Hans-Georg Maaßen: Die Rede im Wortlaut

Die inkriminierte Abschiedsrede des Verfassungsschutzpräsidenten vor Kollegen in Europa: Damit Sie sich selbst ein Bild machen können.

Odd Andersen/AFP/Getty Images

Die inkriminierte Abschiedsrede des Verfassungsschutzpräsidenten vor Kollegen in Europa: Damit Sie sich selbst ein Bild machen können.

„Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte mich heute aus diesem Kreis nach über sechsjähriger Zugehörigkeit von Ihnen verabschieden. Manche Abschiede sind geplant, z. B. wenn der Arbeitsvertrag befristet oder wenn eine bestimmte Altersgrenze erreicht ist, wie bei unserem Freund Rob, andere Abschiede sind nicht geplant und etwas überraschend, wie bei mir.

Die Vorsitzenden der drei Parteien, die die Bundesregierung in Deutschland bilden, Frau Merkel, CDU, Herr Seehofer, CSU, und Frau Nahles, SPD, hatten am 23. September beschlossen, dass ich als Präsident des Bundesverfassungsschutzes abgelöst werden soll. Damit ist eine Regierungskrise In Deutschland beendet worden. Die SPD hatte mit einem Bruch der Koalition gedroht, wenn ich weiter im Amt bleiben würde.

Hintergrund der Regierungskrise war die Tatsache, dass ich am 7. September gegenüber der größten deutschen Tageszeitung „Bild-Zeitung“ die Richtigkeit der von Medien und Politikern verbreiteten Berichte über rechtsextremistische „Hetzjagden“ bzw. Pogrome in Chemnitz in Zweifel gezogen hatte. Am 26. August 2018 war ein Deutscher von Asylbewerbern in Chemnitz getötet worden. Am gleichen Tage gab es Demonstrationen ìn Chemnitz gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung von normalen Bürgern[,] aber auch von Rechtsextremisten. Dabei kam es auch vereinzelt zu Straftaten. Am folgenden Tag und an den darauffolgenden Tagen stand nicht das Tötungsdelikt im politischen und medialen Interesse, sondern rechtsextremistische Hetzjagden gegen Ausländer. Diese „Hetzjagden“ hatten nach Erkenntnissen der lokalen Polizei, der Staatsanwaltschaft, der Lokalpresse, des Ministerpräsidenten des Landes und meiner Mitarbeiter nicht stattgefunden. Sie waren frei erfunden.

Ich habe bereits viel an deutscher Medienmanipulation und russischer Desinformation erlebt. Dass aber Politiker und Medien[,] „Hetzjagden“ frei erfinden oder zumindest ungeprüft diese Falschinformation verbreiten, war für mich eine neue Qualität von Falschberichterstattung in Deutschland. Ich hatte mich in der darauffolgenden Woche gegenüber der „Bild-Zeitung“ in nur vier Sätzen dazu geäußert, [I]ndem ich klarstellte, dass es nach Erkenntnissen aller zuständigen Sicherheitsbehörden keine derartigen rechtsextremistischen „Hetzjagden“ gab.

Gegenüber den zuständigen Parlamentsausschüssen stellte ich in der folgenden Woche klar, dass ein Kampf gegen Rechtsextremismus es nicht rechtfertigt, rechtsextremistische Straftaten zu erfinden. Die Medien sowie grüne und linke Politiker, die sich durch mich bei ihrer Falschberichterstattung ertappt fühlten, forderten daraufhin meine Entlassung. Aus meiner Sicht war dies für linksradikale Kräfte in der SPD, die von vorneherein dagegen waren, eine Koalition mit der CDU/CSU einzugehen, der willkommene Anlass, um einen Bruch dieser Regierungskoalition zu provozieren. Da ich in Deutschland als Kritiker einer idealistischen, naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik bekannt bin, war dies für meine politischen Gegner und für einige Medien auch ein Anlass, um mich aus meinem Amt zu drängen.

