Die Ignoranz männlicher Journalisten: Sie ignorieren ihre weiblichen Kolleginnen bei Twitter einfach.
Eine jüngst bei The Guardian veröffentlichte Studie hat herausgefunden: „Männliche Journalisten ignorieren ihre Kolleginnen bei Twitter“. Das „Gender-Ungleichgewicht“ führe dazu, dass Journalistinnen nicht die gebührende Aufmerksamkeit für ihre kreative Arbeit bekommen; dieser Alltags-Sexismus kreiere Nachteile für Frauen im Job.
Die eigenen Vorurteile werden ja immer gerne gepflegt, deshalb stelle mir das so vor, dass sich die Studienmacher zuerst gefragt haben, in welchem Bereich des Lebens man noch Sexismus anprangern könnte. Dann haben sie darum geknobelt und sich bei „Twitter“ dazu entschlossen, eine Studie abzufassen. Twitter ist von dem Sexismus-Gedöns bislang mehr oder weniger verschont geblieben. So oder so: Der Sexismus-Vorwurf ist heute in allen Lebenslügen, pardon, -Lagen, wie ein Joker, er bekommt Instant-Beachtung und funktioniert auch ohne Erbringung des Beweises, der ein bestimmtes männliches Verhalten zwingend an Überlegenheitsfantasien und Diskriminierung gegenüber Frauen koppeln würde.
Aber einverstanden, es ist schon so: Männer beschäftigen sich bei Twitter mehr mit ihresgleichen als mit dem weiblichen Geschlecht. Und hier mein Geständnis: Ich tue es auch. Ich kommentiere, like und retweete Beiträge von Männern viel öfter als solche von Frauen. Von den 137 Accounts, denen ich bei Twitter folge, sind nur 33 weiblich. Alarmierend ist das, wie ich jetzt aus der Studie im Guardian erfahre: „Nimmt man die Bedeutung von Twitter im Polit-Journalismus, kann es gut sein, dass dieses Gender-Ungleichgewicht einen noch grösseren strukturellen Nachteil für Journalistinnen in ihrem Beruf schafft.“ Als Teil des sexistischen Patriarchats bin ich also mitverantwortlich für die Verdrängung von kreativen Journalistinnen an den äusseren Twitter-Rand, und auch für gewisse Probleme, denen sie in ihrem Job begegnen. Irgendwie habe ich es ja immer geahnt.
Die Studie, die im deutschsprachigen Raum unter Journalistinnen rege geteilt wurde, ist von „American Political Reporters“ und basiert auf 2,292 analysierten Twitter-Konten von Journalisten in Washington DC. Konkret steht da, dass männliche Polit-Journalisten ihren Kollegen in 91,5% ihrer Zeit antworten und sie dreiviertel Mal mehr retweeten als ihre weiblichen Kolleginnen: “Am alarmierendsten ist, dass männliche Journalisten sich bei Twitter fast ausschliesslich mit ihresgleichen beschäftigen, während Journalistinnen sich eher mit Journalistinnen befassen.“ Diese männliche Dominanz erschwere es Journalistinnen gerade bei politischen Debatten, sich Gehör zu verschaffen.
Zu wenig Beachtung für die Damen? Frauen und die Opferrolle: Man kommt irgendwie nicht voneinander los – es erinnert spontan an Glenn Close in Fatal Attraction. Und weil eben Fakten zur Rechtfertigung von Sexismus-Ideen nicht so wahnsinnig gut taugen, begnügt man sich mit deren taktvoller Auslassung. Denn Tatsache ist: Verschiedene Faktoren, die nichts mit Sexismus zu tun haben, erklären das Phänomen der bescheideneren Berücksichtigung von Frauen in den sozialen Medien. Das Online-Verhalten bei den Geschlechtern ist grundsätzlich unterschiedlich: Frauen nutzen soziale Medien eher dazu, um sich mit Freunden und Familie zu unterhalten, ihr Kommunikationsbedürfnis zu befriedigen, während Männer da eher Job-mässig unterwegs sind und ihre Accounts aus dem Grund möglicherweise mit mehr Ambition und Aufwand verwalten. Laut einem Artikel des Wirtschaftsmagazins persönlich.com, der das Online-Verhalten von Influencern beschreibt (bekannte Journalisten sind auch Influencer), liken Frauen gerne und häufiger, Männer schreiben tendenziell lieber eigene Beiträge.
Preisfrage: Wem folgt und mit wem interagiert man also eher? Mit Personen, die mehr eigene Beiträge posten oder solchen, die meist nur liken und retweeten? Das heisst nicht, dass Frauen grundsätzlich weniger Eigeninitiative demonstrieren, aber bei Twitter und Facebook geht es in die Richtung. Zudem sind Männer meines Erachtens in ihren Beiträgen einen Zacken couragierter, schneidiger, ihre Posts kommen weniger überlegt daher, dafür authentischer und ja, man kann es auch Spontaneität zu Lasten der Professionalität nennen – aber das bewirkt eben mehr Kontakte. Der Hauptgrund aber, warum ich mich in den sozialen Medien mehr mit Männern beschäftige, ist ihr Humor. Männer sind lustiger als Frauen.
Man kann also Studien wie diese so deuten, dass Journalistinnen bei Twitter wegen der männlichen Dominanz ignoriert werden, kann das Argument derart überstrapazieren, dass es sogar für systematische Nachteile im Job herhalten muss – eine wunderbar bequeme Denkweise, die einem befreit von mehr eigener Initiative, Originalität und Mut. Oder man kann sie so interpretieren, dass viele Frauen sich eben mit anderen, wichtigeren Dingen als Twitter beschäftigen – mit ihrer Arbeit oder der Familie. Oder, wenn bei Twitter, dann mit Fotoaustausch unter Freundinnen und dergleichen.
