Das Geschäft mit marokkanischen „Flüchtlingen“

Spanier und Marokkaner helfen jungen Afrikanern über die Meeresenge. Verharmlosende Videos über die Überfahrt nach Cádiz kurbeln das Geschäft an.

JORGE GUERRERO/AFP/Getty Images
Migrants are transferred upon their arrival aboard a coast guard boat at Malaga's harbour on September 23, 2018, after an inflatable boat carrying 117 immigrants, 34 of them women and 4 children, was rescued by the Spanish coast guard off the Spanish coast.

Marokko ist ein hartes Land. König Mohamed VI ist nicht dafür bekannt, dass er besonders sozial denkt. Frauen werden immer noch schlecht behandelt, auch wenn sie sich gegen die Attacken zunehmend wehren. Arbeiter werden schlecht bezahlt und Jugendliche, vor allem im Drogenanbaugebiet im Norden, haben keine Zukunftsperspektive. Die konstitutionelle Monarchie bestimmt das Land, nicht das Parlament. Dass die 35 Mio. Marokkaner auf der Suche sind nach mehr Freiheit, überrascht angesichts dieser Lage nicht. Die wirtschaftliche Situation in ihrem Land ist allerdings nicht dramatisch schlecht, aber im gegenüberliegenden Spanien scheint sie verlockender. Aber ist das wirklich ein Grund, um den gefährlichen Weg über die Meeresenge von Gibraltar zu wagen und sein Leben aufs Spiel zu setzen?

Immer mehr Marokkaner glauben ja. Sie werden durch falsche Erzählungen von Landsleuten auf der anderen Seite und auch durch das Internet animiert. Hier zirkulierten in diesen Tagen Videos, welche die Gefahren verharmlosten und zudem noch Gratis-Überfahrten anboten. Die marokkanische Regierung sucht nach den Urhebern, denn mit der dortigen Polizei und den Sicherheitskräften ist nicht zu spassen. Die Küstenwache schoss am Mittwoch sogar auf eines der von Marokko startenden Schlauchboote mit Immigranten, um zu zeigen, wer das Sagen hat auf dem Meer. Eine 22jährige Frau starb dabei. Es waren klare Warnschüsse an die Hunderte von Boote, die schon in den Startlöchern stehen in Nador und Tanger.

Spanien wird überflutet

Spanien wird auch aufgrund der guten klimatischen Verhältnissen in diesen Wochen mit einer Flut von Menschen konfrontiert, der die neue Regieurng vor groβe Herausforderungen stellt. Premier Pedro Sánchez musste in seinen ersten 100 Tagen seine humanitären Ansprüche der Realität anpassen. „Naivität“, wirft ihm die konservative Opposition vor, weil er versprach, die rund 500.000 Migranten ohne Papiere im Land zu legalisieren. Aber die von Pablo Casado geführte PP vergisst, dass sie Jahre lang gar nichts gemacht hat, um den Strom nach Europa zu stoppen und eine gefährliche Doppelmoral praktizierte.

Dass Ausländer in Spanien weitgehend alleine gelassen werden, bestätigt auch die Kirche, welche sich hauptsächlich in Spanien um diese Menschen über Pfarreien und die Caritas kümmert: „Wir versuchen, ihnen Arbeit zu vermittlen, wodurch sie dann einen legalen Status erzielen können“, heiβt es bei der Pfarrei „Parroquia Santa María de Caná” im Nobelvorort Pozuelo. Die meisten der Immigranten arbeiten dort in den Haushalten. Sánchez will es besser machen als seine konservativen Vorgänge, aber es ist ein Drahtseilakt, da alleine in diesem Jahr 33.215 Menschen an den spanischen Küsten auf irreguläre Weise ankamen. Das sind offizielle spanische Zahlen. 6433 davon waren Marokkaner nach Angaben des marokkanischen Innenministeriums.

Spanier verdienen am Geschäft mit

Dort auf der anderen Seite in Afrika ist die Regierung inzwischen auch alarmiert, weil eine fliehende Bevölkerung aus einem eigentlich sicheren und wirtschaftlich stabilen Land kein gutes Bild in die Welt vermittelt. Die meisten der marokkanischen Immigranten sind zudem unter 18 Jahre und können damit von den Spaniern nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Marokko blutet auf diese Weise aus, während die Auffangzentren in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla überquellen. Kriminelle Banden arbeiten hier wie dort zusammen. Am Donnerstag wurden erneut Spanier festgenommen, die bei diesem gefährlichen Geschäft mitmischen.
Jarraga, ohne Papiere, ist das Wort, das in youtube und Facebook in diesen Tagen zirkuliert und konkrete Angebote für einen „Trip nach Europa“ kommuniziert.