Aufgrund des schon erwähnten Beschlusses der drei Parteivorsitzenden werde ich mein Amt aufgeben, sobald ein Nachfolger bestimmt ist. Dies wird voraussichtlich in den nächsten Wochen der Fall sein. Bundesinnenminister Seehofer, der mich und meine Position in dieser politischen Auseinandersetzung sehr unterstützte und dafür selbst viel Kritik von den Medien erfuhr, möchte mich als seinen Berater bei sich behalten. Ob und unter welchen Bedingungen dies stattfinden soll, wird im Einzelnen in den nächsten Wochen geklärt werden müssen. Jedenfalls kann ich mir auch ein Leben außerhalb des Staatsdienstes zum Beispiel in der Politik oder in der Wirtschaft vorstellen. Ich hätte nie gedacht, dass die Angst vor mir und vor der Wahrheit Teile der Politik und Medien in solche Panik und Hysterie versetzt, dass vier Sätze von mir ausreichend sind, um eine Regierungskrise in Deutschland auszulösen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es fällt mir schwer, mich nach sechs Jahren von Ihnen zu verabschieden. Ich habe diesem Kreis sehr gerne angehört und habe in allen Sitzungen und bei allen Gesprächen ein hohes Maß an Kollegialität und an Solidarität festgestellt. Ich habe festgestellt dass wir die gleichen Ziele haben, die gleichen Werte teilen und gegen die gleichen Gegner von Freiheit und Demokratie kämpfen. Ich bin der Auffassung, dass wir in den letzten sechs Jahren viel erreicht haben. Viel auch für die Sicherheit meines Landes. Ich habe in den letzten Jahren viel Unterstützung von ihnen erfahren bei der Lösung unserer nationalen Sicherheitsprobleme und ich habe mich immer bemüht, Sie auch bei Ihrer Arbeit zu unterstützen, damit Ihre Länder und Europa sicherer werden.

Ich möchte Ihnen für all das danken. Danken möchte ich Ihnen auch für die vielen persönlichen und freundschaftlichen Momente, die ich erfahren durfte. Ich würde mich sehr freuen, auch nach dieser Zeit mit manch einem von Ihnen persönlich und privat in Kontakt bleiben zu können. Zuletzt möchte ich die Bitte äußern, dass Sie mit meinem Nachfolger die Zusammenarbeit in gleich intensiver Weise partnerschaftlich fortsetzen.

Danke für die Aufmerksamkeit!“

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Kommentare ( 133 )

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Lara Berger
6 Jahre her

Die Väter/Mütter des Grundgesetzes haben stets darauf geachtet, Mechanismen zu finden, die ein erneutes Aufkommen einer faschistischen Dikatur in Deutschland verhindern sollten. Dafür gebührt ihnen unser aller Dank. Leider haben die Schutzmechanismen Lücken, wie der Fall Maaßen zeigt. Der Schutz der Verfassung ist abhängig vom Willen der Parteien. Wenn sich nun also diese Parteien mehrheitlich darin einig sind, den Verfassungsschutz zu schwächen, damit ihre eigenen verfassungsfeindlichen Bestrebungen nicht ans Tageslicht kommen, dann können sie mühelos unsere freiheitlich-rechtliche Grundordnung beschädigen, indem sie einen Kandidanten in dieses so wichtige Amt hieven, der ihren verfassungswidrigen Bestrebungen (die Aufgabe staatlicher Souveränität zugunsten Brüssel, das… Mehr

CarolusMagnus
6 Jahre her

Nach dem Gekreische von Linken und Roten muss man sich um Herrn Maaßen große Sorgen machen?

Armin Reichert
6 Jahre her

Das selbsternannte Qualitätsblatt FAZ.net hat offensichtlich meinen Account gesperrt, weil ich in einem Kommentar zur Causa Maaßen die Frau Merkel als das bezeichnet habe, was sie ist: eine Lügnerin.

