Die ZEIT – Im Proteststurm nach Pro & Contra zur privaten Seenotrettung

Es geht um einen in der ZEIT, am 11./12. Juli, erschienen Artikel mit der Überschrift "Oder soll man es lassen", in dem in Pro & Contra Manier das Thema der privaten Seenotrettungs-Missionen beleuchtet wird. Was daraus entsteht ist Hysterie auf dem Höhepunkt. Eine Reflexion von Alexander Wallasch.

shutterstock/Screenprint ZEIT
Der Debattenbeitrag "Oder soll man es lassen?" über private Seenotrettung in der aktuellen ZEIT führte zu heftigsten Reaktionen.

Wir leben in aufregenden Zeiten. Nein, in hysterischen. Eine Stimmung, wie jene kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende, als viele Verängstigte in den Städten verrückt wurden angesichts der vermeintlichen Bedrohung durch den der Erde nahekommenden Halleyschen Kometen. Weltuntergangsstimmung.

Nun ist kein Komet in Sicht, es reicht ein falscher Satz von Horst Seehofer oder ein Artikel in Die ZEIT, das Ende der Menschheit – oder präziser: das Ende der Menschlichkeit – vorherzusagen. „Mit dem mächt’gen Riesenschwanze, wie ihn ein Komet nur hat, geht der Satan gleich aufs Ganze und versengt die sünd’ge Saat.“

Auf den Scheiterhaufen soll nun nach Seehofer, ZEIT-Redakteurin Mariam Lau. Ihre Kollegen werden per Twitter aufgefordert, die Kaffeepause zu nutzen, ihr den Heißgebrühten in die Visage zu schütten oder ob es in Ordnung geht, ZEIT-Journalisten auf offener Straße zu erschießen. Aber nein, alles nur Satire, alles nur Titanic.

Ralf Stegner trinkt seinen Kaffee selber, aber erkennt in der Journalistin eine Barbarin:

Ralf Stegner (@Ralf_Stegner)12.07.18, 07:52 Beängstigender Titel der ZEIT. Als ob es wirklich eine offene Frage wäre, Seenotrettung ja oder nein. Seenotrettung ist humanitäre Pflicht. Alles anderenorts Barbarei!

Das „Zentrum für politische Schönheit“, ein Zusammenschluss von Künstlern, die schön Björn Höckes Nachbargrundstück mit Stelen versehen haben, verkündet:  „Das Ende des Journalismus“ und twittert, wen man von den privaten NGOs alles hätte interviewen können, stattdessen würde die ZEIT „rechtsradikale Überschriften“ setzen.

Die Nazi-Überschrift laute: „Oder soll man es lassen?“ bzw. online „Illegaler Shuttle-Service“. Es geht um private Helfer im Mittelmeer und ihre zweifelhaften Aktivitäten, an denen kaum noch zweifelhaft ist, dass sie Teil der Schlepperrouten geworden sind. Die Schlepper rechnen mit den NGO-Booten vor der libyschen Küste, entsprechend dürftig sind ihre Schlauchboote ausgestattet und entsprechend überladen.

Ist es legitim dennoch weiter diese Seenotrettungen durchzuführen, die längst  unter Verdacht stehen, eben diese Seenot erst zu provozieren? „Ist das legitim?“, fragt Mariam Lau, was sich TE schon seit vielen Monaten fragt, als wir die Aktivitäten der NGOs recherchierten und entsprechend dokumentierten.

Und Mariam Lau traut sich noch weiter an den Herd des Wahnsinns heran: Sie schmettert den Befürwortern dieser unter Schlepperverdacht stehenden NGOs und damit auch ihren Unterstützern, wie beispielsweise der evangelischen Kirche Deutschland, unbequeme Wahrheiten entgegen, die den Scheiterhaufen nun für Mariam Lau endgültig zur Weißglut bringen: „Die Retter sind Teil des Geschäftsmodells der Schlepper.“

Und weiter: Die private Seenotrettung könne zur Problemlösung vor Ort „null und nichts“ beitragen. Und die im Kontext ihres Arbeitsortes nun fast schon „tapfer“ zu nennende Journalistin erklärt es unmissverständlich: „Je mehr gerettet wird, desto mehr Boote kommen – so einfach ist das und so fatal.“ Die selbsternannten privaten Retter würden sich auf der moralisch unangreifbaren Seite wähnen, sie würden allerdings mitwirken am Problem, das zu beseitigen sie angetreten seien.

Eine Logik, die auf der Sachebene überhaupt keines ausufernden Diskurses bedarf. Und was für die Stegners dieser Republik daran nun unverständlich oder gar barbarisch sein soll, ist schleierhaft. Zuviel Kometenstaub eingeatmet? Denn wenn die Wahrheit auszusprechen barbarisch ist, was ist dann diese Seenotrettung, die nach Mariam Lau das Problem samt Ertrinkenden nur noch befeuert? Wie steigert man „barbarisch“?

