Spahn bei Anne Will als Jens der Herzen

Das Thema scheint ernst, immerhin haben 89% von einschlägig Befragten etwas an Hartz 4 auszusetzen, fast 1.000 User füllten Anne Wills Kommentarspalten bereits vor der Sendung, dabei ging es nicht um „Flüchtlinge“.

Screenshot ARD

Sondern um die „Arbeitswelt im Wandel – wie muss der Sozialstaat reformiert werden?“ Also wenn schon, denn schon – ernst und sachlich? Faktenorientiert? Schonungslos ehrlich? Nicht einmal ansatzweise. Im Gegenteil: Genauso stellen wir uns das Debattencamp der SPD vor. Lars Klingbeil sagt das, was er immer sagt, und dann darf bestimmt auch einer, der in diesem Internet digital tätig ist, die Welt von morgen malen. Und am Ende stehen wieder die Worte von Martin 100% Schulz: „Es läuft beschissen, aber sollen wir den Laden dicht machen?“

Diese Frage könnte sich Anne Will nach den letzten Wochen eigentlich auch stellen. Sahra Wagenknecht zum Sozialstaat? Wirklich jetzt? Alles wie in der anderen deutschen demokratischen Republik? Diesmal mit Mauer ums ganze Deutschland, allerdings gegen Ein- statt Auswanderung, das wäre mal ein Ansatz. Lars Klingbeil haben wir oben bereits ausreichend dargestellt, allerdings wollen wir ihn nicht kleiner machen, als er ist. Lars Klingbeil hat sich rechtzeitig für SPD statt Hartz 4 entschieden, und schaut ihn euch an – jetzt ist er Generalsekretär! Simone Menne war mal die erste deutsche Frau in einem Dax-Vorstand, und das nicht als Kulturbeauftragte zum Bilderaufhängen, sondern für Finanzen. Leider wurde sie nichts Vernünftiges gefragt, da konnte sie also auch eher wenig beisteuern. Jens Spahn unterbrach als Will-Gast kurz das Rennen um den Parteivorsitz nach dem Motto: Du hast keine Chance, also nutze sie.

Fachkräftezuwanderungsgesetz
Neues Kombimodell für Asyl und Arbeitsmigration in Sicht
Bevor wir Spahns tapferen Kampf in rotem Gewässer bei Anne Will beschreiben, wollen wir fassungslos reportieren, was man in öffentlich-rechtlichen Intelligenzkreisen wohl für Internet- und start-up-Pioniere hält, also Deutschlands Antwort auf Zuckerberg und Musk. Ein gewisser Michael Bohmeyer durfte sein total tolles Konzept „1.000 Euro für alle von allen“ vorstellen, sowie für seine Website Reklame machen, auf der Unbedarfte Geld spenden, mit dem dann einer ausgelost wird, der für genau ein Jahr jeden Monat 1.000 Euro erhält. Wenn Sie das jetzt nicht verstanden haben – bedingungsloses Grundeinkommen gibt es auch beim Lotto, der Glücksspirale und gelegentlich sogar bei der „Bild“ zu gewinnen. Es wurde sogar ein Kamerateam losgeschickt, das eine glückliche Gewinnerin abfilmte, deren Leben eine völlig neue Bedeutung bekommen hat. Noch besser, verkündete Michael Bohmeyer, platzend vor Stolz: Durch unser Grundeinkommen ist es sogar gelungen, einen Reichsbürger zu bekehren und heim in unser Reich zu holen.

Auf dem gleichen Niveau war auch die Zitateinblendung von Tim & Joe, die Chefs von Telekom und Siemens, die auch ein bedingungsloses Grundeinkommen fordern, damit sie nicht so ein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn sie Arbeitsplätze ins Ausland verlagern.

Die SPD wird in den nächsten Wochen entscheiden, versprach Lars Klingbeil, mit Jens Spahn wäre ein Bürokratieabbau sofort zu machen, Simone Menne empfahl „disruptiv“ (das aktuelle Modewort im Business-Bullshit-Bingo) zu denken und Sahra war die einzige, die schnell kapierte, dass die 1.000 Euro im Monat eine Mogelpackung sind, denn mit Miet-, Heizungs- und Krankenkassen-Zuschüssen kommen die meisten Hartzer längst auf diesen Betrag.

