroffene werden mehr als weniger leiden und erledigt. Da wird sicher niemand die Achse des Bösen durch Deutschland ziehen obschon diese gerade dahin gehört. Niemand wird Deutschland… Mehr

Britsch
5 Jahre her

Es ist schon immer so, wer freigiebig gibt von Dem wird immer mehr und immer mehr erwartet und gefordert. Ob Geld, sonstige Leistungen, oder Toleranz. Von dem der nichts gibt oder nur swelten etwas gibt bekommt Anerkennung und Dank wenn er mal was gibt. Liegt der ehemals Freigiebige dann als Folge am Boden, ist nichts mehr zu holen, die Anderen sind oben auf und denen geht es nun gut, wird oft auf diejenigen die Ihnen zum Gut gehen verholfen haben, nicht selten heruntergespuckt „Ihr wart schön blöde, So blöde bin ich nicht, schaut wie Ihr zurecht kommt“ Allerdings gibt es… Mehr

giesemann
5 Jahre her
Antworten an  Britsch

Genau, liberal und hilfsbereit sind wir schon, aber nicht blöd. Sagen wir das mal den marodierenden jungen Muslim-Männern hier. Und schmeißen wir sie hochkant raus.

jorgos48
5 Jahre her

Mein Zugang zu den Leistungen der GEK kostet mich fast 600€ pro Monat. Und der arme Flüchtilant soll diese Leistungen für Lutsche bekommen. So ist das in Tikka Tukka Land.

PUH
5 Jahre her
Antworten an  jorgos48

Er hat ja auch viele Gefahren auf sich genommen und sein Leben aufs Spiel gesetzt, manchmal sogar sein ganzes Vermögen hergegeben, um sicheren deutschen Boden zu betreten. Das muss uns schon was wert sein. Also seien Sie nicht so geizig. Die Familie (kommt nächsten Monat per Linienflug nach bzw. an), lädt Sie vielleicht sogar mal zum Kaffee ein, um Ihnen die Segnungen des Propheten nahezubringen.
Also: Schön cremig bleiben. Sie schaffen das!

jorgos48
5 Jahre her
Antworten an  PUH

Wie sagte doch unsere Allerwerteste, Allermächtigste Führerin der Verwesten Welt, Angela die Gefürchtetere: „ Wir schaffen das !“ Glauben wir das auch noch. Na dann, allen TE Lesern ein fröhliches Neues Jahr. Warten wir auf Frau Krenz-Karrenbauer der Kontinuität Willen.

PUH
5 Jahre her
Antworten an  jorgos48

So isset brav!

Stefan L.
5 Jahre her

Klar wird Deutschland von der UN scharf gerügt.

Dtl ist auch das einzige Land, das sich um eine UN Rüge schert…

josefine
5 Jahre her

Tatsächlich: „Politik über Bande“; auf solche Ideen muss man erst mal kommen!
Ich werde immer misstrauischer, was Politik betrifft.
Werden wir nur noch ver…, Entschuldigung, getäuscht?

Heinrich Niklaus
5 Jahre her

Zu den Mitgliedern des UN-Sozialrats zählen u.a.: Ghana, Malawi, Marokko Sudan und Togo. Da fragt man sich, warum so viele Menschen aus diesen Ländern nach Deutschland wollen.

Wir geben fast eine Billion Euro pro Jahre für Sozialleistungen aus. Und diese Staaten „rügen Deutschland scharf“.

Das ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Als Bundesregierung würde ich mir diese absurde Kritik nicht nur verbitten, sondern deutlich machen, dass man Kritik von teilweise „failed States“ in keiner Weise akzeptiert.

Achso
5 Jahre her

Poltik über Bande……
Ja so hat es unsere Merkeline in der SED gelernt. Und sie hat auch nicht die notwendigen nnützlichen Idioten vergessen – „Die Grünen “
Gelernt ist eben gelernt !

giesemann
5 Jahre her

Könnte man/frau nicht Kinderarmut durch Kinderreichtum bekämpfen? Die Hyperfertilen in der Ummah, in Afrika und sonstwo machen es uns doch vor … . Die UNO ist so was von neben der Kapp – die reden wohl nur noch Stuss. Der UNHCR war noch nicht mal in der Lage, genug Futter in die sicheren Flüchtlingslager um Syrien herum zu schaffen – mit dem Ergebnis, dass allein DE von nun an zweistellige Milliardenbeträge für die jungen Kerle von dort berappen muss – jährlich, wohgemerkelt. Damit könnte man viel tun für Pflege, die eigenen Kinderchen etc. Von der forcierten Immigration anderswoher nach DE… Mehr

Sonny
5 Jahre her

UN-Sozialrat? Jaja, klar, ein klassisches „Relotius-Papier“.
Bißchen Wahrheit gespickt mit einer großen Prise Sozialismusromantik.

Eberhard
5 Jahre her

Alle von der UN angesagten Rechte werden immer nur einseitig denen angelastet, die bereits hohe Standards dabei erfüllen. Die UNO will, dass die große Mehrheit unserer fleißigen und arbeitsamen Bevölkerung immer mehr von ihrem Einkommen für die Versager der weiten Welt abgeben müssen. Aber wir sind keine von den korrupten Diktaturen, die nur fordern statt zu bringen. Wenn das so weiter geht, werden sich die Menschen in den zahlenden Staaten das nicht mehr bieten lassen. Selbstverständlich kann und müssen auch bei uns soziale Standards der Zeit angepasst werden. Aber nicht zur Erfüllung ungerechtfertigter Migration. Denn wir brauchen dringend jeden Cent… Mehr