Bestsellerautor Yahya Hassan: Der tiefe Fall des dänischen Vorzeigeeinwanderers

Wenige Jahre vor der Zuwanderungskrise erzählt ein junger dänischer Autor, was hinter den Türen muslimisch geprägter Ghettos passiert und über das Gastland gedacht wird. Heute ist der Shooting-Star tief gefallen und fast vergessen. Dabei ist seine Lyrik heute noch wichtiger als im Erscheinungsjahr.

THOMAS LEKFELDT/AFP/Getty Images

Erst das dänische, dann noch viel mehr das deutsche Feuilleton: 2014 war das Jahr des dänischen Autors Yahya Hassan. Er wurde zum Shooting Star der europäischen Literaturszene. Hassan ist heute 23 Jahre alt: aufgewachsen im Migrantenviertel Trillegård im Westen von Aarhus/Dänemark.

Der Klappentext seines Bestsellers „Yahya Hassan, Gedichte“ erzählt davon, dass der junge Yahya regelmäßig von seinem Vater verprügelt wurde, dass er früh kriminell wurde und dann in einer Besserungsanstalt begann, Gedichte zu schreiben. Später wird sich eine mehr als doppelt so alte dänische Pädagogin und offizielle staatliche Kontaktperson um Yahya kümmern, ihm die Literatur näher bringen, aber nicht nur das: Sie macht sich den 16-Jährigen wohl zu so etwas, wie ihrem persönlichen Latin-Arab-Lover. Der Autor hat auch darüber in seinem Gedichtband geschrieben.

Kein geringerer als der Kulturchef der Zeitung „Politiken“, Jes Stein Pedersen, befand kurz nach Erscheinen: „Er ist der wichtigste Dichter unserer Zeit, der (…) die gesellschaftliche Kraft der Literatur in der Gesellschaft bewiesen hat.“

Als die deutsche Übersetzung veröffentlicht wurde, konnte auch der linke Journalist und Spiegel-Autor Tobias Rapp seine Begeisterung kaum zügeln, nein, er flippte regelrecht feuilletonistisch aus, als er befand: „Yahya Hassan ist so etwas wie der letzte romantische Dichter Europas … Ein Held.“

Das muss man sich vorstellen: Während der charismatische Norweger und Neo-Autobiograf Karl Ove Knausgård mit seinem über 4.000 Seiten langen Mammutwerk „Min Kamp“ sein Land im Sturm erobert und später auch weltweit für Furore sorgt, kommt in Dänemark ein kaum zwanzig Jahre alter Sohn palästinensischer Flüchtlinge mit einem schmalen Gedichtband zu Ruhm und Ehren.

Weitere prominente Journalisten wie Volker Weidermann waren voll des Lobes. Weidermann gelingt es vor Begeisterung kaum noch, Werk und Autor zu trennen, wenn er nach einem Treffen mit dem Debütanten enthusiastisch aufschreibt: „Er setzt die Sonnenbrille auf, geht kurz rauchen, von den Männern begleitet. Dann liest er. Es klingt wie ein Gebet, wie ein Gesang. Er steht da, in der riesigen Sonnenhalle, sein schwarzes Buch in der Hand. Was für ein Dichter! Ich lehne mich etwas abseits an eine Mauer.“

Und Weidermann hatte sogar recht damit. Wer über das geschriebene Wort hinaus in den Sog der Gegenwart und des gesprochenen Wortes Hassans (er liest auf dänisch, aber was für ein Dänisch das dann ist!) geriet, der konnte sich insbesondere als Europäer kaum entziehen.

Machen wir einen Sprung in die Gegenwart, ins Jahr 2018. Dänische Zeitungen melden, der 23-Jährige sei auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie eingewiesen worden, zuvor hatte er vor Gericht wohl weitere 42 (zweiundvierzig) Straftaten gestanden. Schon 2016 wurde der Autor schon einmal zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, nachdem er einen 17-Jährigen angeschossen hatte. „Star-Dichter muss ins Gefängnis“ titelte damals die Frankfurter Rundschau und schrieb: „Auf den steilen Aufstieg ist ein genauso steiler Abstieg gefolgt. Der Jubel, als Yahya Hassan die im Populismus erstarrte dänische Debatte um Zuwanderung und Integration wieder antrieb, ist verstummt. Am Ende blieben die 35 Anklagepunkte.“

