Hier das zweite Antwortpaket. --- Zur lockeren Volksbefragung laden wir weiter herzlich ein.
Das schickten unsere Zeitgenossen: Wir bitten weiter um Beiträge, die Erzählung Ihrer Großmutter, Fotos, die für Sie typisch Deutsches darstellen. Was immer Ihnen in den Sinn kommt, spontan, ernst oder witzig, wie Sie wollen. Zu dieser Lockerungsübung von Volksbefragung laden wir herzlich ein.
Bernd Gast, Köln
Deutsch-Sein – was ist das?
Geht das überhaupt?
Oder ist nicht jeder, der es sein will,
schon nationalistisch versaut?
Ja, gibt es denn DEN Polen,
oder gibt es DEN Schweden?
Und was denken denn die,
wenn die über DIE Deutschen so reden?
Ist Deutsch-Sein zuallererst,
was wir selbst darin sehn?
Oder lässt es sich leichter
von aussen verstehn?
Und darf Mensch darauf stolz sein,
ein Deutscher zu sein?
Oder wär’s für alle nicht am besten
vor allem KEIN Deutscher zu sein?
Warum gibt es zum Deutsch-Sein
so verdammt viele Fragen?
Und warum hört man so viele
ihr Deutsch-Sein beklagen?
Und hört man ’nen Franzosen (*)
auch was Vergleichbares sagen?
* die Nationalität kann nach Belieben verändert werden.
66, männlich, Oberbayern: bairisch
Deutsch sein? So etwas wie Merkel? Das lehne ich entschieden ab. Deutsch sein? Wie diese vollgefressenen grölenden “Fußballfans”? Lehne ich entschieden ab.
Ich liebe die bairische Sprache, die bairischen Traditionen, die bairischen Berge die Natur, das bairische Bier, Weisswirscht und Brezn.
Deutsch sein wie die in Berlin? Nie und nimmer!
67, weiblich, von Westfalen um den Bodensee herum
Ich fühle mich deutsch, weil ich mit diesem Hintergrund sozialisiert wurde, christlich evangelisch, aber nicht besonders fromm, das ist meine Identität, ich habe keine andere. Deutsche in Europa, Europäerin mit Blick über die Grenzen, das finde ich gut. Wären meine Eltern Franzosen oder Holländer, wäre ich eben das. Was meine Großeltern und Urgroßeltern waren und geschaffen haben, meine Vergangenheit, das ist meine Identität.
Während der Schulzeit habe ich mich geschämt für das 3. Reich, das wurde uns so vermittelt, und das finde ich auch O.K. – Patriotismus konnte da nie aufkommen. Mit 15 wollte ich mal ein Jahr lang Trecker fahren im Kibbuz, das war so meine Vorstellung, um einen Teil dieser Erbsünde abzutragen. Aber jetzt bin ich gerne wieder deutsch.
In der Schweiz hat sich meine Familie nie richtig heimisch gefühlt, obwohl wir natürlich gut integriert waren. Unsere Tochter, die in der Schweiz die Schule besuchte, wollte später unbedingt in Deutschland studieren und lebt in Berlin. Heute weigert sie sich, mit Schweizer Freunden schwyzertütsch zu reden, obwohl sie das natürlich fließend kann.
Hier am Bodensee sind wir natürlich über die Jahre völlig alemannisiert, das ist ein anderer Lebensstil als am Teutoburger Wald. Das ist jetzt unsere zweite Identität.
Wir lieben eigentlich alles an Deutschland außer Gartenzwergen und Oktoberfesten. Wir lieben die deutschen Landschaften von Nord bis Süd, wir leben gerne hier. Besonders lieben wir die Berge und den deutschen Wald. Ich glaube, das ist typisch für Deutsche, der Wald. Niemand liebt seinen Wald so, wie die Deutschen. Darum bin ich auch gerne Vorsitzende des örtlichen Wandervereins und bespaße die rüstigen Rentner. Das ist wohl richtig deutsch.
Aber auch Weltoffenheit, Demokratie, soziale Absicherung, Ordnung, Gründlichkeit und Zuverlässigkeit, das ist für uns Deutschland und so soll es auch bleiben.
Unser chilenischer Schwiegersohn kommt mir nach 25 Jahren Deutschland auch ziemlich deutsch vor. Also muss das doch auch ein bißchen abfärben, Berliner-multikulti-deutsch jedenfalls.
61, männlich, von Leverkusen nach Kleinmachnow
Mein Deutscher war immer die Figur des Heinrich Dorfmann aus dem Film “Der Flug des Phoenix”. Cool, bedacht, fähig. Während sich alle um ihn herum in emotionalen Auseinandersetzungen erschöpfen fasst er einen Plan und geht zielgerichtet an seine Verwirklichung, bis alle gerettet sind.
Ziemlich genau das Gegenteil von dem, was heutzutage als Ideal verkauft wird. Leider.
