Horst Seehofer – ein machtpolitisches Weichei

Schmissige Auftritte ändern keine Politik. Nach dem CSU-Parteitag ist vor dem CSU-Parteitag.

Wenn die CSU ihren Parteitag in München feiert, steht der Verlierer innerhalb der Christsozialen schon fest. Es ist deren Vorsitzender Horst Seehofer. Wohlwollend könnte man sagen, er ist ein Papiertiger, tatsächlich ist er aber eher ein machtpolitisches Weichei. Die Reaktion auf den schmissigen Parteitag zeigt die Unzufriedenheit: Mit 87,2 Prozent erhielt Horst Seehofer auf dem Parteitag sein bisher schlechtestes Ergebnis.

Bellen, nicht beissen

Seit Monaten fordert, droht und widerspricht er seiner eigenen Bundesregierung, doch wenn es zum Schwur kommt, knickt er ein. Schon im Juni widersprach er Bundespräsident Joachim Gauck, als dieser meinte, Flüchtlinge müsse man „großherzig aufnehmen“. Er kündigte „drastische Anpassungen“ in Bayern an. Als die Bundeskanzlerin am 25. August faktisch das Dubliner Abkommen aussetzte, kritisierte er Merkel scharf: „Die Bundeskanzlerin hat sich meiner Überzeugung nach für eine Vision eines anderen Deutschland entschieden.“ Die Situation sei aus den Fugen geraten. Es sei ein Fehler gewesen, schob der Ingolstädter nach. Und nun? Außer Spesen nichts gewesen!

Die Kritik Seehofers an Merkel ist durchaus berechtigt. Der Schengen-Raum mit seine Personenfreizügigkeit ist eine große Errungenschaft der europäischen Einigung. Sie ist ein Freiheitsrecht von unschätzbarem Wert. Sie macht Europa durch den Einzelnen erlebbar. Sie kann aber nur bestehen, wenn die Außengrenzen des Schengen-Raums gesichert und eine unkontrollierte Zuwanderung verhindert wird. Sie kann nur dann weiter bestehen, wenn die Prüfung und Registrierung der Flüchtlinge an den Außengrenzen der EU stattfinden und gleichzeitig einheitliche Standards bei der Asylgewährung und dem Bleiberecht für Flüchtlinge gewährleistet werden.

Merkel hat den Rechtsbruch vieler Schengen-Staaten, die ihre Außengrenzen nicht ausreichend gesichert haben, durch einen fast handstreichartigen Rechtsbruch innerhalb des Schengen-Raums noch getoppt. Die Einladung Merkels an die Flüchtlinge an der ungarischen Grenze war eine fatale Fehlentscheidung. Sie war weder rechtlich noch humanitär geboten.

…und die CSU macht weiter mit

Rechtlich verstieß ihr einseitiges Vorgehen mindestens gegen den Geist des Dubliner Abkommens, und humanitär hätte die deutsche Regierung vor Ort an der Grenze in Ungarn helfen können. Dort hätten die Menschen registriert werden und ein Verfahren durchlaufen müssen. Eine verantwortungsvolle Bundesregierung hätte der ungarischen Regierung personelle und finanzielle Unterstützung angeboten, aber nicht den eigenen Rechtsstaat ausgehebelt.

Flüchtlinge verhalten sich rational. Sie gehen in das Land, das ihnen die beste Perspektive bietet, dauerhaft zu bleiben. Allein unser individuelles Asylrecht und die dadurch lange Bearbeitungsdauer erhöhen diese Chancen gegenüber anderen Schengen-Ländern. Seit Ende August ist das Dubliner Abkommen nur noch Makulatur. Jetzt droht der Rückfall in die Nationalstaatlichkeit und in die flächendeckende Einführung von Grenzkontrollen. Dann ist der Schengen-Raum endgültig am Ende.

Diese Entwicklung kann Merkel nur noch schwer heilen. Selbst wenn sie jetzt eine Regelung mit der Türkei erzielt, dass dort die Grenzen besser gesichert werden: Allein der Umstand, dass die Regierung in Berlin den Überblick verloren hat, wie viele Flüchtlinge und wer zu uns kommt, ist bereits ihr Offenbarungseid. Man stelle sich diese Situation in Zeiten einer rot-grünen Bundesregierung vor. Die Union hätte den Regierungschef mindestens als Versager dargestellt.

Und jetzt macht die CSU in der Regierung diesen Schlamassel weiter mit, anstatt die Regierung zu verlassen. Deshalb kann Seehofer auf dem Parteitag eine noch so schmissige Rede halten. Am Ende gilt: Hinten sind die Enten fett. Wer die Lippen spitzt, muss auch pfeifen.

Erschienen auch in der Fuldaer Zeitung 

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