Was hier allerdings nicht verschwiegen werden darf, der islamkritische junge Autor wurde seit Veröffentlichung seines Buches von Islamisten verfolgt und von einem wegen islamistischen Terrors Vorbestraften zusammengeschlagen. Diverse Jugendgangs mit arabisch-muslimischen Hintergrund machten seitdem Jagd auf ihn, seine innere Dämonen kamen noch hinzu. Wegen Morddrohungen stellte der Geheimdienst dem Dichter zeitweilig zwei Leibwächter zur Seite. Während der Haft gelobt er sich selbst Besserung, aber in den Folgejahren kamen dutzende weitere Straftaten hinzu. Nun der so bittere Gang in die Psychiatrie.

Bei Hassans Ullstein Verlag steht bis heute ein Zitat des Autors: „Mein Name ist Yahya Hassan und meine Eltern wünschten ich wäre nicht geboren und ich wünschte das gleiche für sie.“ Kommen wir also über dieses traurige Schicksal eines Hochgelobten noch einmal zu seinem Gedichtband zurück. Weitere Bücher waren angekündigt, aber es blieb bei diesem einen 170 Seiten starken Band. Eine dänische Zeitung, mit der wir sprechen, fasst Hassans Schicksal kurz und knapp auf englisch zusammen: „rise and fall“.

Auch die Tagesthemen nahmen sich 2014 des Autors an. Und wer sich 2018 diesen Beitrag noch einmal anschaut, der staunt über eine Berichterstattung, die so heute kaum noch denkbar wäre. Zwischen damals und heute liegt die Zuwanderungskrise, liegt eine endlose Reihe europäischer Verwerfungen rund um die Frage, wer da eigentlich zu uns kommt und liegt eine Anspannung, die sich in Anfällen von politischer Korrektheit Luft machen, die so einen Beitrag heute wohl verhindert hätten.

Ein Bericht, der etwas erzählt über Parallelgesellschaften, über den Missbrauch von Willkommenskultur, wenn Clas Oliver Richter, Autor des Tagesthemen-Beitrags, berichtet, Yahya Hassan hätte aufgeschrieben, wie das wirklich ist, wenn Migranten gestrandet sind und die Regeln ihres Gastlandes einfach nicht akzeptieren wollen, „ihre Frauen und Kinder schlagen, stehlen und am Freitag brav in die Moschee gehen zum Beten.“

Richter lässt Hassan 2014 im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen erzählen: „Sie flüchten vor Krieg und Verfolgung. Und das Land, das ihnen Schutz und Hilfe anbietet, diesen Staat und seine Bevölkerung betrachten sie als ungläubig.“ Sätze, die heute einer Zensur zum Opfer fallen könnten, wenn Migranten immer noch so sein sollen wie gewünscht und nicht wie tatsächlich angekommen.

Hassan las in den Tagesthemen ein Gedicht vor aus dem Alltag von Migranten in Dänemark. Aus seinem Alltag:

„Fünf Kinder in Aufstellung und ein Vater mit Knüppel,
Vielflennerei und eine Pfütze mit Pisse.“

Dänemark ist das Land der Mohammed-Karikaturen, gezeichnet von einem Dänen, der schon länger dort lebt. 2013 kam ein junger gefeierter Autor aus der muslimisch geprägten Migrantenszene dazu, ultrakritisch über die Zuwanderung dieser archaisch geprägten arabischen Elterngeneration zu berichten. Der heute 23-Jährige, so über die Maßen begabte Autor, sitzt heute in der Psychiatrie, was wirklich ein Jammer ist.

Was also über diese einzigartige lyrische Auseinandersetzung mit der Migrationsgeschichte der Elterngeneration zu einer besonders erfolgreichen Integrationsgeschichte hätte werden können, endete in einem totalen Desaster. Der laute Hilfeschrei des fast noch jugendlichen Autors wurde literarisch überhöht und als so etwas wie eine neue Melange aus europäischer und orientalischer Literatur missverstanden. Diese alte Sehnsucht vom Okzident, der auf den Orient trifft, führte sogar so weit, dass sich eine staatlicherseits bestellte weibliche Kontaktperson schuldig machte an dem staatenlosen Palästinenser mit dänischem Pass, als sie sich dem Schutzbedürftigen über ihren eigentlichen Auftrag hinweg annährte.