Journalistin Lau scheut sich nicht, die Kausalketten der Argumentation privater Seenotretter zu dechiffrieren, wenn sie den Sprecher der Sea-Watch-Organisation zitiert, der doch tatsächlich eine Art Sühneleistung für Kolonialverbrechen ins Feld führt, die eine Schuld Europas aufgebaut hätten, die diese Migranten nun einfordern mit einem Recht auf Migration, welche diese Seenotretter nun ermöglichen würden.

Mariam Lau weiß noch von anderen NGOs, die sich unerschrocken mit den Fluchthelfern der ehemaligen DDR vergleichen würden oder gar mit Bürgern, die im Zweiten Weltkrieg Juden gerettet hätten. Eine Auswahl von Migranten sei für viele dieser Helfer schon „Selektion“, so die Journalistin weiter.

Fazit der Journalistin: „Wer mit dem Verweis auf Menschenrechte jede Sicherung der Grenzen zu verhindern versucht, wird am Ende denen in die Hände spielen, die gar kein Asylrecht mehr wollen.“

So eine Aussage soll nun Barberei sein? Verdient den brühheißen Kaffee ins Gesicht von den Kollegen oder den öffentlichen Fangschuss??!

Hysterie auf ihrem Höhepunkt. Die Entmenschlichung des Diskurses von vermeintlichen Menschenfreunden. Kometenanbeter im durchgedrehten Veitstanz. Barbarisches Gutmeinen.

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Kommentare ( 122 )

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122 Comments
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Stony
6 Jahre her

Da sieht man wieder wie eine auf gesundem Menschenverstand basierende und unzweifelhaft zutreffende Analyse das linkgsrüne politisch-mediale Establishment auf die Palme bringt, weil es an seine fundamentalen politischen Lebenslügen rührt und die dort grassierende Realitätsverleugnung und politische Verantwortungslosigkeit offenlegt. Ein Dank an die – so muss man leider heutzutage schon sagen – mutige Journalistin und ausnahmsweise auch an die ZEIT für den Artikel. Herr di Lorenzo hat möglicherweise erkannt, dass ideologisch geprägte Realitätsverleugnung auf Dauer kein Erfolgsrezept für eine Zeitung sind. Dann bitte weiter so.

Wolfgang Schuckmann
6 Jahre her

Mariam Lau hat nichts getan außer ihren Verstand zu benutzen. Ich habe ihr dies in einer persl. Mail gedankt für den Mut, den sie gezeigt hat und habe von ihr ein sehr herzliches Danke bekommen. Nur wenn es gelingt in Zukunft mehr mutige Menschen in wichtigen Positionen dazu zu bewegen, dass sie die Dinge benennen wie sie sind und nicht der Versuchung erliegen alles schön zu reden, werden wir es schaffen zu anderen Verhältnissen zu kommen. Deshalb: Jeder, der diese Frau in ihrem Mut unterstützen will, sollte ihr eine Mail unter der Adresse: leserbriefe@zeit.de senden, um ihr zu zeigen, dass… Mehr

Wilhelm Cuno
6 Jahre her

Meinen Glückwunsch an Mariam Lau. Erst wenn die Zeit ähnlich wie Spiegel während der Spiegel-Affäre vor Jahrzehnten wieder Risiken eingeht, wird sie zu alter Stärke zurückkehren. Und ein Risiko ist es zweifelsohne, mit Ideologen zu diskutieren, egal ob sie rechts, links, religiös oder sonst irgendwie motiviert sind. Bleiben Sie mutig, liebe Zeit, und insbesondere auch Frau Lau!

AlNamrood
6 Jahre her
Antworten an  Wilhelm Cuno

Die Zeit kann gar nicht zu alter Größe finden wenn das Personal journalistisch unfähig ist. Das ist es, denn Journalismus ist heute nichts anderes als eine Kaderschmiede.

Tabascoman
6 Jahre her
Antworten an  Wilhelm Cuno

Gut beobachtet: die Kunstdebatten um aufgezwungene Schein-Themen von Schein-Wichtigkeiten werden hysterischer. Jedenfalls von der Seite der Themen-Erfinder. Und die Steuerungsorgane der Meinungssetzung haben alle Hände voll zu tun. Mit Zensur ähhh Moderation nennt man das ja jetzt auf neudeutsch. Bei der ZEIT sieht das dann so aus: Entfernt. Bitte verzichten Sie auf überzogene Polemik. Danke, die Redaktion/lh Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen. Danke, die Redaktion/lh Entfernt. Bitte bleiben Sie beim Thema. Danke, die Redaktion/mp Entfernt. Nutzen Sie den Kommentarbereich bitte um sich sachlich über den Artikelinhalt auszutauschen. Danke, die Redaktion/rg Entfernt. Bitte formulieren Sie Kritik sachlich und differenziert. Danke,… Mehr

maru
6 Jahre her
Antworten an  Tabascoman

Solche Erfahrungen habe ich mit der „Zeit“ auch gemacht.

