Allianz der Willigen: Macht Marokko nun ebenfalls Grenzen dicht?

Wie dringend eine Maghreb-Allianz für Europa ist, zeigen die Zahlen, wenn in der ersten Hälfte 2018 mit etwa 28.000 offiziell gezählten Zuwanderern (nach Uno-Angaben) bereits so viele über Marokko nach Spanien gelangt sind wie im gesamten Jahr 2017 zusammengenommen.

Fadel Senna/AFP/Getty Images
A picture shows a general view of the fence between the Moroccan city of Fnideq and the tiny Spanish exclave of Ceuta

Man kann es so machen, wie Spiegel Online, indem man schon in der Headline zu einem Artikel Begrifflichkeiten einführt, welche die Leserichtung vorgeben sollen. Wenn also die marokkanischen Sicherheitsbehörden die Hoheitsrechte über ihr Staatsgebiet wahrnehmen, wenn afrikanische Ausländer daran gehindert werden, die marokkanische Grenze Richtung spanische Exklaven zu überschreiten, indem diese Migranten davon abgehalten werden, dann nennt der Spiegel das Verschleppung, wenn das Magazin titelt: „Marokko verschleppt offenbar Hunderte Flüchtlinge ins Landesinnere“.

Weiter wird angeprangert, dass „mehrere provisorische Zeltlager in den Wäldern nahe der spanischen Exklave Melilla zerstört worden“ seien. Nun erledigen die Marokkaner hier nichts anderes als die Franzosen, wenn sie den sogenannten Dschungel von Calais auflösen, ein illegales Camp von Migranten, die auf ihre Chance warten, nach England zu gelangen. Messen die Medien hier mit zweierlei Maß, wenn beispielsweise die Morgenpost zu Calais lapidar titelt: „Gewalt in Calais: Frankreich zieht erste Konsequenzen“?

Aber bleiben wir in Marokko. Dort könnte offenbar so etwas wie eine Kehrtwende eingetreten sein, wenn Sicherheitskräfte nun gegen illegale Grenzübertritte einschreiten. Und diese Kehrtwende hat Gründe: Die EU hat der Regierung in Rabat Millionenhilfen zugesagt, 55 Millionen Euro sollen bereits im Juni überwiesen worden sein (ein Teil davon nach Tunesien), Jean-Claude Juncker selbst soll bereits weitere Zahlungen in Aussicht gestellt haben. Hier kann der nordafrikanische Staat sich also zweierlei Sachverhalte vergolden: Zum einen wird Marokko die illegale Migration als Einnahmequelle nicht abreißen lassen, dem gegenüber muss für die EU aber erkennbar sein, dass man dennoch gewillt ist diese aufzuhalten.

Weiter schreibt Spiegel: „Doch dann gibt es da noch Gerüchte, dass die Regierung in Marokko selbst ihren Beitrag dazu leiste, dass mehr Migranten über das Mittelmeer nach Europa gelangen. Demnach wolle die Führung in Rabat damit Geld und politische Zugeständnisse von der Europäischen Union erpressen.“

Ähnliches berichtet allerdings auf TE auch Stefanie Claudia Müller: „Wie Marokko die EU mit Drogen und Migranten unter Druck setzt“.

Von verschiedenen Quellen belegt ist nun allerdings, dass die Sicherheitskräfte in Marokko in den vergangenen Tagen hunderte afrikanische Ausländer an der Grenze zur spanischen Exklave bzw. an den marokkanischen Mittelmeerstränden festgesetzt und in Busse verladen haben, die sie ins südliche Landesinnere gebracht haben, um sie am Grenzübertritt bzw. an der Überfahrt nach Spanien zu hindern.

Tagesschau.de berichtet von einem Gespräch eines marokkanischen Behördenvertreters mit der Nachrichtenagentur AFP in der Hafenstadt Tanger, der den Journalisten von einem „Einsatz im Rahmen des Kampfes gegen illegale Migration“ erzählt. 1600 bis 1800 Migranten seien in Orte gebracht worden, „in denen bessere Lebensbedingungen herrschen“. Dazu passen Berichte eines marokkanischen Verbands für Menschenrechte (AMDH), den Tagesschau dahingehend zitiert, dass es „seit Mitte vergangener Woche unter anderem in den Städten Nador und Tanger verstärkt zu Razzien und Festnahmen von Migranten gekommen sei. Mehrere Zeltlager in den Wäldern nahe der spanischen Exklave Melilla seien zudem zerstört worden.“

Der zitierte Verband schätzt demnach die Zahl der Festgenommenen auf sechshundert. Also noch eine vergleichsweise geringe Zahl, bedenkt man die große Zahl jener, die sich auf den Weg gemacht haben oder bereits angekommen sind. Die Festgenommenen sollen laut Menschenrechtsorganisation vornehmlich aus den südlichen Sahara-Regionen stammen.

Für Europa interessant ist nun vor allem, inwieweit sich tatsächlich ein nordafrikanischer Riegel zum Mittelmeer schließen lässt, wenn die Zusammenarbeit mit der Zentralregierung in Libyen intensiviert und wenn neben Tunesien und Algerien nun auch Marokko in eine Allianz der Willigen eintritt, die also gewillt sind, gegen harte Währung ihre Grenzen dicht bzw. dichter zu machen. Und wie dringend diese Allianz für Europa ist, zeigen die Zahlen, wenn in der ersten Hälfte 2018 mit etwa 28.000 offiziell gezählten Zuwanderern (nach Uno-Angaben) bereits so viele über Marokko nach Spanien gelangt sind wie im gesamten Jahr 2017 zusammengenommen.