Facebook-Seiten warben im vergangenen Jahr nach spanischen Zeitungsbereichten mit einem Spottpreis von 635 Euro pro Passagier. Der normale Preis bewegt sich aber eher zwischen 1.000 und 5.000 Euro je nach Qualität des Bootes. Immer wieder werden auch Leute auf den Fährschiffen mitgeschmuggelt. Dabei arbeiten Spanier auch hier in den Exklaven Hand in Hand mit den marokkanischen Banden wie Immigranten, die diesen Weg gewählt haben, selber berichten.

Sánchez sollte Marokko zur Priorität machen

Sánchez reist derzeit durch die ganze Welt, aber in Marokko hat ihn noch niemand empfangen. Dabei wäre ein Gespräch mit Mohamed VI das erste, das er suchen sollte, findet die konservative spanische Opposition. Warum dieses noch nicht stattgefunden hat, bleibt unklar. Nach Rabat und Tanger, von wo derzeit auch viele Jugendliche starteten, reiste bereits sein Innenminister Fernando Grande-Marlaska im Juni und August. Er sprach allerdings nur mit Regierungsvertretern. Auf beiden Seiten wird immer guter Wille verkündet, aber der Exodus wird nicht gestoppt.

Der von gesundheitlichen Problemen geplagte marokkanische Monarch hat zumindestens erkannt, dass auch er etwas machen muss, damit seine jungen Untertanen nicht das Weite suchen. In einer Rede vom 20. August verspricht er Maβnahmen gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit: “Es kann nicht sein, dass jeder vierte junge Marokkaner keinen Job hat”. In der Realität dürfte die Zahl noch viel höher sein und in Spanien wartet trotz aller falschen Versprechungen niemand mit Arbeit auf sie. Hier haben 35% der aktiven Bevölkerung unter 25 Jahren keinen Job und die Schulabbrecherquote ist einer der höhsten der OECD. Marokkaner ohne Papiere arbeiten meist in der andalusischen Landwirtschaft oder im Drogenhandel.

Was sie wirklich treibt

Die Marokkaner finden in Spanien eine groβe Gemeinde von Landsleuten vor, die in den ersten Monanten mit Unterkunft und Geld weiterhilft. Bereits 15 Prozent aller Ausländer dort sind Marokkaner, insgesamt 715.690 gemäβ der Studie “Cartografía de los marroquíes residentes en España“, präsentiert vom spanisch-marokkanischen Forum. Tatsächlich sind das aber weniger als Spanien in 2012 registrierte (790.258). Zu vermuten ist, dass viele Marokkaner in den vergangenen Jahren weitergezogen sind nach Frankreich und Deutschland, wo der Arbeitsmarkt besser ist.

Die Tatsache, dass es für Marokkaner relativ einfach ist, die spanische Staatsbürgerschaft zu bekommen, macht die gefährliche Überfahrt über die Meeresenge von Gibraltar ebenfalls attraktiv. Zwischen den Jahren 2000 und 2016 wurde diese gemäβ der Studie an 211.709 Marokkaner vergeben. Weil Sánchez sich bewusst ist, dass er durch seine Rettungsaktionen von Immigranten-Booten im Mittelmeer in diesem Sommer die falschen Signale an die Schlepperbanden gesendet hat, warnt er jetzt: „Wir können nicht jeden aufnehmen und jeder der gewalttätig ist, wird sofort zurückgewiesen“.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 16 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

16 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
caesar4441
6 Jahre her

Wenn im Dez 18 in Marroko der UN migration pact unterzeichnet wird gibt es keine illegalen Migranten mehr.Migration wird Menschenrecht ,jeder kann hingehen wohin er will.Und dort auch bleiben.

bkkopp
6 Jahre her

Die Spanier, und teilweise alle Europäer, werden mit den legalisierten und illegalen Marokkanern noch sehr viel ‚Spass‘ haben. Neben Spanien, weiss man in F. B und NL schon etwas mehr. Solange wir nicht den Mumm haben die Leute, auch Jugendliche, radikal abzuweisen, solange wird uns nicht zu helfen sein. Es sieht nicht danach aus als ob wir – die mehrheitliche politische Meinung – an der allmählichen Islamisierung Europas etwas ändern wollten.