Enrico Stiller
6 Jahre her

Dazu fällt mir nur noch Asterix ein: „Die spinnen, die Bestmenschen!“

AlNamrood
6 Jahre her

Die werden nur wie immer geblockt oder gelöscht. Ein paar besonders dämliche lässt man aber drin um „Beweise“ zu haben wie doof die Gegenseite doch ist.

Philipp Tertuete
6 Jahre her

Was sollen die Interpretationen über diese vermeintlichen Retter. Es muss einfach das Gesetz sprechen und danach sind diese: Schleuser. Warum also wirkt das Gesetz nicht mehr? Wo ist die Rechtsstaatlichkeit? Es würde viel helfen, endlich die Gesetze anzuwenden!

Philipp Tertuete
6 Jahre her

Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit; Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung.

Thomas von Aquin

Die Protagonisten versuchen, ihrem Leben, einen Sinn zu geben. Durch den Wegfall der Religion sind nicht nur die schlechten Tugenden entfesselt, nein, sondern, noch schlimmer, auch die guten! Entfesselte guze Tugenden ohne Sinn und Verstand.

nhamanda
6 Jahre her

Es wird im Zusammenhang mit Seenotrettung oder jeder Art der unkontrollierten Zuwanderung von dem „Gutmenschen“ gesprochen. Ich würde sie anders nennen. Sie sind die „Bessermenschen“ und zwar totalitär. Was sich auch in Aussagen wie der „Schuld“ widerspiegelt, die wir alle auf uns geladen haben durch Fehlverhalten irgendwelcher Urvorfahren vordemokratischer Zeiten (und der Nazis selbstverständlich auch). Die Bessermenschen tragen diese Schuld für uns alle ab und stellen sich damit auf die Stufe von Christus (Sohn Gottes) der auch für unsere Sünden gelitten hat und gestorben ist (allerdings mit späterer Gratis Himmelfahrt – hat sich also gelohnt für ihn, irgendwie) Aber –… Mehr

Thorben Friedrich-Dohms
6 Jahre her
Antworten an  nhamanda

Persilschein? Sie erben die Schuld als Deutscher, da kommen Sie nicht raus. Verstehen Sie doch endlich, sie haben keinerlei Rechte an dem Land fka Deutchland, aber alle Schuld des Landes lastet auf Ihnen. Basta! Ich darf bei aller Bescheidenheit auf mein Gedicht hinweisen, das ich schon 2015 verfasst habe: Der Gutmensch ist in sich verliebt, weil´s keinen zweiten wie ihn gibt. Er hat die Menschlichkeit im Blut, und was er tut, wird immer gut. Er hat ein riesengroßes Herz, und spürt der andern Menschen Schmerz. Er leidet mit und er versteht, am besten wie es andern geht. Doch spürt auch… Mehr

Felicitas Fortuna
6 Jahre her

Vielen Dank für dieses treffende Gedicht. Wäre das nichts für einen augenzwinkernden Lyrik-Einschub in der gedruckten Ausgabe, liebe TE-Redaktion?

pcn
6 Jahre her

Nach dem Kalten Krieg kommt die Migration, besser Völkerwanderung. Ausgelöst durch eine überbordende Geburtenrate in der Dritten Welt. Lange hat man diese Gefahr ignoriert, ignorieren wollen. Die technologische wie wirtschaftliche Rückständigkeit dort als Gefahrenherd auch. Dabei war spätestens schon Anfang der Neunziger mit der BBC-Fernsehfilm Sci/Fi „The March“ diese drohende Gefahr bekannt. Und schon weit davor: Die Völkerwanderung IST die größte Herausforderung für den Weltfrieden im 21.Jahrhundert. Die UN ist wohl der Meinung, dass die Gefahr nur durch eine Auflösung der Grenzen weltweit bannen kann. So nimmt man zwar den Druck aus dem Kessel der Herkunftsländer, verschärft aber gleichzeitig die… Mehr

Franck Royale
6 Jahre her

Oscar Wilde hatte 1891 in „The soul of man under socialism“ schon exakt das beschrieben, was hier bei TE und jetzt eben auch von Miriam Lau nur im anderen Kontext beschrieben wurde: „The emotions of man are stirred more quickly than man’s intelligence; and, as I pointed out some time ago in an article on the function of criticism, it is much more easy to have sympathy with suffering than it is to have sympathy with thought. Accordingly, with admirable, though misdirected intentions, they very seriously and very sentimentally set themselves to the task of remedying the evils that they… Mehr