Auf jeden Fall dürfte es nicht lange dauern, bis das Unternehmen – um auf der Höhe der Zeit und ihrer Nörgeler zu sein – diesbezüglich neue Regeln einführt und Männer dazu verpflichtet, den twitternden Damen vermehrt Beachtung für ihre kreative Arbeit zu schenken und ihre Beiträge uneingeschränkt zu liken, teilen und kommentieren. Zwecks Erfolgspotential im Humorbereich hätte ich dann einen Vorschlag: Die Herren könnten das Verfassen dieser Tweets doch gleich mitübernehmen. Ich weiss, jetzt gibt’s zünftig eins obendrauf.
Der Beitrag erschien in Kurzversion zuerst bei der BaZ.
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Tja, einmal dafür gelobt, alleine aufs Töpfchen zu gehen, schon hat man den Salat und hört sich das ein Leben lang an.
Frauen, man MUSS sie einfach lieb haben 🙂
Als alter weißer Mann gehöre ich zur absoluten Minderheit was die Weltbevölkerung angeht. In den Medien werde ich totgeschwiegen, da beherrschen Islam und Migranten die Schlagzeilen. In Südafrika werde ich gar abgeschlachtet. Merkt das irgendwer irgendwann mal?
Wenn ich bei Twitter wäre, dann würde ich Ihnen garantiert folgen, denn ich finde Ihre Beiträge hier bei Tichy gnadenlos gut! Sie zeigen immer wieder die ganze Absurdität der heutigen Emanzipations-/ Sexismusdebatte auf, die von Frauen und Männern geführt wird, die meistens ein Problem konstruieren, damit sie was zu tun haben, und sich empören können.
WIRD MAN JETZT SCHON FÜR’S NICHTSTUN BESTRAFT? OK, es gibt den Tatbestand der „unterlassenen Hilfeleistung“, aber der bezieht sich auf Notfälle. Man kann natürlich gesetzlich verordnen (das passt vor allem gut zu einem totalitären Staat), dass jeder lernen muss, das Gras wachsen zu hören. Also jeder (Mann) muss (statt sinnvolle Arbeit zu leisten) den Hauptteil seiner Energie darauf verwenden, sich zu überlegen, wem er alles schaden könnte wenn er bestimmte Dinge NICHT tut. Die hässliche Frau fühlt sich beispielsweise nicht genügend beachtet (wie auch), eine andere fühlt sich arbeitsunfähig, weil die männlichen Kollegen ihr nicht 100mal am Tag sagen wie… Mehr
Zwei Dinge fallen mir zu Ihrem wunderbar zu lesenden Beitrag ein, weil ich finde, dass man Männern genauso sagen kann wie toll sie sind.
Erstens die Folge von „Little Britain“, in der der Sekretär des angeschlagenen Premierministers ins Parlament tritt, singend,“You are beautiful, no matter what they say“ und damit alle begeistert und der Film „Blind und hässlich“, der mir nicht ohne Aussage scheint.
Eins obendrauf – wozu? Ich höre mehr Quark von Frauen als von Männern, entscheide nach Fakten. Bei mir war noch nie eine Frau unter Vertrag, bin im MINT- Bereich unterwegs, da spucken die Unis keine brauchbaren Frauen aus. Ich meine das nicht böse und auf keinen Fall möchte ich eine klagewürdige Situation schaffen. Damit darf sich Big S oder jemand anders herumschlagen, ich gewiß nicht, könnte mich killen. Damit hat man die bizarre Situation geschaffen, daß man Frauen von vorneherein lieber mit Standardphrasen weghält, als ihnen eine reale Chance zu geben. Aber das wollten die Feministinnen anscheinend provozieren. Farewell! Im… Mehr
Sehr geehrte Frau Wernli, ich lese zwar Ihre Twitter-Beiträge genauso wenig wie die allermeisten ihrer männlichen Kollegen, Ihre Artikel lese (!) ich aber ziemlich regelmäßig. In sofern sind Sie manchen Ihrer Berufsgenossinnen (und Genossen) in etlichen Medien schon mal einen Schritt voraus. 😉 Ich würde Ihre Twitter-Beiträge aber vielleicht lesen, wenn Sie keine Artikel mehr schreiben könnten.
Nx da, Frau Wernli, Sie sind witzig, deswegen lese ich Sie gerne.
Leider kann ich zu twitter nichts sagen, da bin ich wie bei vielem nicht.
Im Kommentarbereich finde ich witzige Kommentare gut. Ich schaue gar nicht ob männlich oder weiblich.
Ich habe den Eindruck, dass es Stater_innen gibt, dazu gehöre ich. Ich sage gerne meine Meinung und Kontakter_innen, ich achte nicht darauf.
Ihnen weiterhin Alles Gute.
🙂
… in der Reduzierung der Wortwahl unterscheidet sich die Quasselstrippe vom Quasselstripper. Hut ab!
Ernsthaft? – Was mache ich nur falsch, niemand diskriminiert mich? Muss ich mich erst bei Twitter anmelden, um in den Genuss einer öffentlichen Benachteiligung zu kommen. Vielleicht oute ich mich demnächst „Trans-Colored“ zu sein, also mit einer falschen Hautfarbe (weiß) auf die Welt gekommen zu sein und fortan damit leben muss, von der Gesellschaft ständig falsch wahrgenommen zu werden. – Meine Güte! Jetzt ist es raus.
Das beruhigt mich aber so garnicht, @ myrkf,
aber es tröstet – immerhin. 🙂