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Kommentare ( 49 )

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giesemann
6 Jahre her

Der Magnet DE hat auch einen Vorteil für die Mächtigen: Sie können nun sagen, zu denen, die das alles bezahlen müssen: Seht her, wie gut es euch geht, alle wollen sie zu euch kommen – und wem habt ihr das zu verdanken? Na uns, den Regierenden, die euch so wunderbar zu Wohlstand verholfen haben, seid doch glücklich und meckert nicht. Win-win-win für alle drei: Die Beglücker, die Beglückten, die Migranten. Herz, was willst du mehr? DE ist das glücklichste Land auf Erden … . Und alle Welt weiß das und kommt zum Nachgucken. Der Ring des Polykrates: Da wendet sich… Mehr

giesemann
6 Jahre her

Absolut, denn sie sind „doch keine kleinen Kinder“ nach Dambisa Moyo, die gern zitierte sambische Nationalökonomin. Nehmen wir sie beim …. .

horrex
6 Jahre her

Immer wieder mache ich darauf aufmerksam, dass es „die Medien(!!!)“ sind die sich als „Vierte Gewalt“ mit der „Ersten Gewalt“ verbündet haben. Derart die „Checks und Balances“ zerstört haben, diese „Frau“, diesen Mist erst MÖGlich machen. Mit „normalen“ Medien, OHNE deren klare „Parteinahme“ (siehe H.J. Friedrichs) wäre es nicht zu einer zweiten/dritten Legislaturperiode dieser Frau gekommen. – Ein Problem das NUR durch die Arbeit unabhängiger Medien die die „alten Medien“ mehr und mehr „verdrängen“ zu lösen ist. (Ausnahme: Die Öff. Rechtlichen mit ihrem Parteienproporz) Die Gegenseite hat das längst erkannt und mit dem „NetzwerkXXX“ reagiert. Man kann nur hoffen, dass… Mehr

KfzMeister
6 Jahre her

Merkel, Soros und Spectre würden gerne ALLE nehmen.

Kampfkater1969
6 Jahre her

Was ganz vergessen wird: Marokko leidet ja selbst darunter, dass es als Durchzugsland mißbraucht wird. Diese Migranten benehmen sich ja nicht erst in Deutschalnd daneben, sondern den gesamten WEg von ihrer Heimat bis hierher. Und der Frust, der sich in Marokko aufstaut, wird mit Sicherheit auch an der dortigen Bevölkerung ausgelassen. Konkret wird sich Europa bemüßigen müssen und diese Nordafrikanischen Staaten zu entwickeln und knallhart -abseits vom Gutmenschentum – die Bedingungen stellen, wie China: Sachleistung, Infrastruktur und Arbeit gegen Schulbildung

Cojo Tee
6 Jahre her

Gibt es für so was nicht eigentlich die Fremdenlegion?

AlNamrood
6 Jahre her

Wir bezahlen Marokko damit die dann „unschöne Bilder“ an ihrer Südgrenze produzieren, die wir aber wiederum nicht sehen. Und was man nicht sieht interessiert auch nicht. Lächerlich.

giesemann
6 Jahre her
Antworten an  AlNamrood

Vielleicht können Sie sich mal entscheiden, was Sie eigentlich sagen wollen, AlNamrod.

Christoph
6 Jahre her

Es ist erstaunlich ,daß die marrokanischen Behörden in der Lage sind hunderte Afrikaner gegen ihren Willen in Bussen zu „verladen“.Wir benötigen für die Festnahme eines unwilligen Einzelnen dutzende Streifenwagenbesatzungen.

AlNamrood
6 Jahre her
Antworten an  Christoph

Es interessiert in Marokko auch keinen wenn die Polizei mal beherzt zugreift. Das ist dort nämlich normal. Anders kann man muslimische Länder gar nicht befrieden. Was passiert wenn der Staat sich nicht angemessen wehrt erleben wir grade.

Nibelung
6 Jahre her

Wer hier wen dazu bewegt hat, die sogenannten Flüchtlinge aufzuhalten, steht in den Sternen, Merkel war es auf jeden Fall nicht, den Victor Orban war der Vorreiter der Grenzschließung, andere folgten und die Italiener zuletzt und das beflügelt nun andere Südstaaten es ihnen gleichzutun, denn wer will schon diese Leute allein im Land haben, mit der Aussicht sie nicht mehr loszuwerden und manche arbeiten eben versteckt daran, die außereuropäischen Ausländer loszuwerden und Frau Merkel spricht immer noch von gemeinsamer Asylpolitik und hat noch garnicht bemerkt, wie in dieser Frage der Zug der Zeit an ihr vorrüber geht und so wie… Mehr

mlw_reloaded
6 Jahre her

Neuankömmlinge vielleicht, ja. Aber die schon hier sind, bleiben hier, und bilden Banlieues. Exakt dasselbe passiert ja schon seit Langem in Frankreich, sobald die staatlichen Sozialleistungen enden. Die Lösung kann nur massenhafte Abschiebung sein.

giesemann
6 Jahre her
Antworten an  mlw_reloaded

Sowieso, klar.