Nicht nur Merkels Migrations-Politik ist unbedacht, sondern ihre Energie- und Klimapolitik auch.
Es heißt ja oft, Lobbyisten aus der Wirtschaft hätten großen Einfluss auf die in Berlin Regierenden und deren Politik. Entweder ist da nichts dran, oder die Einflüsterer haben geschlafen. Die Energiewende jedenfalls geht unbeirrt in ihr sechzehntes Jahr und vernichtet nach und nach unsere industrielle Basis. Erst wurden die Stromversorger sturmreif geschossen. Jetzt beginnt man damit, die Öl- und Gasindustrie aus dem Land zu treiben. Als nächstes kommen die Grundstoffhersteller an die Reihe.
Dekarbonisierung vernichtet Wertschöpfungsketten
Wolfgang Eder, seines Zeichens Vorstandschef der österreichischen Voestalpine und Präsident des Weltstahlverbandes, beklagt sich im Tagesspiegel jedenfalls bitterlich über die hohen Energiekosten, unter denen seine Branche zu leiden habe. Was zwangsläufig zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland führen werde. Das ist zwar korrekt beobachtet, gibt aber nur die halbe Wahrheit wieder. Die Verfechter der gegenwärtigen Energiepolitik sehen in hohen Energiepreisen nur einen nützlichen Nebeneffekt. Ihr Primärziel lautet Dekarbonisierung. Und dazu ist auf Energieträger wie Stein- oder Braunkohle, Öl oder Gas in Zukunft weitgehend zu verzichten. Hierin liegt das eigentliche Menetekel für die Eisen- und Stahlproduktion in Deutschland.
Stahl, Zement, Glas und Keramik bilden die Basis jeder Industriegesellschaft. Sie werden für fast alle Maschinen und Infrastrukturen benötigt. Kohle, Öl und Gas sind zu ihrer Herstellung notwendig. Denn nur mit Kohlenwasserstoffen können die erforderlichen Prozesstemperaturen von jeweils mehr als 1.000 Grad über längere Zeiträume dargestellt werden. Solarthermie ist keine Alternative, da selbst riesige Spiegelfelder in sonnenreichen Regionen solche Wärmemengen nur tagsüber und räumlich eng konzentriert liefern. Die Kernenergie wäre eine Option, aber bis zur Umsetzung existierender Pläne für Hochtemperaturreaktoren können Jahrzehnte vergehen. Außerdem ist Kohlenstoff ein für die Produktion der Grundstoffe unverzichtbarer Reaktionspartner.
In einem Hochofen wird Roheisen aus Eisenerz gemäß der Reaktionsgleichung Fe2O3 + 2C -> 2Fe + CO + CO2 gewonnen. Zur Darstellung von einer Tonne Eisen bedarf es daher 333 kg Kohlenstoff als Reduktionsmittel. Hinzu treten weitere 50 kg als Legierungsbestandteil und 34 kg aus Kohlenwasserstoffbindungen als Energielieferant. In Summe ergeben sich 417 kg Kohlenstoff, die in 468 kg Koks enthalten sind. Diese Überschlagsrechnung betrifft den Idealfall eines Prozesses ohne jegliche Verluste. Solche aber lassen sich in der Praxis niemals vollständig vermeiden. Derzeit benötigt die deutsche Stahlindustrie etwa 500 kg Koks zur Produktion von einer Tonne Roheisen. Die technischen Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz sind ausgeschöpft.
Wenn man Kohlendioxid-Emissionen mit einer Strafzahlung versieht, ganz gleich ob über Emissionszertifikate oder eine Steuer, ist es den deutschen Hüttenwerken daher nicht möglich, diese zusätzlichen Kosten mit einer effizienteren Herstellung und reduzierten Emissionen abzufangen. Sie werden zahlen müssen, denn Chemie und Physik beugen sich nicht politischen Irrwegen. Ein Wettbewerbsnachteil, der die Stahlproduktion aus dem Land treibt. Auch für Zement, Glas und Keramik sieht es düster aus. Die zuliefernden Maschinen- und Anlagenbauer werden folgen. So vernichtet eine auf Dekarbonisierung fokussierte Energie- und Klimapolitik ganze Wertschöpfungsketten.
Deindustrialisierung vernichtet Wohlstand für alle
Das ist politisch gewollt. Schon im Dezember 2001 äußerte sich der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung zu den erwarteten Auswirkungen der im Jahr zuvor eingeleiteten Energiewende wie folgt:
„Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hält einen – sozial abgefederten und rechtzeitig eingeleiteten – Strukturwandel weg von den energieintensiven Altindustrien für langfristig ohnehin sinnvoll.“
Altindustrien, damit sind genau die gemeint, die auf Kohlenwasserstoffe als Energieträger und Kohlenstofflieferanten prinzipiell nicht verzichten können. Damit sind Stahl, Zement, Glas und Keramik gemeint, ohne die übrigens auch Windräder, Biogasanlagen, Wasserkraftwerke und Solarzellen nicht möglich wären.
Im Energiekonzept des Jahres 2010 hat die Kanzlerin den Ausstieg aus der Grundstoffindustrie endgültig festgeschrieben. Mit etwa 18 Millionen Tonnen jährlichem Bedarf sind die „Altindustrien“ heute noch immer der zweitgrößte Nutzer von Steinkohle nach den Stromversorgern, deren Kraftwerke rund 40 Millionen Tonnen verbrennen. Das Ziel der Energiewende besteht darin, zur Vermeidung von Emissionen den Steinkohleverbrauch in Deutschland bis 2050 auf unter 15 Millionen Tonnen abzusenken, die dann fast ausschließlich der Stromproduktion dienen. Stahl, Zement, Glas und Keramik kommen in diesem Plan nicht mehr vor.
Weite Teile der deutschen Industrie versuchen noch immer, sich mit dieser Politik zu arrangieren, statt sie zu bekämpfen und zu verhindern. Konzerne wie EON oder RWE investieren Millionen in Anzeigenkampagnen, in denen sie sich als Vorreiter einer Energiewende darstellen, durch die sie am Ende vernichtet werden. ExxonMobil lässt keine Gelegenheit aus, Erdgas als wichtigen Bestandteil des Übergangs zu Wind und Sonne zu vermarkten. Als ob es nur darum ginge, ein paar wildgewordene Anti-Fracking-Aktivisten zu neutralisieren. In Wirklichkeit schiebt der Gesetzgeber diese nur vor, um die Öl- und Gasindustrie durch die so entschuldigte Verzögerung dringend erforderlicher Regelungen zur Erdöl- und Erdgasgewinnung in Deutschland verhungern zu lassen. Dekarbonisierung bedeutet Verzicht, man will schlicht die Produktion und auch die Nutzung von Kohlenwasserstoffen in Deutschland massiv begrenzen. Bemerken Lobbyisten denn nicht, was die Regierung und deren Beratergremien so alles von sich geben?
Nun scheint wenigstens die Stahlindustrie aufgewacht zu sein. Lange genug hat es gedauert. Ob es noch etwas bringt? Wenn überhaupt wäre eine konzertierte und andauernde Aktion der gesamten Industrie erforderlich und nicht nur verhaltene Wortmeldungen aus einzelnen Branchen. Joachim Steinhöfel schreibt an anderer Stelle zur Kanzlerin: „Sie zum Rücktritt zu zwingen, ist die herausragende politische Aufgabe unserer Zeit.“ Das gilt nicht nur für die Migrations- sondern auch für die Energie- und Klimapolitik.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein