Weltspartag: Als es nicht nur Luftballons gab

Der wesentliche Unterschied zwischen dem Euro und Bitcoin ist daher: scheitert der Euro, dann leiden alle darunter. Scheitert der Bitcoin, dann sind es nur diejenigen, die ihn in ihrem Depot halten.

© DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images

Was haben der Weltspartag und die Cryptowährung Bitcoin miteinander zu tun? Auf den ersten Blick eigentlich nichts. Bitcoins kann man nur schlecht in eine Spardose legen, allenfalls in eine Wallet auf dem Smartphone. Cryptowährungen eignen sich aber auch nicht für die klassische Vermögensbildung, mit der man Kindern das Sparen beibringt.

Auf den zweiten Blick gibt es aber durchaus Gemeinsamkeiten. So fand in dieser Woche nicht nur der Weltspartag statt, sondern vor genau 10 Jahren wurde das erste Whitepaper über Bitcoin veröffentlicht. Seitdem wurde der Bitcoin immer wieder totgesagt, kostet heute aber, trotz zahlreicher Kursturbulenzen, über 5.500 Euro. Der Bitcoin ist eine Erfolgsgeschichte. Der dahinterstehenden Blockchain-Technologie wird heute viel zugetraut. Erst letzte Woche traf sich die Community mit mehreren tausend Teilnehmern beim Crypto + ICO Summit im schweizerischen Zürich. Dort konnte man sehen, wie dynamisch die Szene ist und welche Anwendungsmöglichen die Blockchain künftig bietet. Sie reichen von der sicheren Übertragung von Eigentum, auch grenzüberschreitend, über die Hoheit über die persönlichen Daten, die auf der Blockchain sicher hinterlegt werden können, bis zur Vereinfachung und Verbesserung des Meldewesens von Banken gegenüber der Notenbank. Es steckt viel Musik darin. So wie heute das Internet ganze Branchen verändert, so wird vermutlich morgen die Distributed-Ledger-Technologie ganze Wirtschaftszweige revolutionieren. Hier stehen wir erst am Anfang.

Bitcoin statt Energiewende
Das Jahr 2008 war aber nicht nur die Geburtsstunde des Bitcoin, es war auch einschneidend für den Weltspartag. Denn bis vor 10 Jahren war dieser noch eine Wucht. Er hat eine lange Tradition. Seit den 1920er Jahre begehen die Sparkassen in ganz Europa dieses Ereignis. Er war lange eine super Marketingmaßnahme, um Eltern und Großeltern und deren Kinder und Enkelkinder zum Sparen zu animieren. Früher pilgerten am letzten Tag im Oktober Scharen in die Sparkassen- und Bankfilialen, um die Spardosen der Kleinen zu leeren. Die gesammelten DM- bzw. heute Euro-Münzen wurden auf das Sparbuch einbezahlt. Die Kinder bekamen Luftballons und Geschenke. Aber der pädagogische Wert lag eigentlich darin, den Kinder zu zeigen, was es bringt, zu sparen und Konsumverzicht zu leisten. In den 1970er Jahren gab 4 bis 5 Prozent Zinsen pro Jahr auf dem Sparbuch. Ja, auch die Inflation war damals eine andere als heute, aber die Kinder, deren Eltern und Großeltern hatten das Gefühl, dass es sich lohnt zu sparen.

Seit 2008 ist das anders. Seitdem geht der Sparbuchzins in den Keller. Heute gibt es nichts mehr. Allenfalls einen Luftballon für die Kinder. Die Ursache für den rapiden Rückgang liegt in der Geldpolitik der Notenbanken: mit Beginn der Finanzkrise Anfang 2008, als sie ihre Leitzinsen in kurzer Zeit auf fast Null senkten. Seitdem hat die EZB ihn nicht mehr erhöht und gleichzeitig mit Billionen neugedruckten Euros die Schulden von Staaten und Banken aufgekauft.