Und mit dieser Episode im Leben des Yahya Hassan ist auch alles gesagt. Er selbst wollte etwas davon erzählen, wie schwer es heute für hier geborene oder aufgewachsene Kinder von Migranten aus muslimisch geprägten Familien ist, sich aus freien Stücken mit ihrer neuen Heimat zu identifizieren, wenn diese Heimat nicht von den Eltern angenommen wird. Wenn die alte Heimat immer wieder mit dem Knüppel auf diese Kinder einschlägt, wenn sich die Schwester des Autors unter den Schlägen des Vater regelmäßig einpinkelt, während die Mutter im Flur verzweifelt Geschirr zerschlägt.

„Die Schwester am Springen von dem einen Fuss auf den anderen. Die Pisse ein Wasserfall ihre Beine hinunter. (…) Ein Schlag, ein Schrei, eine Zahl. 30 oder 40, manchmal 50.“

2014 war der Gedichtband ein großer Erfolg. Aber ihn 2018 noch einmal zu lesen kann eine Offenbarung werden. Bitte lesen Sie erneut oder zum ersten Mal „Yahya Hassan – Gedichte“, erschienen bei Ullstein.

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Kommentare ( 31 )

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Gerro Medicus
6 Jahre her

Bei der Story fühle ich mich doch etwas an den Fall Jack Unterweger erinnert, der obwohl überführter Mörder (das ist hier nicht der Fall, er ist „nur“ Intensivtäter) als Schriftsteller plötzlich hohes Ansehen genoss, bis, ja bis er wieder mordete. Die Katze lässt das Mausen nicht, und es gibt viele Menschen, die trotz oder sogar wegen ihrer schweren Kindheit nützliche Mitglieder unserer Gesellschaft und keine Straftäter geworden sind. Schwere Kindheit ist nur eine laue Ausrede für Charakterlosigkeit und Mangel an Anstand, sonst nichts Lobhudeleien sind also völlig unangebracht, ebenso das Erstaunen, dass der Vorzeigemigrant doch dem Einfluss seiner Kultur erlegen… Mehr

MartinS
6 Jahre her

Hier zeigt sich, wie effektiv die Gehirnwäsche ist. Yahya Hassan ist vermutlich an der Kluft die unsere Kulturen trennt zerbrochen. Das Verhalten seines Umfelds nach Erscheinen seines Buches ist ein Beleg dafür, dass Familiennachzug für die Integration kontraproduktiv ist. Eine Tatsache, von den Grünen ignoriert, aber in meinem persönlichen Umfeld klar erkennbar. Und das Problem Yahya Hassan zu Schützen zeigt die Schwäche der westlichen Staaten. Yahya Hassans Geschichte zeigt auch, dass ein gedeiliches Zusammenleben beider Kulturen nicht möglich ist. Dies haben mich schon vor Jahren allein Urlaubsreisen nach Mauritius gelehrt. Wer das Ressort verlässt und mit Einheimischen redet, erfährt schnell,… Mehr

Wolkendimmer
6 Jahre her

Wenn das die Realität ist, künftig sein wird, was dieser Herr Hassan da beschreibt, na dann gute Nacht Deutschland. Ist es das worauf sie sich so maßlos freuen Frau Göring und Frau Roth?
Schönen Dank auch!

Sonny
6 Jahre her

Wenn selbst Menschen, die ihre Eltern derart hassen, dass sie ihnen wünschen nie geboren worden zu sein, trotzdem den Sprung in die andere Welt nicht schaffen, ist das ein Paradebeispiel dafür, wie absolut aussichtslos eine gelungene Assimilation zu erwarten ist. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Ausnahmen sind äußerst gering und bestätigen die Regel.

zaungast
6 Jahre her

Ich kenne den Gedichtband nicht. Es fällt zudem immer schwer, Lyrik ohne differenzierte Kenntnis der Originalsprache angemessen zu beurteilen. Die Schilderung des deutschen Feuilletons 2014 zeigt aber ein Phänomen auf, das sich seitdem nur noch verstärkt hat: dem Unwillen und vielleicht auch die Unfähigkeit, ästhetische und politische Kritik trennen zu können. Die Sparte Kulturkritik der meisten Medien ist inzwischen der Tummelplatz politisch korrekter Aktivisten geworden – von offener Tumbheit á la TTT bis zu den eher feinsinnigen Hinrichtungen in sogenannten Intelligenzblättern. Wenn die Methode „Überführung als Rechtspopulist“ (Fälle: Maron, Tellkamp, Sloterdijk etc.) nicht so recht funktionieren will, dann: Verschweigen. Die… Mehr

