CDU-Vorsitz: Wer ist wessen Kandidat?

Vor Personenwahlen findet vor Parteitagen ein verschachtelter Prozess hinter den Kulissen statt, den nur wenige Interne durchschauen und noch weniger nutzen können. Wer Parteitag nicht gelernt hat, ist ohne Chance.

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Bisher gibt es drei Arten von Kandidaten für den CDU-Vorsitz: Jene, die ihre Kandidatur öffentlich erklärt haben, einen, den manche Medien zum Kandidaten machen wollen, und dann noch einen, der seine Kandidatur offen lässt, aber verkündet, dass jedenfalls die Delegierten seines Landesverbandes bestimmen, wer es am Ende wird.

Der letzte, Armin Laschet, demonstriert damit wenig Parteitags-Psychologie. Die Delegierten der anderen Landesverbände mögen es nicht, wenn sich einer über sie erhebt.

Ihre Kandidatur angemeldet haben vor dem Kandidaturverzicht von Angela Merkel: der Berliner Jura-Student Jan-Philipp Knoop, der hessische Unternehmer Andreas Ritzenhoff und der Bonner Völkerrechtler Matthias Herdegen.

Nach Merkels Erklärung gaben Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn ihre Kandidatur bekannt.

Den manche Medien (BILD, Handelsblatt und n-tv) zum Kandidaten machen wollen, ist Friedrich Merz, der sich bisher öffentlich nicht erklärt hat. BILD schreibt in einer Chancenbeurteilung von AKK, Spahn und Merz:

»Offiziell „hier!“ gerufen hat Friedrich Merz noch nicht, wohl aber seine Bereitschaft zur Kandidatur signalisiert. Der Ex-Unions-Fraktionschef kann sich immer noch auf die Unterstützung des Wirtschaftsflügels der CDU verlassen.«

Dass Medien bestimmen wollen, wer in welcher Partei Vorsitzender wird, ist alt. Rudolf Augstein war ewige Zeiten Delegierter zum Bundesparteitag der FDP und kurzzeitig deren Bundestagsabgeordneter. Er und Henri Nannen, ebenfalls FDP-Mitlgied, wollten 1967 Erich Mende als Bundesvorsitzenden stürzen (ich war als Jungdemokrat dabei). Dort gelang es nicht, doch 1968 löste Walter Scheel ihn ab. Aber die beiden agierten nicht nur publizistisch, sondern auch innerhalb ihrer Partei.

Martin Schulz schrieb eine breite Medienpalette zum Retter der SPD hoch und dann wieder runter. Nun erinnern mich manche Medien bei ihrem Plädoyer für Merz an ihre Counterparts, die Emmanuel Macron in Frankreich medial regelrecht gemacht haben und nun seinen Abstieg beschreiben. Mit in der Reihe als Gegenbeispiel nenne ich noch Sebastian Kurz: Er übernahm den Parteivorsitz gegen die alten Parteikader und die Kanzlerschaft gegen die meisten Medien in Österreich. Allen drei CDU-Vorsitzkandidaten würde die Übernahme der CDU nicht annähernd gelingen wie Kurz die der ÖVP als Liste Kurz.

Einfach mal prozedural

Wer einen Kandidaten auf dem Bundesparteitag der CDU in Hamburg zur Wahl als Bundesvorsitzender vorschlagen wird, ist nicht unerheblich für die Chancen des Kandidaten. Vor solchen Abstimmungen finden sich die Delegierten nach Landesverbänden zusammen und versuchen, sich auf einen Kandidaten zu einigen. Es wird nicht nur der Vorsitzende gewählt, sondern auch seine Stellvertreter und die anderen Mitglieder des Parteipräsidiums und des Bundesvorstands. Zwischen den Landesverbänden werden Absprachen gesucht: du wählst meinen Kandidaten für den Vorsitz und ich dafür deine für die Ämter X, Y, Z.