Karl Napf
6 Jahre her

Nur die Gruen-Doof und merkel-bescheuert spricht noch von Fluechtlingen.
Nicht mal Apostrophe retten den Begriff noch. *****

Ralf Poehling
6 Jahre her

Offenbar ist in Marokko die Erkenntnis bereits deutlich weiter fortgeschritten, als in Spanien, bzw. im EU-Machtapparat.
Woher nimmt die EU eigentlich das Recht, Unmengen von jungen Menschen aus dem Rest der Welt einfach abzuzapfen, um sie hier zu monetarisieren?
Das schadet nicht nur den ausblutenden Herkunftsländern, es sorgt unübersehbar auch für massive Konflikte in der EU, die gegen Volkes Wille aufgefüllt und so diversifiziert werden soll.
Der Moment naht, in dem der korrupte EU-Moloch für seine grotesken Aktivitäten voll zur Verantwortung gezogen werden wird.

Th.F.Brommelcamp
6 Jahre her

König Mohammed VI kennt seine Leute. Er kennt auch die Probleme der Jugendarbeits- losigkeit bedingt durch den Konservativen Islam. Viele der in den Niederlanden lebenden Marokkaner stehen fest zu ihrem Vaterland, wie die Türken in Deutschland zu Erdogan. Es einigt die gemeinsame Religion. Fast alle haben auch 2 Nationalitäten. Das ist sehr praktisch, um Familie nachzuholen oder eine anständige Braut aus der Heimat. Die neue Sprache ist in den moslemische Kommunen nicht nötig. Schwarzafrikanische Arbeiter hingegen werden in der spanischen Landwirtschaft gehalten( wie in Italien auch). Für die Verteilung und Löhne ist die Mafia zuständig. Viele hilfreiche Hände wie die… Mehr

BOESMENSCH
6 Jahre her

Zitat:
„Dass die 35 Mio. Marokkaner auf der Suche sind nach mehr Freiheit, überrascht angesichts dieser Lage nicht“

Für die Freiheit muss man kämpfen – davonlaufen ist keine Option.

Karl Popper:
„Wenn wir die Freiheit wählen, müssen wir darauf gefasst sein, mit ihr unter zu gehen“

P.S.:
1 Milliarde Afrikaner sind auf der Suche nach mehr „Freiheit“

BOESMENSCH
6 Jahre her

Afrika den Afrikanern
Europa den Europäern

Kampfkater1969
6 Jahre her

Das Ganze sollte etwas größer gedacht werden! Wir haben in der EU zwei deutliche Probleme: Die Südstaaten sind krank, entwickeln nicht die gleiche Arbeitsmoral wie Deutschland. Damit besteht für diese Länder keine Notwendigkeit, sich in angrenzenden Ländern umzusehen und diese zu unterstützen. Das nächste ist, Europa grenzt in seinem Süden an moslemisch geprägte Staaten. Diese Staaten sind teils mit Verschulden, teils ohne Verschulden in eine Sackgasse geraten. Schlechte Bildung zieht keine Investoren an und mangelnde Einnahmen behindern eine für diese Welt notwendige Mindestbildung. Dieser Druck wird sich weiter verschärfen, Staaten wie China und Indien sind aufgrund immer weiter steigender Qualifizierung… Mehr

WolfgangZ
6 Jahre her

„Zu vermuten ist, dass viele Marokkaner in den vergangenen Jahren weitergezogen sind nach Frankreich und Deutschland, wo der Arbeitsmarkt besser ist.“ Der Arbeitsmarkt dürfte wohl kaum ein Motiv für die Weiterreise nach Deutschland sein.

BOESMENSCH
6 Jahre her

Zitat: „Dass die 35 Mio. Marokkaner auf der Suche sind nach mehr Freiheit, überrascht angesichts dieser Lage nicht.“ Hier wird Freiheit mit Wohlstand verwechselt: Eines der Hauptprobleme des arabischen Frühlings ist, dass die Menschen glauben, dass mit mehr Freiheit auch automatisch mehr Wohlstand verbunden ist. Freiheit ist aber kein Synonym für Wohlstand – Freiheit schafft auch kein Wirtschaftswunder. Die Mehrzahl der Migranten ist auf der Suche nach Wohlstand und nicht nach Freiheit. Freiheit gibt es auch in Griechenland, Rumänien und Bulgarien. Wohl kaum ein Migrant würde Demokrits Ausspruch zustimmen: „Ich würde das karge Leben in einer Demokratie dem Reichtum unter… Mehr

Th.F.Brommelcamp
6 Jahre her
Antworten an  BOESMENSCH

Hauptproblem des arabischen Frühlings war und ist, dass die Menschen dort ihre Möglichkeit sahen zu einem Kalifat zu kommen. Der Islam sagt ihnen die Überlegenheit über andere zu, auch ohne Bildung und Leistung. Wenn andere mehr haben, ist es ungerecht.