Ohne Seele kein Leben

Das gefährlichste im Kampf gegen das Böse ist der Einsatz böser Mittel. Gastbeitrag von Thomas Zieringer.

Blick ins Rheintal auf Worms (Entfernung: 22 km). Hier in den ShUM Städten entstand im Hochmittelalter die jüdisch aschkenasische Kultur.

Es ist Weihnachten 2015. Deutschland beteiligt sich gerade wieder an einem Krieg. Oh weh! Was muss eigentlich noch alles passieren, dass wir Menschen uns gegenseitig mehr lieben können? Wer mag auch daran zweifeln, dass viel Hass in der Welt von Verletzungen herrührt und das einzig die Liebe hier zu einer Heilung werden kann? Die Antwort auf Terror und Gewalt darf sich nicht wieder nur in neuer Gewalt erschöpfen. Das Gute lässt sich nicht erzwingen. So führte „der Krieg gegen den Terror“ der Amerikaner schließlich nur zu noch mehr Terror und damit hängt auch die Flüchtlingswelle nach Europa zusammen. Ja, die Welt braucht wahrlich mehr Liebe.

Ich will mit ihnen, werter Leser, aber eine Reise unternehmen, die uns durch mehr als das „Land der Liebe und Barmherzigkeit“ führen wird. Denn die Welt ist eben auch böse und verdreht; es gibt Männer und Frauen, die betrügen, stehlen und morden. Es gibt eine Menge Verrückte, die von der Macht angezogen werden. Es gibt Menschen, die anderen Menschen schaden oder sie gerne ausnutzen und die darin Grenzen brauchen. Wer das nicht mehr wissen will, ist gefährlich dumm. Der Anspruch, dass die Welt mehr Liebe braucht, muss also mit dem derzeitigen Zustand der Welt und den Gefahren in ihr in ein Gleichgewicht gebracht werden. Liebe und Vernunft müssen zueinander finden. Doch genau da liegt es im Argen, denn unser Land hat sich selbst verloren.

Ich möchte einige Phänomene genauer betrachten, die dabei sind, eine Kultur zu zerstören, die sich einst selbst als „Dichter und Denker“ bezeichnete. Es geschahen zwei entsetzliche Kriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und aus den Dichtern und Denkern wurden Soldaten. Im Frieden danach wurden sie zu „Soldaten“ des Materialismus und Konsumismus. Durch das Trauma der Shoa und die Gräuel im Krieg verlor das Land – auch im missglückten, weil lieblosen Aufarbeitungsversuch der 68’er Bewegung – seine Seele und damit sich selbst. Wie kann es hier zu einem Wendepunkt kommen, dass die bösen Geister einer Vergangenheit, die sich nicht wiederholen soll, ausgetrieben würden?

Solange keine Heilung in der Seele unseres Landes geschehen ist, sind diese „Geister“ noch da. Sehe ich heute z. B. den Umgang mit Frau Petry von der AfD, einer Partei, die sich zur Zeit auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt, so sehe ich diese „Geister“. Sie sind gefährlicher als gerade „die Gefahr von Rechts“ durch z. B. PEGIDA. Denn die erste Gefahr ist in der Verfolgung Andersdenkender bereits real geworden, die zweite Gefahr ist aber immer noch eher ein an die Wand gemalter Teufel. Die erste Gefahr wird, wenn die Einsicht fehlt, aber die zweite hervorbringen. Jüngst las ich, Frau Petry würde keine Wohnung in Leipzig finden, weil potentiellen Vermietern von politischen Gegnern mit Gewalt gedroht würde, falls diese an sie vermieten. Sieht man es denn nicht? Hier gerade wiederholt sich Vergangenheit in anderem Gewand. Umso deutlicher wird dadurch auch, wie sehr eine in die Tiefe der Seele gehende Aufarbeitung deutscher Vergangenheit Not tut, eine Aufarbeitung die dieses Mal einen solchen Frieden zum Ziel hätte, dass unser Land seine Seele wieder finden kann.

Der Kampf gegen Rechts mit falschen Mitteln

Das gefährlichste am Kampf gegen einen Gegner, der das Böse darstellt ist, dass man in diesem Kampf leicht selbst so werden kann wie das, was man im Gegner bekämpfen wollte. Welche Mittel sind gegen einen bösen Gegner erlaubt? Je böser der Gegner, desto gewaltiger dürfen die gegen ihn eingesetzten Mittel sein? Wo ist die Grenze zu ziehen? Wirklich erst bei einem Hiroshima, Dresden oder dem „London Blitz“? Die Schwärze färbt ab. Das zeigt sich zuerst im Kleinen: Jüngst brannten Autos oder Geschäftsräume von Kritikerinnen des Zeitgeistes. So wurde das Auto von Frau Beatrix von Storch angesteckt und es gab einen Brandanschlag auf die Geschäftsadresse von „Demo für Alle“. Das zeigte auch das mit Steuergeldern subventionierte Theaterstück „Fear“, in dem zum Mord an mit Namen benannten andersdenkenden Personen aufgerufen wird. Das zeigte sogar das in der öffentlichen Darstellung verdrehte „KZ-Zitat“ aus einer sehr unschönen Rede bei PEGIDA.