34, weiblich, bei Hamburg: den goldenen Mittelweg
Deutsch sein bedeutet für mich ganz persönlich, in diesem Land und seiner Geschichte tief, d.h. über Generationen, verwurzelt zu sein. Ich bin als deutsche Staatsbürgerin geboren und nur hier in Deutschland ist erst einmal mein Platz auf dieser Welt den mir niemand streitig machen (können sollte). Deutsche Staatsbürgerin zu sein ist quasi mein Geburtsrecht.
In anderen Ländern bin in Gast und benehme mich auch so. In Deutschland sollten wir Deutschen gegenüber unseren Gästen das Hausrecht haben, aber Ihnen gegenüber auch gastfreundlich sein, denn auch das ist ein deutscher Wert. Wer sich fragt ob es eine deutsche Kultur überhaupt gibt, der sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Deutschland ist meiner Meinung nach ein kulturell sehr reiches Land. Wir hätten allein aufgrund der Geschichte nach 1945 jedes Recht einen gesunden Nationalstolz zu haben. Beginnend mit dem Wiederaufbau und dem Wirtschaftswunder nach dem 2. Weltkrieg hat sich dieses Volk im wahrsten Sinne des Wortes selbst an den Haaren aus dem Sumpf zurück auf das politische Weltparkett gezogen. Auf diese kollektive Leistung unserer Nation (mit Unterstützung der Siegermächte) bin ich stolz, denn Deutschland hätte nachdem Desaster des 2. Weltkriegs auch als verarmter Bauernstaat enden können.
Man kann auch zu einem Deutschen werden, wenn man seine Wurzeln in einem anderen Land hat. Aber meist dauert das mehrere Generationen. Migranten der 1. und 2. Generation sind meist „Passdeutsche“, d.h. sie sind zwar rechtlich Deutsche aber kulturell und mental meist eher Angehörige der Herkunftskultur. Deshalb können diese Menschen trotzdem gut in die deutsche Gesellschaft integriert sein.
In Deutschland ist es kein Problem wenn man keine deutsche Abstammung hat. Es zählt viel mehr, was man leistet und was für ein Mensch man ist. Das ist auch typisch deutsch für mich.
Deutsch zu leben, bedeutet für mich in einer Gesellschaft zu leben, die grundsätzlich die gleichen Werte teilt und die die gleiche geschichtliche Vergangenheit hat. Diese gemeinsame Geschichte hat die Werte herausgebildet, die heute klischeehaft als „typisch Deutsch“ gelten. Werte wie Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Strebsamkeit, Sparsamkeit, Disziplin und Verlässlichkeit sind nicht exklusiv deutsch! Dennoch ist man meist hierzulande gut angesehen wenn man sie beherzigt.
Ich schätze an Deutschland die Sicherheit und den verlässlichen Wohlstand. Bis ca. Mitte 2015 habe ich gedacht und gehofft, dass es mit Deutschland immer so weitergeht. Leider beschleicht mich zunehmend eine existenzielle Zukunftsangst, die mir in Bezug auf den deutschen Staat bis jetzt fremd war. Unsere Politiker schenken unseren hart erkämpften Wohlstand (Stichwort Griechenlandrettung, Asylkrise) und unsere Freiheit (Stichwort Islamischer Terror) mit einer Bedenkenlosigkeit weg, dass einem übel wird.
Wie das Deutschland der Zukunft aussehen wird? Ich weiß es nicht!
Es ist bald Weihnachten und wenn ich mir etwas für dieses Land wünschen dürfte, dann dass es endlich lernt, nicht immer von einem Extrem in das andere zu pendeln, sondern beginnt politisch den „golden Mittelweg“ zu suchen. Deutschland erinnert mich politisch an ein Boot bei starken Wellengang. Anstatt dass alle an Bord versuchen das Gleichgewicht in der Mitte zu finden, stehen die meisten stur auf der linken Seite. Das Boot droht zu kentern. Da springen plötzlich viele Menschen, die die Gefahr erkennen, in das Boot und stellen sich auf die ganz rechte Seite in der Hoffnung, so ein Gleichgewicht zu schaffen.
Tatsächlich kommt das Boot nun erst recht vom Kurs ab und schwankt steuerlos hin und her. Wasser schwappt unkontrolliert in das Boot. Was wäre in dieser Situation zu tun? Es wäre die Aufgabe des Kapitäns, für Ordnung zu sorgen und die Menschen an Bord so aufzustellen, dass die Manöverierfähigkeit des Bootes wieder hergestellt wird. Dazu müssten die meisten Personen an Bord zurück in die Mitte des Bootes geholt werden.
Frau Dr. Merkel! Wenn Deutschland einen Kapitän hat, dann sind sie es! Tun sie das nötige um Deutschland vor dem Kentern zu retten. Ob das Boot links oder rechts umkippt ist sonst auch egal!
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