Dass die Landesverbände von AKK und Spahn die beiden vorschlagen, halte ich für gegeben. Täten sie es nicht, wäre ihre Aussichten schon gefährdet. Dass der Landesverband NRW Merz vorschlägt, ist schwer vorstellbar, denn Laschet und er gelten in der CDU als an unvereinbaren Flügeln angesiedelt. Dass bei Laschet nichts unmöglich ist, kalkuliere ich ein. Ob er aber einen Bruch mit Merkel riskiert, die noch länger Kanzlerin sein könnte, halte ich für unwahrscheinlich. Wer also schlägt Merz vor, wenn er denn kandidiert? Die Wirtschafts- und Mittelstandsvereinigung von Linnemann? Es wird seine Gründe haben, warum Merz selbst sich öffentlich noch nicht erklärt hat.

Was ich damit klarmachen will, ist, vor Personenwahlen findet ein verschachtelter Prozess hinter den Kulissen statt, den nur wenige Interne durchschauen und noch weniger nutzen können. In jedem Fall reicht es nicht, wenn manche Medien den Kandidaten A hoch und den Kandidaten B runter schreiben wollen. Sie können damit sehr wohl das Gegenteil erreichen.

Sollte das Kandidatenrennen vor dem Parteitag sehr heftig werden, schließe ich auch gar nicht aus, dass Merkel ihre bisherige öffentliche Zurückhaltung in letzter Minute aufgibt und sich für AKK ausspricht. Manche Auguren halten sogar für möglich, dass bei einem ausufernden Hauen und Stechen auf dem Parteitag, Merkel am Schluss als Retterin auftritt und sich überreden lässt, doch selbst zu kandidieren – das scheint auf den ersten Blick weit hergeholt. Doch bei dieser Frau halte ich alles für möglich.

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Kommentare ( 115 )

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Enrico Stiller
6 Jahre her

Nicht nur Merz kommt aus NRW. Spahn auch. Und Brinkhaus, der neue Fraktionschef. Das ist ein Manko für jeden weiteren Kandidaten von dort, da die anderen Landesverbände sich nicht gerne so deutlich dominieren lassen wollen. Laschet hält sich zurück, weil er die Chancen von AKK kannibalisieren würde – beide gehören dem linken Flügel an (Laschet noch mehr als AKK) und sie sind eng mit Merkel assoziiert. Das dürfte für beide ein Problem werden, denn Herrn Goergens Meinung, dass Merkel noch eine wichtige Rolle bei ihrer Nachfolge spielen könnte, halte ich für vollkommen abwegig. Die CDU wird keine Lust haben, die… Mehr

pbmuenchen
6 Jahre her

Ich würde den Parteivorsitz mit der Forderung verbinden, dass Merkel auch als Kanzlerin zurücktritt, denn wer, außer AKK, hätte Freude an einem Parteivorsitz mit Merkel als Kanzlerin?

Peter Ge.
6 Jahre her

Erst jetzt, wo die Große Vorsitzende schwer angeschlagen in Seilen hängt, bereits ihren Teilrückzug angetreten hat, und daher keinerlei Gefahr mehr für ein „kühnes“ Auftreten besteht, kriechen die ranghohen Aparatschiks aus ihren Löchern und melden sich mutig zum Kampf um die Nachfolge, bei dem man nun selbst als Unterliegender nicht mehr als ein paar Schrammen davontragen wird. Zu ihnen gesellt sich, von ähnlichem Mut geschwellt, ein vorübergehender „Aussteiger“, der sich zwischenzeitlich in der Wirtschaft und in diversen internationalen Organisationen finanziell gesundgestoßen hat – als Hoffnung der (Mainstream-)Konservativen. Den Stein ins Rollen gebracht haben allerdings Andreas Ritzenhoff, Jan-Philipp Knoop und Matthias… Mehr

IJ
6 Jahre her

Spontan war in pro Friedrich Merz, aber nach einigem Nachdenken überwiegt doch große Skepsis. Plus und Minus: 1. Intellektuell stark (++) 2. Überzeugter Konservativer – Stichwort: Leitkultur (+) 3. Vielfältige berufliche Erfahrungen ausserhalb des Politbetriebs (+) 4. Wirtschaftslobbyist statt „Mann der Kleinen Leute“ (-) 5. Globalist statt Patriot (–) Fragezeichen: 1. Schwache Performance beim früheren Machtkampf mit Angela Merkel 2. Fragwürdiger beruflicher Track Record (miserable Performance beim Mandat , die WestLB/Portigon zu veräussern) 3. Fragwürdige Haltung zur Meinungsfreiheit (Ablehnung des Ludwig-Erhardt-Preises aus de Hand von Hr. Tichy) Summa summarum sehe ich das Risiko, mit Hr. Merz einen zögerlichen Hamlet und… Mehr

