Das Rentenpaket: Wie der Bundestag die fünf Weisen ignoriert

Am Mittwoch nahm die Kanzlerin das Sachverständigenratsgutachten „gespannt“ entgegen. Heute beschließt der Bundestag das „demografieblinde“ Rentenpaket.

Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Dieses Jahr sah die Bundeskanzlerin der Übergabe des Jahresgutachtens durch den „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ (vulgo: Die fünf Weisen) gespannt entgegen. Vor wenigen Jahren hatte sich das deutlich despektierlicher angehört, als sie selbst, aber vor allem führende SPD-Politiker die Expertise des wissenschaftlichen Quintetts als verzichtbar eingestuft hatten, weil ihnen der Rat nicht genehm war. Doch am Mittwochvormittag nahmen fünf Regierungsmitglieder – neben der Kanzlerin auch Finanzminister Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil für die SPD sowie Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Gesundheitsminister Jens Spahn für die Union – im Bundeskanzleramt aus der Händen der fünf Weisen ein Gutachten entgegen, das es in sich hat.

Die Wachstumsraten sinken international aufgrund der Unsicherheit über die Zukunft der multilateralen globalen Wirtschaftsordnung. Die Stichworte sind mehr als bekannt: Protektionistische Handelspolitik und massive Widerstände gegen den Freihandel. National identifiziert der Sachverständigenrat vor allem die demografische Entwicklung als gewaltige Herausforderung, die Deutschland besonders trifft. Obwohl das Jahresgutachten nicht dramatisiert, läuten die fünf Weisen doch den Abschied von einer der längsten Konjunkturaufschwünge Deutschlands ein. Nach bald zehn Jahren stottert der Konjunkturmotor, weshalb die fünf Weisen ihre Prognosen für die Wachstumsraten deutlich reduziert haben.

Das Jahresgutachten enthält, wie üblich, deutliche Ratschläge für die Regierung, wie sie die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes signifikant erhöhen kann. Von der Forderung nach einer kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlags bis zu einer Abschaffung der regulatorischen Privilegierung von Staatsanleihen in den Bankbilanzen reicht der Kanon der Ratschläge. Dass viele Forderungen jährlich im Gutachten wiederkehren müssen, belegt weniger die Ideenlosigkeit der Weisen als die Ignoranz der Politik, die Ratschläge oft nicht nur nicht aufgreift, sondern geradezu konterkariert.

Das aktuellste Beispiel liefert die Politik heute, genau einen Tag nach der Überreichung des Gutachtens. Denn „demografieblind“ nennt das Gutachten die aktuelle Rentenpolitik der Bundesregierung. Mit der Mütterrente II und der doppelten Haltelinie bei Beitragssätzen und Rentenniveau betreiben Union wie SPD eine gigantische Lastenverschiebung auf die jüngeren Generationen. Demografiefest würde das umlagefinanzierte Rentensystem nach Ansicht der Sachverständigen nur durch eine langfristige Koppelung des Renteneinrittsalters an die fernere Lebenserwartung, wie es skandinavische Länder bereits seit Jahren praktizieren sowie einen Verzicht auf neue Leistungen wie eben die Mütterrente II.

Doch was scheren Politiker schon die Mahnungen aus der Wissenschaft. Nicht einmal die von der Regierung selbst zur unabhängigen Beratung eingesetzten Sachverständigen können auf Gehör hoffen. Doch so prompt wie dieses Mal werden sie selten ignoriert. Denn heute Vormittag beschloß der Bundestag mit den Stimmen der Union und der SPD ein Rentenpaket, das die Ausgaben der Rentenversicherung in den kommenden 7 Jahren um knapp 40 Milliarden Euro erhöht. Euphemistisch heißt das Gesetz übrigens: „RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz“. Eine Konsequenz dieser Entscheidung lässt die Lastenverschiebung von Alt auf Jung besonders deutlich werden. Nach geltendem Rentenrecht wären die Beitragszahler ab Januar 2019 um 0,4 Prozentpunkte oder insgesamt 6 Milliarden Euro entlastet worden. Doch diese Entlastung entfällt ersatzlos, weil die Mütterrente II bezahlt werden muss.

Bar jeder Vernunft leugnen die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen die Fakten. Denn die Babyboomer gehen in großer Zahl in der ersten Hälfte des nächsten Jahrzehnts in Ruhestand. Weil aber die zusätzlichen Ausgaben der Rentenversicherung mit Beiträgen und Steuern bezahlt werden müssen, wird der aktiven Generation dann noch weniger Netto vom Brutto bleiben. Schon heute entziehen sich Zigtausende gut ausgebildete junge Deutsche dieser hohen Finanzierungslast, indem sie auswandern oder ihre Arbeitsleistung reduzieren, weil es sich nicht lohnt.