Verschleiss rundum
Deutschland 2018 - Was geht? Was fehlt?
Wir werden hier nicht dem polit-medialen Komplex auf den Leim gehen mit all seinen Unterstützungs-Regelungen, Unterabschnitten und diversen Sonderregelungen, sondern wenden uns der Wirklichkeit in Gestalt des Berliner Bäckermeisters Schwadtke zu, der händeringend Gesellen und eine Fachverkäuferin (die muss ooch wat inne Birne ham) sucht. Kamen denn keine vom Jobcenter? „Vom Jobcenter? Die kamen nich. Habe ick hinterhertelefoniert. Sagen die: Haick verjessen. Det ist aber sowieso nüscht für mich.“

Das sei ja auch eine harte Arbeit, die müsste besser bezahlt werden, verteidigte Sahra die sich verweigernde Arbeiterklasse. „Ick zahl übertariflich“, empörte sich der Berliner. „Und hart war das mal vor 40 Jahren.“ Der Bäckermeister war aber für Sahra Wagenknecht ein Einzelfall, sie kennt ganz viele … und schon war sie in der Finanzbranche, beziehungsweise beim Üblichen. Auch Lars Klingbeil kennt viele „multiple Arbeitshemmnisse“, die es einem wie ihm verbieten würden, ins Bäckereihandwerk zu wechseln. Wirklichkeit jeh wech, sonst krieg ick dir!

Spahn wurde am Ende dann der Jens der Herzen, als er ausrief: „Ich bin ja vielleicht ein langweiliger Typ, aber ich frage mich die ganze Zeit, wer zahlt das?“ Er sei mitnichten ein langweiliger Typ, tröstete Will, die das Spahnsche Bekenntnis wohl für bare Münze genommen hatte.

Sozialstaat und offene Grenzen, das funktioniert nicht, haben schon viele kluge Leute gesagt, aber natürlich keiner in der Runde. Lars von der SPD versprach stattdessen ein Digital-Programm (neues Smartphone für Nahles?) und ganz viel künstliche Intelligenz im Bundestag. Das ist doch schon mal was!


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Kommentare ( 59 )

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59 Comments
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Regenpfeifer
5 Jahre her

„Einzelfälle“ ist für mich eh das Unwort des Jahres: Es wird gezielt gebraucht, um einen Sachverhalt in sein Gegenteil zu verkehren und jedwede Diskussion darüber von vornherein zu unterdrücken..

walter werner
5 Jahre her

…dann wäre es doch richtiger und gerechter jedem deutschen Bürger eine Milllion Euro
auf sein Konto zu überweisen. Dann wären wir alle Millionäre und hätten keinerlei Sorgen mehr !

meckerfritze
5 Jahre her

ich bin auch für künstliche intelligenz im bundestag. parlament und regierung durch logisch handelnde kis zu ersetzen wäre einen versuch wert. schlimmer, als das, was diese white collar bessermenschen seit jahren fabrizieren, kann das auch nicht werden. außerdem spart das endlich mal steuergelder auf der richtigen ebene ein.

mathilda
5 Jahre her

Ich habe zufällig reingezappt, als Frau Menne ungefähr gesagt hat: „Die deutsche Industrie und deutsche Politik ist nicht mehr innovativ, wir halten uns nur noch an Regeln, sind nicht mehr bewegungsfähig, nicht mehr agil und damit sind wir in Deutschland auf dem falschen Weg, wenn wir uns ansehen, was andere Systeme uns derzeit vormachen.“ Toll, dachte ich, Systemkritik in den MSM, sogar bei Anne Will! Da ist eine, die sagen darf, dass (offenbar nicht nur der Mittelstand) in erstickender Bürokratie vollkommen absäuft, nur um damit Bürokraten hochbezahlt zu beschäftigen. Dachte ich nur kurz. Dann schnelles Abwürgen, lieber schnell der nächste… Mehr

andrea
5 Jahre her

Soweit ich es auf die Schnelle nachvollziehen kann, stimmen Ihre Zahlen nicht: Kosten für die Wohnung werden nicht nur bis 256€ bei Alleinstehenden übernommen- tatsächlich ist die Wohnungsgröße auf 50 qm für eine Person beschränkt und die Miete muss angemessen sein, darf in Hamburg 481€ und in München 657€ kalt betragen. Es werden nicht nur die Nebenkosten zusätzlich übernommen sondern auch die kompletten Heizkosten- nur der Strom muss aus dem Regelsatz bezahlt werden. Ansonsten gibt es noch die Tafeln, Sozialkaufhäuser und Kleiderkammern. In unserer Überflussgesellschaft werden so viele fast neue Sachen aussortiert, davon könnten wir noch andere Staaten mit versorgen… Mehr

linda levante
5 Jahre her
Antworten an  andrea

Liebe Andrea, ihnen und auch anderen, scheinen Zahlen viel zu bedeuten. Das sind auch wichtige Fakten. Und ich möchte Sie Ihnen auch gerne ergänze. In meiner Stadt, darf eine Wohnfläche von 45 qm nicht überschritten werden, nur diese werden bezahlt und im gleichen Atemzug, dürfen die 45 qm nicht mehr als 256 € kosten, kalt. 2 Kilometer von mir entfernt, dürfen die 45 qm 282 Euro kosten, kalt. Die von Ihnen genannten Mieten in Hamburg und München, kann man im Netz nachlesen. Also, ich denke die Fakten sprechen für sich und die Zahlen bringen uns insofern nicht richtig vorwärts, weil… Mehr

honky tonk
5 Jahre her

Danke,endlich hab ich’s verstanden.