Bittere Zahlen
Euro-Opfer Griechenland – grausige Lage und verlorenes Kapital
Bis zum Herbst nächsten Jahres will EZB-Präsident Mario Draghi diesen Zustand einfrieren. Dass sein Nachfolger diese Politik ändert, darf man sich wünschen, wahrscheinlich ist es jedoch nicht. Der Grund ist die aktuelle Situation in Italien. Würden die Zinsen in Italien nur auf 5 Prozent steigen, dann würde sich der Zinsaufwand der Regierung in Rom von 4 auf 6,5 Prozent des BIP erhöhen (laut Flossbach von Storch Research Institute). Es würde die Haushaltssituation Italiens dramatisch verschlechtern. Vielen ist nicht bewusst, dass die Situation Italiens heute schlimmer ist als bei Griechenland 2010. Die Arbeitslosigkeit ist höher und die Staatsverschuldung auch. Die Wettbewerbsfähigkeit Italiens hat erheblich nachgelassen. Bestes Beispiel ist die Automobilindustrie. Während Ende der 1980er Jahre fast 2 Millionen Autos in Italien vom Band liefen, sind es heute gerade mal noch rund 750.000. Diese auch für Italien wichtige Industrie produziert heute Stückzahlen auf dem Niveau der frühen 1960er Jahre. Heute liegt die Wirtschaftskraft Italiens noch deutlich unter dem Stand von 2008 und die Industrieproduktion liegt sogar unter dem Niveau von 1990. Kein Wunder, dass in diesem Umfeld die faulen Kredite für die Banken (18,6 Prozent im ersten Quartal 2018) ein Problem sind. Nur die Nullzinspolitik der EZB und der Anleihenkauf der italienischen Notenbank sichert aktuell die Zahlungsfähigkeit des Staates, und die Vollzuteilung der EZB die Liquidität der Banken. Mit einem Austritt Italiens muss man sich daher beschäftigen. Denn ein Programm wie es Griechenland seit 2010 durchlebt hat, würde auch Italien „Weimarer Verhältnisse“ bescheren. Es wäre eine Katastrophe für das Land – und für Europa.

Währungs- versus Haftungsunion
Die "Liraisierung" des Euro
Das Bitcoin-Whitepaper des Pseudonyms Satoshi Nakamoto war eine Antwort auf die Finanzkrise 2008 und die Politik der Notenbanken. Die Initiatoren wollten ein elektronisches Zahlungssystem schaffen, das ohne Banken und Notenbanken auskommt. Es sollte weltweite Zahlungen von einer Partei zu einer anderen Partei ermöglichen. Bitcoins sollten durch ein dezentrales Netzwerk fälschungssicher sein. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass jede Transaktion in einer Blockchain unveränderbar veröffentlicht wird. Die Anzahl der Bitcoins sollte auf 21 Millionen begrenzt werden, so dass eine Inflationierung der Geldmenge nicht möglich ist. Bitcoin macht alles das, was das staatliche Geld nicht tut. Es basiert nicht auf dem Vertrauen in den Staat und seine Notenbank, in der Hoffnung, dass Mario Draghi und seine Mitstreiter alles richtig machen, sondern auf einer Verteilung der Macht auf viele. Das Misstrauen gegenüber der Machtkonzentration auf wenige, die vermeintlich mehr Wissen über die Zukunft haben, hat Bitcoin hervorgebracht. Zentrale Modelle wie der Euro haben den wesentlichen Nachteil, dass man ihnen nur sehr schwer entkommen kann. Die Sparbuchhalter und diejenigen, die in Festgelder investiert sind, wissen das. Sie sind Gefangene der EZB und Mario Draghis. Sie können nicht fliehen. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Euro und Bitcoin ist daher: scheitert der Euro, dann leiden alle darunter. Scheitert der Bitcoin, dann sind es nur diejenigen, die ihn in ihrem Depot halten.

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Kommentare ( 10 )

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Juergen Daeubler
6 Jahre her

„Die Sparbuchhalter und diejenigen, die in Festgelder investiert sind, wissen das. Sie sind Gefangene der EZB und Mario Draghis. Sie können nicht fliehen.“ Sehr geehrter Herr Schäffer; das ist nicht richtig. Niemand wird dazu gezwungen an seinem Sparbuch festzuhalten. Es steht jedem frei sein Vermögen, wie groß oder klein es auch sein mag, aus dem Niedrigzinsgefängnis der Euro-Festgeldanlage zu befreien, und es in Schweizer Franken, Norwegische Kronen, Gold, Unternehmensanleihen, oder was auch immer zu investieren. Einzig die Trägheit und Unkenntnis der deutschen Bevölkerungsmehrheit sorgt dafür, daß nicht schon längst eine Kapitalflucht historischen Ausmaßes stattgefunden hat. Parallelen zum politischen Zustand dieser… Mehr

Manfred Gimmler
6 Jahre her

RICHTIG!
Und es bleibt dabei: Die krankhafte Abhängigkeit vom billigen Geld ist ebenso von zerstörerischer Kraft wie das symbiotische Verhältnis von Staaten und Banken.