Man kommt sich inzwischen nicht nur vor, wie in der DDR 2.0, man ist mittendrin.

pcn
6 Jahre her

Maaßen hat es gewagt die Wahrheit auszusprechen. Wahr ist, dass die SPD, die Gewerkschaften eine deutliche Nähe zu Linksextremisten unterhalten, indem sie ideologisch wie finanziell aus Steuermitteln unterstützen. Damit ermutigen sie solche Gruppen wie die Antifa zum Beispiel zu schweren Gewalttaten und Sachbeschädigungen. Dass solche gefährlichen Gruppen gezielt gegen Andersdenkende in Stellung gebracht werden, das ist eine Tatsache, die von der Politik verschwiegen wird.

horrex
6 Jahre her

Wir BRAUCHEN solche Taboo-Brecher!!!
Noch weit mehr davon!!!
Link-grünes Gedankengut („Gefühl/Meinung dominiert Realität“) ist unglaublich T I E F ins kollektive Bewußtsein unglaublich vieler Menschen eingesickert. Hat sich dort breit gemacht. –
Ich nenne das einen „swing-back“ in voraufgeklärte Zeiten.
Nicht zuletzt der Überforderung so vieler Menschen durch die zunehmenden Komplexitäten dieser Welt geschuldet. –

Aljoschu
6 Jahre her

Die Widergabe der Geschehnisse in der Folge des Mordes in Chemnitz durch Herrn Maaßen halte ich für völlig plausibel und glaubwürdig. Ich sage das als politisch nicht organisierter Bürger, der ansonsten seiner Arbeit nachzugehen hat. Das Ansehen der Bundesrepublik und der Bürger der Stadt Chemnitz wurde durch das verlogene und schändliche Verhalten der Bundeskanzlerin nachhaltig beschädigt. Und die Art und Weise der Behandlung des obersten Verfassungsschützers, Herrn Maaßen, im Nachgang zu den Geschehnissen durch seine oberste Dienstherrin hat unserem Staatswesen nur noch einen weiteren Dolchstoß versetzt. Wo der Rücktritt der Kanzlerin eigentlich gefordert war, wurde einer ihrer obersten Beamten geopfert.… Mehr

horrex
6 Jahre her

Tja, wer die Wahrheit sagt „fliegt“!!!
Bis diese „Kultur“ ausgerottet sein wird wird es noch dauern.
FALLS sie jemals ausrottbar sein wird.
Ich sehe nicht, dass in unserer Parteien-Landschaft (von CDU bis „ganz Rot“ DAS kapiert hat. Die „Manipulation“ boomt. Gustave le Bon`s „Psychologie der Massen“ lässt grüßen.
Die Nutzung der Emotionssoziologie, die Nutzung der „Primitivität einer großen Zahl von Menschen“ lässt grüßen. Bis zur „Aufklärung“ ist es noch wesentlich weiter als ich in meinen bald 70 Lebensjahren JE befürchtet habe. –

Karli
6 Jahre her

Ich habe mir seine Rede aufmerksam durchgelesen und kann nichts finden, das ich nicht unterschreiben könnte.

Tesla
6 Jahre her

Maaßen wusste, was er mit seiner Rede tat – er wusste, dass und warum er entlassen werden sollte. Was in den Leidmedien mit „Verschwörungstheorie“ wieder durch das Dorf getrieben wird, nannte man in der DDR „staatsfeindliche Hetze“ – und natürlich wusste auch Maaßen, dass es linksradikale Kräfte in der SPD gibt. Es ist/war schließlich sein Job, davon zu wissen. Jeder, der noch über Erinnerungsvermögen verfügt, weiß noch, wie u.a. auch ein Bundespräsident ein Rockkonzert lobhudelte, auf dem linksextreme Bands ihre „künstlerische Dekadenz“ zum Besten geben – und er erinnert sich auch sich an den Zirkus des Parteitags der SPD zurück,… Mehr

Lara Berger
6 Jahre her
Antworten an  Tesla

Und was machen wir, wenn weite Teile der Bevölkerung, gemäß ihrer Herkunft und Religion sich nicht an diese Ordnung gebunden fühlt?
(Die „Angst vor Überfremdung“ ist nämlich in Wahrhheit eine reale Sorge um die Wahrung grundlegender Regeln)

Und wie genau soll eine Regierung zum Artikel 20/3 GG gezwungen werden?

Sonny
6 Jahre her

Danke für die Veröffentlichung.
Ich stimme mit Herrn Maaßen überein. Die Lügner und Betrüger fühlen sich ertappt. Einen anderen Grund für die Vernichtung eines honorigen Menschen gibt es hier nicht.
Und ich bin überzeugt, dieses Exempel soll jegliche andere Wahrheitsaussprecher abschrecken. „Entweder du trägst das alles mit oder wir vernichten dich.“
Quod erat demonstrandum.