Doch ohne leistungswillige und -fähige junge Kohorten werden sich die Seniorenjahrgänge nicht über die Aktion Abendsonne der Bundesregierung freuen können. Wo weniger erwirtschaftet wird, wird irgendwann auch weniger verteilt werden. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

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Kommentare ( 62 )

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vise
6 Jahre her

Ist es Dummheit und Unfähigkeit oder Absicht, was steckt dahinter, dass eigentlich intelligente Menschen so was tun?

Mareike
6 Jahre her

Die Hauptungerechtigkeit bei der Mütterrente liegt darin, dass sie aus dem solidarischen Rententopf finanziert wird. So bekommen Mütter diese, die selbst nie oder deren Kinder nie in diese eingezahlt haben, weil (Anwälte, Ärzte, Apotheker, Architekten und viele Selbständige). Der Rententopf dieser Berufsgruppen wird nicht zur Finanzierung mit herangezogen. Das ist ein Skandal.

vise
6 Jahre her
Antworten an  Mareike

Kompletter Unsinn. Schauen Sie mal auf den wachsenden Zuschuss aus Steuermitteln für die Rentenversicherung und dann vergleichen Sie mal, was die von Ihnen genannten Berufsgruppen im Vergleich zu Ihnen an Steuern bezahlen im Lauf ihres Berufslebens. Der Fehler ist mal wieder, dass gesellschaftliche Schichten gegeneinander ausgespielt werden und der Hauptschuldige dabei zuschaut.

Jedediah
6 Jahre her

Neinnein, die Politiker verhalten sich strategisch richtig. Sie machen das, was ihnen Wahlstimmen bringt. Sie erzählen den Wählern die rührigen Geschichten „Wir schaffen das“, die der Wähler nun mal hören will. Und komme jetzt bitte niemand mit dem „kritischen Bürger“ oder so etwas, das hängt mir zum Halse heraus. Die können sie mit der Lupe suchen im Meer der Inkompetenten. Die freuen sich ja auch einen Ast, dass wahnwitzige Steuergelder von Millionen wirtschaftsuntauglicher goldener Refugees verfuttert wird. Rechtspopulistische Politiker a la Trump und Bolsonaro mit rechtspopulistischer Massenmedienunterstützung wären dringend nötig. Das sind die Signale, die die Völker zu hören vermögen.

Th.F.Brommelcamp
6 Jahre her
Antworten an  Jedediah

Freibier für alle-Wähler, wählen Freibier für alle Anbieter-Partei! Und die bleiben dadurch länger am Trog. Klassische Sozialisten Strategie.

Hartholz
6 Jahre her

Ich frage mich, wie lange dieses Dilettantenkabarett noch ungstraft werken darf.
Würde diese Regierung eine Firma repräsentieren (was sie genau genommen auch tut), wäre der ganze Vorstand aufgrund seiner Finanzpraktiken in kürzester Zeit verhaftet.

Th.F.Brommelcamp
6 Jahre her
Antworten an  Hartholz

Deshalb werden die Firmenchefs nicht von ihren Arbeitern gewählt, da diese meist keine Qualifikation und Durchblick dafür haben. Sozialismus hat es anders probiert.

Axel Latka
6 Jahre her

Die Rentengeschenke kosten gerade einmal 40Mrd € in 7 Jahren. Angesichts der Lasten die aus dem Euro, der illegalen Masseneinwanderung und der Energiewende entstehen ist das Kleingeld. Nach Schätzungen von Prof. Raffelhüsschen werden die langfristigen Kosten je Migrant mehr als 400.000 € betragen. Bei 150.000 Schutzsuchenden ergibt sich jährlich eine Summe von 60 Mrd. €. Allein im Epochenjahr 2015 dürften Kosten zwischen 600Mrd. und 800Mrd. induziert worden sein. Dazu die Targetsalden von einer Billion €, Rettungsschirme in dreistelliger Milliardenhöhe und eine Energiwende die zwischen 1 und 2 Billionen kosten wird. Es gibt also überhaupt keinen Grund irgendwo im sozialenm Bereich… Mehr

daniel.jungblut
6 Jahre her

Schon in der ersten DDR hat das mit der Planwirtschaft und dem ökonomischen Sachverstand der Planer so seine Tücken gehabt. Wieso sollte das jetzt in der neuen DDR besser sein? 1+1=2? Viel zu anspruchsvoll für unsere namenstanzenden Polit-Koryphäen. Zudem finden sich die linken Machhaber in dem Wahn vereint dass man ja gerade leistungswillige und -fähige junge Kohorten aus den Armutsgebieten der Welt importiert – alle Probleme also gelöst sind. Für die paar verbohrten/uneinsichtigen Kritiker (aka. Nazis) gibts ja dann demnächst erst Zensur, gefolgt von Berufsverboten und dann Umerziehungslager, schliesslich Killing Fields. Für jene die ob der Zukunftsaussichten gerne auswandern würden… Mehr