Michael Theren
6 Jahre her

Das große Tabuthema, warum müssen sich die die Währungshoheit innehabenden Staaten das (ja kaum besonders „werthaltige“) eigene Geld von privaten, realen, sehr wohlhabenden Menschen mieten?

Man darf es nicht diskutieren, man darf es nicht benennen und doch ist es vermutlich der Schlüssel für fast alle globalen Probleme….

BK
6 Jahre her

Hätte der deutsche Fianzminister seinen Schuldenberg in den letzten 10 Jahren mit einem Zinssatz von 3% finanzieren müssen, hätte er dafür wenigsten eine halbe Billion Euro gezahlt. Es gäbe dann keine schwarze Null. Hat der Bürger davon was gemerkt, dass dieses Geld eingespart wurde, oder dass die Steuereinnahmen wie verrückt sprudeln? Nein, nicht im positiven Sinne. Statt dessen haben wir eine zusätzliche Billion Target 2 Verbindlichkeiten, die gegenüber Südeuropa uneinbringlich sind, und 2 Millionen hartzvierender Neubürger, welche wir auf Jahrzehnte aushalten werden. Liebe Kinder, gewöhnt euch also an den Zustand, dass es keine Zinsen auf Erspartes gibt, und mehr als… Mehr

W aus der Diaspora
6 Jahre her

„scheitert der Euro, dann leiden alle darunter. Scheitert der Bitcoin, dann sind es nur diejenigen, die ihn in ihrem Depot halten.“

Oder – mit anderen Worten: Es leiden immer nur alle die, die die jeweilige Währung, die scheitert, haben.

Ups – das ist nicht neu …

Andreas Mueller
6 Jahre her

Früher wurde auch noch groß Werbung für den Weltspartag gemacht. Heute dagegen gibt es nicht nur keine Zinsen mehr: Kinder mit vollem Sparschwein werden blöd angeguckt und ob des vielen Kleingeldes wieder weggeschickt. Oder sie müssen dafür bezahlen, dass eine externe Firma das Geld zählt.

Andreas Mueller
6 Jahre her

Wenn Sie jemandem Geld leihen, möchten Sie es doch auch zurück bekommen, oder? Falls das nicht so sein sollte: Ich bräuchte mal dringend 10.000 Euro, könnten Sie …

Edu
6 Jahre her

Money to the rich – machen Sie sich das Leben nicht etwas einfach – the Rich und Staatsanleihen statt Aktien, Obligationen etc. da gibt es sicher lukrativeres. Wussten Sie, dass die japanischen Rentenfonds die größten der Welt sind – die Rentner the Rich? – Bei uns Lebensversicherungen, Riesterrenten, Betriebsrenten – alle in sicheren Anlagenfonds wie Staatsanleihen – derzeit eher eine riesen Enteignung durch Nullzins bei einer höheren Inflationsrate. The Rich?

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her

Man braucht nur immer mehr Kryptowährungen in die Welt setzen, dann scheitern alle.

Der Grund ist derselbe wie beim Euro: Immer mehr locker erschaffenes Geld aus dem Nichts. Allein darauf kommt es an, ob bei einer Einzelwährung oder bei vielen in der Summe.

Wilhelm Cuno
6 Jahre her

Den Weltspartag müsste man umbenennen in Weltsachwertetag. Dann könnte man den Kindern beibringen, dass nominales Sparen nichts mehr bringt, aber Sachwerte ihre Berechtigung haben. Nur – wie soll das bei so kleinen Beträgen wie Kinder sie haben funktionieren? Wiener Philharmoniker statt Bargeld? Keine Ahnung, ich weiß es nicht, wenn die Zeitpräferenz sprich Konsumverzicht vom Kapitalmarkt bzw. der Geldpolitik nicht mehr belohnt wird.