Thomas
6 Jahre her

Der Globalist Merz wird jetzt aufgebaut um, nachdem Merkel politisch total verbrannt ist, auch international, zusammen mit Macron die Alamo Linie der sich auf dem Rückzug befindlichen Globalisten zu bilden.
Deutschland braucht aber keinen weiteren Globalisten der antideutsche Politik betreibt. Es braucht, wie die USA, einen patriotischen Populisten.

Umkehr
6 Jahre her

Gute Analyse von Herrn Goergen. Viel Unterstützung für den Kandidaten Merz bei den Foristen nicht nur in WO auch hier bei Tichys. Ich war und bleibe skeptisch was Merz angeht, aber ein Kommentator hat meines Erachtens mit folgendem recht: Nur unter Merz als Generalsekretär wird der Abgang von AM definitiv beschleunigt. Das wäre wie man so schön sagt schon „die halbe Miete“! Dann kann man weitersehen.

Zeno
6 Jahre her

Was bei der CDU jetzt ansteht, ist eine Richtungsentscheidung. Da wird der übliche Parteitags Klüngel kaum greifen.
Merz hat sich aus der Politik zurückgezogen, als ihm klar wurde, dass er nicht mehr den Einfluss ausüben konnte, den er für angemessen hielt.
Beiseite treten, andere den Karren vor die Wand fahren lassen, und sich für die nächste Chance bereithalten ist keine schlechte Strategie.
Da gibt es auch historische Vorbilder.
Auf dem Parteitag wird der künftige Kanzlerkandidat der CDU gewählt. Ob sich da z.b. die Delegierten des Saarlandes verdonnern lassen werden, KK zu wählen?

Michael Sander
6 Jahre her

Mittlerweile hat Merz seinen Hut ja offen in den Ring geworfen und wird u.a. von der Werte Union und auch von Wolfgang Bosbach unterstützt. Damit ist er ganz klar der Kandidat des konservativen Lagers und als relativer Aussenseiter ist er eine Kampfansage an die etablierten Führungszirkel und damit vor allem an den Merkel Flügel. Bis Dezember ist ja noch ein bisschen hin und wie man schon jetzt erkennen kann, ist da mächtig viel Druck auf dem Kessel. Wer jetzt die Kandidatur erringt, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der nächste Kanzler. Wo soviel Dynamik im Spiel ist, sind Vorhersagen, wer… Mehr

Wolfram
6 Jahre her

Zuerst wollte ich es einfach nicht glauben. Aber es ist doch offensichtlich wahr. Frau Kamp-Karrenbauer will ihre Kandidatur überdenken und den Weg frei machen für die Kandidatur von Jürgen Trittin zum CDU-Vorsitz, wie jetzt bekannt wurde. Als mehr oder weniger geheimer Berater von Frau Merkel und bestimmender Kopf in der Programkommission der CDU möchte er seine wegweisende Tätigkeit jetzt mit dem CDU – Vorsitz belohnt wissen. Der baldigen Vereinigung von Grünen und CDU so wie weiland der Vereinigung von KPD und SPD zur SED bzw. Die Linke sieht er freudig entgegen. Übrigens, auch Claudia Roth soll sich um den Stellvertreterposten… Mehr

Nibelung
6 Jahre her

Nach allgemeinem Kenntnisstand hat sich Merz doch öffentlich erklärt und Anspruch auf den Parteivorsitz der Schwarzen erhoben. Nun ist er nicht jedermanns Sache, aber man sollte ihn nicht unterschätzen, denn er geht an diese Aufgabe nicht blauäugig heran, denn sicherlich hat er sich vor dieser Entscheidung abgestimmt mit jenen, die einen Wechsel wollen und damit konnte er auch in Erfahrung bringen, wer und welche Anzahl für seine Person zur Verfügung steht und auch außerhalb des Parlamentes hat er sich kundig gemacht, in Brüssel, bei den Unternehmensverbänden usw. und mit dieser Erkenntnis tritt er an, sollten sie ihn allesamt belogen haben… Mehr