Absalon von Lund
5 Jahre her

Es scheint mir fraglich, daß sich irgend jemand außer Jens Spahn ernsthafte Gedanken gemacht hat. Ist es Ihnen auch aufgefallen? Sarah Wagenknecht saß diemal links von Anne Will, zuletzt rechts von Sandra Maischberger, aber dasselbe Kleid und dieselben <s
Schuhe. **

walter werner
5 Jahre her
Antworten an  Absalon von Lund

…nun bei den armseligen Diäten die eine Abgeordnete im deutschen BT erhält ist auch nicht mehr drin!

Hans Wurst
5 Jahre her
Antworten an  Absalon von Lund

… Aber beide zusammen kosten womöglich mehr als alles, was Sie im Schrank hängen haben.

Wolfgang M
5 Jahre her

Über die Finanzierbarkeit des echten bedingungslosen Grundeinkommens ist eigentlich ganz leicht zu diskutieren. Jeder deutsche Einwohner bekommt laut Befürwortern des BGE 1.000 Euro im Monat. 1.000 Euro monatlich pro Einwohner *12 Monate * 82 Millionen Einwohner ergibt ca. 1 Billion Euro jährlich. Das müsste Deutschland für ein echtes BGE bezahlen. Der aktuelle Bundeshaushalt beträgt ca. 350 Milliarden Euro und er enthält viele Posten, die bedient werden müssen. Da fehlt also sehr viel an einer Billion Euro. Wenn man jetzt Einschränkungen macht, z.B. Vermögen unter 100.000 Euro oder Kinder bekommen nur die Hälfte, dann ist das BGE nicht mehr bedingungslos. Bezahlbar… Mehr

RitterRunkel
5 Jahre her
Antworten an  Wolfgang M

Psssst!! So genau wollte das die SPD nun nicht durchgerechnet haben! Wenn die SPD sich schon mit der Sache beschäftigt kann sie nicht auch noch den Taschenrechner rausholen. Sie sollten etwas mehr Verständnis für die auf Grund laufende Arbeiterpartei haben!

Hosenmatz
5 Jahre her

Beispielrechnung: – Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) beträgt 1.000 €/Monat – Das BGE wird aus Lohnsteuer finanziert, die auf 50% festgelegt ist Wenn es nun einen Arbeitnehmer (AN) und einen Nicht-Arbeiter (NA) gibt, dann erhalten beide zusammen ein BGE von 2.000 € (jeweils 1.000 €). Der AN muss also mindestens 4.000 € brutto im Monat verdienen, damit über seine Lohnsteuer die beiden BGE gegenfinanziert sind. AN: 3.000 € (1.000 € BGE + 2.000 € netto) NA: 1.000 € Das könnte zurzeit evtl. funktionieren, da etwa die Hälfte der Bevölkerung erwerbstätig ist und wenn das durchschnittliche Einkommen bei 4.000 € läge (liegt… Mehr

Anne
5 Jahre her

Ich habe Ihren Beitrag aufmerksam gelesen. Einige Positionen sind nicht stimmig. Bspw. ist derjenige, der Leistungen nach dem SGB II (ALG II = H4) bezieht, von Rezeptgebühren befreit. Gleiches gilt für Rundfunkgebühren. Allerdings muss der Betreffende schon entsprechend Belege vorlegen und den Befreiungsantrag stellen.
Im Übrigen schließe ich mich der Kommentierung von EURO fighter auf Ihren Beitrag.

Kassandra
5 Jahre her
Antworten an  Anne

Ja – und Medikamente, die es nicht mehr auf Rezept gibt, muss er selbst bezahlen. Es gibt viele, die dann deshalb darauf verzichten. Wie auch den Anteil der Stromrechnung, der über das Zugeteilte hinaus geht.

linda levante
5 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Die Deutschen Armgemachten verzichten nicht nur auf Medikamente liebe Kassandra, sondern, ich möchte ergänzend hinzufügen, auch auf eine anständige und ausgewogene Ernährung. Viele von ihnen leiden unter Mangelernährung, hinzukommt noch die gesellschaftliche Isolation.

Müntefering, einer der vehementesten Armutserfinder aus der Rot- Grünen Asibande, zog mit seinem Ausspruch „Wer nicht arbeitet, braucht auch nichts zu essen“, durch ganz Deutschland. So ist die sozialistische Bande drauf.

linda levante
5 Jahre her
Antworten an  Anne

Der Betroffene ist nur dann von den Rezeptgebühren befreit, wenn er nachweisen kann, dass er mehr als 40 € oder 80 €, das weiß ich nicht mehr so ganz genau, weil ständig was geändert wird, im Jahr an Rezeptgebühren bezahlt hat. Die Befreiung erfolgt dann auf Antrag.