Ecke
6 Jahre her

Wozu in die Ferne schweifen, wenn das Schlechte liegt so nah? Inklusive der SPD Sawsan Chebli.
https://www.epochtimes.de/politik/deutschland/wegen-sexueller-belaestigung-vorzeigemigrant-aras-b-vor-gericht-a2691946.html

W aus der Diaspora
6 Jahre her

Ein junger Mann auf der Suche nach sich selbst schreibt Gedichte. Gute Gedichte – aber er wird auf diese Dichtkunst reduziert.
Es hat wohl niemand begriffen, dass er auf der Suche nach seinem Weg zwischen den Welten war. Statt dessen hat man nur versucht ihn in eine Welt zu pressen von der er doch noch gar nicht wusste, ob er sie mag. Kein Wunder, dass er heute in der Psychiatrie ist.

josefine
6 Jahre her
Antworten an  W aus der Diaspora

Leider hatte der junge, talentierte Mann keinen Menschen, keinen Mentor, der ihm den Westen erklärt hat und der ihn langsam aus seiner Familie heraus geführt hat.
So wie ihm geht es wohl Tausenden von jungen Migranten, die noch nicht im neuen Land angekommen sind und von ihrem Umkreis, Familie und Moschee, keine Hilfe bekommen aber oftmals dazu gezwungen werden, das neue Land nicht zur Heimat werden zu lassen. Im Gegenteil, der Muslim ist Anhänger der einzig wahren Religion ind guckt auf die kuffar herab.
So wird Integration, ein Miteinander-Leben nie gelingen.

Patrick S
6 Jahre her

Ohne ihm unrecht tun zu wollen: spontan denke ich bei diesem Fall an Jack Unterweger, da gibt es einige Parallelen. Ich frage mich auch wie es möglich sein soll Kinder und Jugendliche aus diesem Umfeld in ein „westliches Weltbild“ zu integrieren. Schließlich werden sie – sollten sie zu sehr auf den Leim „der Ungläubigen“ gehen – sowohl zu Hause, als auch in der Moschee wieder auf Kurs gebracht. Ihre Cliquen, poppige IS-Propaganda und große Teile der Migranten – Hip Hop Szene tun ihr übriges. Dazu noch die Bestärkung durch rot/grüne Einflüsterer, daß sie bloß an „ihrer“ Kultur (im Gegensatz zu… Mehr

PUH
6 Jahre her

Yahya Hassan sollte die Blaupause der erfolgreich möglichen Integration sein. Soweit das (einzige) Geheimnis seines seitens der dänischen Migrationsbefürworter exzessiv protegierten Erfolgs. So etwas wie „Lyrik“ existiert(e) da schlichtweg nicht (ich habe das Büchlein seinerzeit nach weniger als einem Viertel Lektüre in den Papierkorb verbracht). Und das Frau Ostergaard sich an ihm „schuldig gemacht hat“, erkenne ich nicht. Möglicherweise war und bleibt sie die einzige (zudem noch halbwegs ansehnliche) weiße europäische Frau, der er sich in seinem Leben auf mehr als auf Armlänge nähern durfte. Ein Stück von dem Glück, das er sich gewünscht haben mag. Streichen wir den „Lyriker“,… Mehr

linda levante
6 Jahre her

Wie oft Gewalt gegen Kinder in muslimischen Familien ausgeübt wird, ist nicht bekannt. Im Gegenteil, muslimische Familien behandeln ihre Kinder meist wie Götter, zumindest aber betrachten sie ihre Kinder als Nachfahren und Söhne Mohammeds. Sie sind die Zukunft des Islam. Sollte jedoch ein junger Mohammed oder eine junge Aischa mit dem Gedanken spielen, Fragen zu stellen oder gar die Seite zu wechseln, dann allerdings ist alles möglich, auch ein ehrenvoller Mord. Ich weiß nicht, was der gefeierte Dichter hinter dem Schleier so alles gehört hat, aber offenbar nichts Gutes über uns. Was hinter der Fassade der „Integration“ gesprochen wird, sollte… Mehr