Das Kreuz mit der Erst- und der Zweitstimme

Bei der Bundestagswahl kommt es auf die Zweitstimme an. Kaum jemand weiß, dass das bei der bayerischen Landtagswahl ein wenig anders ist. Und es gibt andere Sonderregelungen. Ein Gastbeitrag von Helmut Markwort.

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Bei täglichen Gesprächen über mein Engagement als Wahlkämpfer – ich kandidiere im Stimmkreis 124 München-Land-Süd direkt für die FDP und in München und ganz Oberbayern auf Platz 16 der Liste 5 – muss ich feststellen, dass auch gebildete und gewöhnlich gut informierte Mitbürger nicht wissen, dass bei der Landtagswahl andere Regeln gelten als bei der Bundestagswahl vor einem Jahr. Erststimme und Zweitstimme haben eine andere Bedeutung.

Diese Unkenntnis kann entscheidend sein für das Ergebnis.
 Andere Parteien, vor allem CSU und SPD, haben aus Eigeninteresse wenig Grund,
 über die bayerischen Sonderregeln zu informieren. Sie profitieren vom Nichtwissen und spekulieren darauf, dass FDP-Sympathisanten sich ähnlich verhalten wie vor einem Jahr bei der Bundestagswahl.

Hier nenne ich den Beweis. Der Bundeswahlleiter hat bekanntgegeben, dass keine Gruppe so häufig ihre zwei Stimmen gesplittet hat wie die Wählerinnen und Wähler der FDP.
 56,4 Prozent gaben zwar ihre Zweitstimme der FDP, wählten aber mit ihrer Erststimme Direktkandidaten einer anderen Partei, überwiegend der Union. Diese Entscheidung lässt sich begründen mit der Regel, dass es bei der Bundestagswahl
 auf die Zweitstimme ankommt. Allein der Prozentsatz der Zweitstimmen entscheidet über die Stärke der Fraktionen im Bundestag.

Ganz anders im Bayerischen Landtag. Hier werden Erst-und Zweitstimmen addiert, und die Summe daraus ergibt die Stärke der Parteien. Das ist der erste gewichtige Unterschied zum Bundeswahlrecht. Ein Wähler darf keine Erststimme verschenken.

Die für ein gutes Abschneiden dringend notwendige Erststimme für den Direktkandidaten – nicht nur der FDP – ist auch keinesfalls verloren. Im Gegenteil. Seine Erststimmen werden addiert mit den Zweitstimmen, die er auf seinem Listenplatz einsammelt. Das Gesamtergebnis entscheidet über seine endgültige Platzierung auf der Liste und somit über den Einzug in den Landtag. Wer viele Erst- und Zweitstimmen auf sich versammelt, hat gute Chancen auf ein Mandat.

Das ist der zweite gravierende Unterschied zur Bundestagswahl: 
In Bayern kann der Wähler die Liste verändern. Diese Auswahlmöglichkeit ist ein demokratisches Angebot, besser als im Bund.

In den Bundestag rücken die Kandidaten in der Reihenfolge ein, die von den Parteien bestimmt worden ist. In Bayern dürfen die Wähler die Reihenfolge bestimmen.
 Kein Kandidat auf einem vorderen Platz kann sicher sein. 
Jeder Kandidat auf einem hinteren Platz kann hoffnungsvoll kämpfen.

Dieses System wünsche ich mir auch für den Bundestag.

Eine dritte bayerische Sonderregelung will ich auf jeden Fall erwähnen,
 weil sie manche Zugezogene verblüfft. Es gibt keine Bayernlisten.
 Die Kandidaten sind nur in den Listen der sieben bayerischen Bezirke wählbar. Das auffälligste Beispiel ist Markus Söder von der CSU.
 Er ist zwar in der Landeshauptstadt München extrem plakatiert,
 kann aber dort nicht gewählt werden.
 Nur in Mittelfranken.

Während ich gerade dieses Aufklärungsschreiben beenden will, ruft mich
 ein Bekannter auf dem Handy an und bedauert, dass er mich nicht wählen kann. Warum, frage ich. Weil ich in Dachau wohne, antwortet er.
 Im Einzelgespräch erkläre ich ihm, dass mich alle Bürger in München und Oberbayern auf Platz 16 ankreuzen können. Es ist erstaunlich, wie viele kluge Mitmenschen sich nicht auskennen.



TE-Wahlwette Bayern:

Wer über alle genannten Parteien hinweg am nächsten an den Ergebnissen landet, gewinnt.

Ihre Wetten nehmen wir ab sofort entgegen.

Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (14.10.2018 ) um 16:30 Uhr. Das Wettergebnis wird am Wahlsonntag um 17.45 Uhr veröffentlicht.

Auf die Gewinner wartet:

1. Platz: eine Flasche Champagner von Tante Mizzi
2. Platz: zwei Bücher aus dem Shop nach Wahl
3. Platz: ein Buch aus dem Shop nach Wahl

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Kommentare ( 32 )

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6 Jahre her

Der Artikel kommt ein wenig spät, oder?