Ist Ihnen das auch aufgefallen? Da ist etwas sehr merkwürdig im Umgang mit PEGIDA, deren Anhänger ja mehrheitlich aus der Mitte der Gesellschaft kommen sollen. PEGIDA sei gefährlich, vermutlich gerade weil in der hier vorzufindenden Konstellation rechtsextremistisches Gedankengut leicht in die Mitte der Gesellschaft getragen werden könnte. Diese Vermutung ließe mich dann auch das aufwendig organisierte und staatlich gestützte Engagement gegen PEGIDA verstehen. Dennoch bekomme ich die Puzzleteile nicht zusammen: Wer diese Bewegung so offen sichtbar dann auch mit unlauteren Methoden bekämpft, wie das in den letzten Monaten zu beobachten war, der wertet sie damit doch erst auf, der macht sie damit erst zu den Freiheitskämpfern, als die sie sich sehen. Also ist der „Kampf gegen PEGIDA“, wie er bislang zu beobachten war eigentlich doch ein Kampf für PEGIDA. Dazu kommt, dass es für einen Staat, in dem es Recht, Ordnung, Freiheit und Mitbestimmung geben soll, gefährlich ist, sich mit unlauteren Methoden seiner Gegner zu erwehren. So erodiert die Ordnung von innen her. Das ist bereits heute gefährlicher, als eine PEGIDA es je von sich aus hätte sein können.

Die Mehrheit der Leute die bei den Demonstrationen in Dresden mitmachen, sind also aus der Mitte der Gesellschaft. Sie generell zu beschimpfen, bestärkt sie nur im Eindruck bei einer wichtigen und gerechten Sache mitzumachen. Und da hat eben auch die staatliche und mediale Gewalt mit einem unfairen Umgang mitgeholfen, die Führung der Bewegung in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Da verzeiht man dem Anführer ja sogar das Hitler-Bärtchen. Doch halt, dieses war ja vom Journalisten nachträglich in sein Foto gesetzt worden … Ein anderes Beispiel: bei der Geschichte mit einem kleinen Spielzeug-Galgen aus Pappe, den ein Teilnehmer unter 20.000 bei einem „Spaziergang“ dabei hatte, fällt es schwer, das als Meinungsausdruck aller dort Beteiligten zu verstehen – es ist lächerlich, dass damit überhaupt argumentiert wurde.

Ich habe mir die Mühe gemacht, ein Interview anzuschauen, in dem der Mann mit dem Galgen seine Geschichte erzählen durfte. Was ging in ihm vor? Über diese interessante Frage standen leider keine Berichte in den Zeitungen. Es gab viel Geschrei ohne Inhalt. Im Interview wirkte der Mann nicht gefährlich, sondern eher sanft. Er hatte sehr schlechte Erfahrungen mit einer deutschen Behörde gemacht. Dieser Mann fühlte sich ausgenutzt, verraten und ohnmächtig. Einen Pappgalgen durch die Gegend zu tragen ist nicht schön, es ist aber immer noch besser, als sich durch rohe Gewalt die Aufmerksamkeit zu verschaffen. Aha, so war das also: dem Mann mit seiner Geschichte wollte niemand zuhören und da ging er auf eine Demonstration, um es „denen da oben“ mal zu zeigen. Gibt es wirklich nicht bessere Gründe, die man gegen PEGIDA anführen kann?

Im Internet sind abscheuliche Veröffentlichungen zu finden von Leuten, die in den Startlöchern sitzen, ihren Hass zu verbreiten, wenn Deutschland seinen gefährlichen Sonderweg weiter so wie bislang beschreitet. Ich meine damit einen für einen gesunden Menschen unvorstellbaren Hass, vor allem gegen Juden und „die Zionisten“. Das soll man beim Kampf gegen PEGIDA, der so wenig bewirkt, was er bewirken soll, nicht verpassen. Und wenn die Entwicklung in Deutschland weiter in die ungesunde Richtung läuft, dann werden sich bald Leute ganz offen mit rechtsradikalen Ideen melden, die nicht nur „brauner Bodensatz“ sind, sondern Akteure, die zielgerichtet handeln werden. Dann wird dieser Geist die Mitte der Gesellschaft erreichen und das hatten wir wirklich schon mal in Deutschland. Das ist das eigentlich gefährliche an PEGIDA, dass sie nämlich diesen Weg bauen könnten. Das liegt aber nicht in erster Linie an dieser Bewegung selbst, sondern am Umgang mit ihr und in diesem Umgang zeigt sich eben auch, was in Deutschland wirklich aus der Vergangenheit gelernt wurde: leider sehr wenig.

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