Joachim
6 Jahre her

Die Rente könnte funktionieren, wenn man ein einfache Prinzipien beachten würde: a) Jeder bekommt soviel heraus, wie er (nach demographisch zu erwartender Lebensdauer bei Renteneintritt) eingezahlt hat. b) Sämtliche Geschenke (wie Mütterrente) sind 1:1 aus Steuern zu finanzieren. c) Der Rentenbeitrag ist konstant, also sagen wir bei 20% d) Die Rentenhöhe ist konstant. Natürlich bezogen auf die Einzahlungen. Wer 45 Jahre Rentenbeiträge mit Durchschnittsverdienst bezahlt halt („Eckrentner“), bekommt 50% vom jeweiligen Durchschnittsbrutto als Rente. e) Überschüsse aus Zeiten mit wenig Rentnern und vielen Einzahlern (ja, die hatten wir) werden auf die Seite gelegt, um die Zeit mit vielen Rentner zu… Mehr

Philokteta
6 Jahre her

Ich kann es bald nicht mehr hören, das -die Alten leben auf Kosten der Jungen- oder so ähnlich. Daß einmal die Babyboomer in Rente gehen, dürfte ja schon länger bekannt sein. Da hätte man vorsorgen können, um das bezahlen zu können. Irgendwann sind dann ja auch die Babyboomer verstorben und es pendelt sich wieder ein. Aber, statt das alles richtig zu regeln, holt man lieber Menschen ins Land, die uns 40-50 Milliarden pro Jahr kosten. Und kein Ende in Sicht. Wo bleibt da der Aufschrei der Jungen? Wie kann man da von „zu teuer“ reden, wenn es um die Rentner… Mehr

Joachim
6 Jahre her
Antworten an  Philokteta

„Aber, statt das alles richtig zu regeln, holt man lieber Menschen ins Land, die uns 40-50 Milliarden pro Jahr kosten. Und kein Ende in Sicht. Wo bleibt da der Aufschrei der Jungen?“ Richtig. Bei der Rente heißt es immer „zu teuer“. Aber wenn hier mal 1, 2 Millionen illegal die Grenze überqueren, sind dutzende Milliarden pro Jahr auf einmal „verfügbar“. Die hätte man lieber für die Rente der Babyboomer gespart. Dann gäbe es auch kein Rentenproblem. Die Durchschnittsrente liegt derzeit bei ca. 800 Euro pro Monat. Bzw. ca. 10.000 Euro pro Jahr. Ein Jahrgang mit 1 Million Rentnern (ca. bei… Mehr

Grumpler
6 Jahre her
Antworten an  Philokteta

@ Philokteta: Es ist aber nunmal so. Die Babyboomer mussten nur soviel einzahlen, daß es für die Altersversorgung ihrer Elterngeneration reichte. Diese Alterversorgung ihrer Eltern haben sie sich auch noch mit Geschwistern geteilt. Die Babyboomer selber haben zuwenige Kinder bekommen, die nun fehlen. Nicht geborene Kinder haben nunmal ihrerseits keine Kinder. Die heutige junge Generation mit vielen Einzelkindern muß diese Babyboomer, die es viel einfacher hatten, demnächst unterstützen. Zugleich müssen sie auch noch für sich selber vorsorgen. Bei den Belastungen ist eine Kehrtwende der Geburtenrate bestimmt nicht mehr zu erwarten. Da pendelt sich erstmal nichts wieder ein. Bei einer bestanderhaltenden… Mehr

mathilda
6 Jahre her

Nach einem gelungenen Lehrgang eines sehr talentierten Lehrgangsleiters:“… super, hat mich sehr gefreut, bis zum nächsten Mal!“ Die Antwort: „Das war hier meine letzte Schulung, wir wandern aus nach Norwegen und sitzen sozusagen schon auf gepackten Koffern. Seit ca. drei-vier Jahren träumen wir davon, seit zwei Jahren ist es konkret und wir lernen die Sprache, seit einem Jahr steht auch das genaue Ziel fest.“ „?“ “ Nur 33 Stunden Arbeit, statt 48, mehr Geld …, aber das ist es nicht alleine. Wir sind auch jetzt schon mindestens 5-6 Mal im Jahr dort, wenn auch nur für einige Tage. Einfach mal… Mehr

Thorsten
6 Jahre her

Die Politik versucht verzweifelt nun noch die Rentner mit Geschenken zu ködern.

Das die junge Generation die Quittung bezahlt ist sachlich richtig, denn die junge Generation wollte MASSGEBLICH die Merkelsche Massenmigration. Quasi als Ausgleich für diesen Kostenblock werden die Rentner mit ähnlichen Summen bedacht.

Eine spezielle „Generationengerechtigkeit“ mit der Deutschlands Zukunft „vernascht“ wird.