Nachdenkerin X
6 Jahre her

Ich werde morgen in Bayern wählen und muß zugeben, daß ich – obwohl politisch immer interessiert und bis auf wenige Jahre in Bayern wohnend – diese Besonderheit des bayerischen Wahlrechts nicht kannte. Insofern bin ich für die Aufklärung dankbar und sehe in Herrn Markworts Erklärung definitiv keine versuchte Manipulation, wäre nicht einmal auf diese Idee gekommen, wenn nicht einige Leser derartiges geschrieben hätten. Für eine solche Information wäre ich auch einem – von mir nicht geschätzten und auch nicht gewählten – Grünen dankbar gewesen …

Rivarol
6 Jahre her

Herr Markwort, Ihre Kolumen im Focus sind meist recht lesenswert und Sie treffen die Lage sehr oft auf den Punkt. Leider sehen das Ihre Parteimitglieder meist anders und hängen, wie immer, die Fahne in den Wind des jeweiligen Zeitgeistes.
Gehen Sie doch in die Partei, für die Sie meistens schreiben, ohne es vielleicht es zu ahnen, das Unterbewußtsein weiß oft mehr 🙂 ! Bahamas (blau, schwarz, gelb) wäre gut für Bayern und Deutschland !

Anton Weigl
6 Jahre her

Markwort hat recht, sogar sehr gut informierte Wähler wissen nicht, daß in Bayern die Erststimme und die Zweitstimme gleichwertig sind. Ich kandidiere für die Bayernpartei seit 2003 entweder für die Landtags- oder Bezirkstagswahl. 2018 stehe ich auf der Liste für Oberbayern auf Platz 759 bei der Landtagswahl, sowie als Direktkandidat zur Bezirkstagswahl fur den Stimmkreis Neuburg- Schrobenhausen und als Listenkandidat für Oberbayern auf Platz 715 . Im übrigen Kandidiert meine Frau Michaela Weigl als Direktkandidatin zur Landtagswahl für die BP im Stimmkreis Ansbach-Süd – Weißenburg-Gunzenhausen sowie als Listenkandidatin für Mittelfranken auf Platz 709. Eben die selben Erfahrungen als Wahlkämpfer seit… Mehr

Sonny
6 Jahre her

Danke Herr Markwort für die Information. Bestellen Sie bitte Herrn Lindner, dass ich seit den Kuschelversuchen der FDP mit den Grünen meine Hoffnung auf die FDP endgültig aufgegeben habe, die für mich begeisternde Absage der Jamaika-Koalition ist damit neutralisiert worden.
Ein „Weiter so“ mit der willensschwachen und durchsetzungsarmen CSU schließe ich total aus, ebenso eine Wählbarkeit der künftigen Unter-10%-Partei-SPD (bzw. aller Roten) sowie der Verbots- und Enteignungspartei „Die Grünen“.

GUMBACH
6 Jahre her

Da Sie auf die kleinen Parteuen hinweisen, ist das ja mittlerweile auch für die SPD relevant 😉

Berlindiesel
6 Jahre her

Nun hackt nicht alle auf dem FDP-Mann Markwort herum, das was er schreibt, ist sachlich richtig, und sollte auch jeder AfD-Wähler wissen. **** ist es nicht verkehrt, ihnen das noch mal zu erklären, also keine Erststimme an die CSU. Den Vorwurf der Wahlwerbung halte ich für übertrieben, *** Allerdings „rettet“ dieser Beitrag auch nichts mehr für die FDP – zu wenig glaubwürdig ist Lindners Abgrenzung von den Grünen. Knapp über 5 %, mehr wird es übermorgen nicht werden. Ich schätze: Wer gegen die CSU ist, und sich noch nicht traut, AfD zu wählen, kreuzt die Freien Wähler an. Die allerdings… Mehr

ShaundasSchaf
6 Jahre her
Antworten an  Berlindiesel

„…zu wenig glaubwürdig ist Lindners Abgrenzung von den Grünen.“
Er grenzt sich nicht von den GrünInnen ab, er kann sich laut eigener Aussage eine „Regenbogenkonstellation“ durchaus vorstellen.

Alexis de Tocqueville
6 Jahre her

Wenn selbst gut gebildete und informierte das Wahlsystem nicht verstehen, dann liegt es vielleicht am System.

W aus der Diaspora
6 Jahre her

Ich finde es gut, dass hier das bayerische Wahlsystem noch einmal beschrieben wird. Obwohl ich eigentlich von politisch interessierten und in Bayern lebenden Wählern erwarte, dass sie das wissen.

An meine lieben Mitforisten – hätte jemand von der AfD diesen Artikel bei Tichy vorher eingereicht, so wäre der wahrscheinlich erschienen. Sorry, da haben Eure Leute nun mal gepennt. Lebt damit und macht es in 6 Jahren besser 🙂

Gabriele Kremmel
6 Jahre her
Antworten an  W aus der Diaspora

Sie sind nicht aus Bayern, gell. Sonst wüssten Sie, dass die Landtagswahlen alle 5 Jahre stattfinden.

Rainer Gehrig
6 Jahre her

Finde das Wahlsystem auch gut und es sollte auch bundesweit gelten. Dadurch würde das Engagement von Wahlkreiskandidaten (auch kleinerer Parteien) belohnt und so mancher „Parteibonze“ abgestraft.

Ihnen, Herr Markwort, wünsche ich viel Erfolg und den Einzug ins Maximilianeum. Ich drücke beide Daumen. ? Und falls es nicht klappt, kehren sie hoffentlich als Moderator zum BR-Stammtisch zurück. ?
**

Frau Z.
6 Jahre her
Antworten an  Rainer Gehrig

Ist zwar OT, aber ich schreibe es dennoch, denn ich vermisse Herrn Markwort sehr beim Stammtisch.
Die Sendung ist nicht mehr das, was sie mal war.