Auf dem Jakobsweg

Ein Supergau Deutschlands ist manchen ihr ethisch-moralisches Fukushima. Wäre Deutschland ein Unternehmen, die fristlose Kündigung des illoyalen Mitarbeiters Jakob Augstein hielte vor jedem Arbeitsgericht stand.

Mittlerweile wähnt man sich in einer Situation, wie in „Die Welle“. Nur ganz andersherum. Haben Sie den Film gesehen? Die Handlung basiert auf dem Experiment „The Third Wave“, das 1967 in Kalifornien stattfand. Kurz gesagt geht es inhaltlich um Verführung hin zu einer Ideologie, die man nüchtern betrachtet zuvor für völlig abwegig gehalten hätte. Ein Sozialexperiment, das vorführt, wie Menschen unter Gruppenzwang ihre Werte und Vorstellungen radikal zu verändern bereit sind.

Augsteins frohlockender Abgesang

Nein, ich spreche hier mal ausnahmsweise nicht von einer Gefahr von rechts, von einer Radikalisierung der Gesellschaft, sondern ich werfe den Blick auf die andere Seite dieses Ozeans der Ereignisse rund um die Einwanderungswelle, ich schaue ausnahmsweise mal dorthin, wo man schon inbrünstig die weißen Fahnen schwenkt und einen frohlockenden Abgesang auf Deutschland, seine gewachsenen Strukturen und Werte anstimmt, wie jüngst einer der ehrgeizigsten Apologeten dieser Abwicklungsbewegung, der Journalist Jakob Augstein, der befand:

„Nichts ist mehr heilig in Deutschland. Überall lauern Lug und Trug. Welche ‚Werte‘ sollen die Einwanderer noch mal anerkennen? Die deutschen? Lieber nicht.“

Genauer beschaut, ist das natürlich grotesk: Augstein meint nämlich dort, das der VW-Skandal und der Verdacht des Einkaufs der WM 2006 irgendetwas für ihn zuvor „Heiliges“ an Deutschland jetzt ad absurdum geführt hätte. Wenn also ein Stauffenberg vor seinen Henkern ausrief:“ Es lebe das heilige Deutschland“, dann sieht sich Augstein in der Tradition Stauffenbergs, wenn er das Heilige mitdenkt, aber feststellt, das nun nichts mehr heilig wäre am Vaterland.

Was ist das? Größenwahn? Irgendeine nationale Religiösität? Möglicherweise eine enttäuschte Deutschgläubigkeit? Damit stellt sich Augstein auch noch ausgerechnet in eine Reihe mit Akif Pirincci, der auch zu jeder sich bietenden Gelegenheit Stauffenbergs letzte Worte zu Protokoll gibt. Was für eine Koinzidenz ist das eigentlich? Wo hat diese grenzüberschreitende bourgeoise Deutschland-Befruchtung ihre Keimzelle?

Nein, Herr Augstein, jene, die diese gar nicht einmal so schwer fassbaren deutschen Werte – wahrscheinlich meinten Sie sowieso eher Tugenden wie Ehrlichkeit, Lauterkeit, Fleiß usw. – mit Füßen getreten haben, sind Leute Ihresgleichen. Menschen, die sich selbstverständlich als Teil dieser mickrigen nachkriegsdeutschen Elite verstehen. Wenn Sie titeln: „Deutsche Lügen“ und einen Verrat an unseren Werten feststellen, dann dürfen Sie sicher sein, dass dieser Verkümmerungsprozess abseits der realen Gesellschaft stattfindet: im deutsch-elitären Establishment, bei Ihnen zu Hause im Salon und anderswo am Jakobsweg.

Aber nun würde man Jakob Augstein Unrecht tun, würde man ihm da eine allzu große Sonderrolle zugestehen. Nein, es muss keine Jakob-Obsession sein, wenn man immer wieder auf ihn kommt: Er bietet sich einfach immer so vortrefflich Woche für Woche an, spiegeln doch seine Kolumnen so exakt wieder, was seinesgleichen umtreibt, wenn es um die Geschicke unseres Landes geht. Für die Augsteins dieser Republik ist es über all die Jahrzehnte bundesrepublikanischer Existenz eine Obszönität geblieben, dass die Erben des Dritten Reiches heute führende Wirtschaftsmacht in Europa und der Welt geworden sind. Noch schlimmer: auch noch das beliebteste Land der Welt!

Der Supergau des deutschen Volkes als ethisch-moralisches Fukushima

Um seinem anhaltenden Unwohlsein darüber Ausdruck zu verleihen, zitiert Augstein sogar seinen persönlichen Zuchtmeister Henryk M. Broder, der ihn einst „meinen Lieblings-Antisemiten“ nannte, folgendermaßen: „Es ist die nicht erfüllte Bestrafungserwartung nach dem kollektiven Ausrasten von 1933 bis 1945.“ Augstein legitimiert damit seinen persönlichen Ekel an Deutschland und den Deutschen. Aber geht das? Warum ist er nicht bereit, einen 70 Jahre alten Ekel, einfach runterzuschlucken? Im Gegenteil, er hat sich den Brocken sogar selbst einverleibt. Wäre Deutschland ein Unternehmen, die fristlose Kündigung dieses illoyalen Mitarbeiters hielte vor jedem Arbeitsgericht stand.

Aber nun ist sie endlich, endlich angekommen: die totale Bestrafung. Der Supergau für das deutsche Volk: ein ethisch-moralisches Fukushima. Das jüngste Gericht in Gestalt von Millionen von vornehmlich muslimisch geprägten Zuwanderern, das Ende ist da! Augsteins Heerlager der Heiligen: Augstein muss die Neuauflage von Jean Raspails Roman aus dem neurechten Hause Götz Kubitscheks gelesen haben. Und die Denke des Journalisten ist dabei auch noch so entsetzlich katholisch, es ist dieses Gut und Böse, diese Schuld und Sühne Mentalität der bigotten Angstmeier, die einem so aufstößt, wenn man ihn liest: So meinte Augstein schon 2011 zu wissen, das, wäre die päpstliche Herstellung des Seelenheils ein Bruttosozialprodukt, sie „jeden Maßstab sprengen würde“.

Augstein ist also nicht nur Stauffenberg, er möchte auch Oscar Wilde sein, der einmal meinte: „Die katholische Kirche ist nur für Sünder und Heilige.“ Verzerrtes Pathos auf beiden Seiten. Bei den Eliten, die sich sattverdient haben, aber nicht ehrlich genug sind, sich damit wohlzufühlen, ebenso wie beim „Pack“, das sich angesichts einer der deutsch-elitären Selbstgeißlung zu verdankenden Zuwanderungswelle nun nicht mehr nur um Arbeitsplätze und Wohlfahrt beschissen fühlt, sondern auch ihres Deutschseins als letzter Stolz-Bastion beraubt sieht.

Sie sehen, wie schnell da eine Assoziation zu „Die Welle“ entsteht: Es ist ein und dasselbe Pathos, das unsere Entscheider, Politiker und Medienvertreter heute in Erwartung der gerechten Strafe für ihr Deutschsein so jubilieren oder mindestens phlegmatisch sein lässt. Millionen vornehmlich muslimisch geprägte Einwanderer saugen jetzt dem Volke Augsteins den letzten Tropfen Hitler aus. Halleluja! Er war noch da. Aber nun ist er bald ganz weg. Verdünnt bis hinunter zur kleinsten homöopathischen Einheit des Deutschseins. Bis zur letzten Blondine würde dieser Björn Höcke von der AfD jetzt noch weinerlich anfügen. Und in dem Moment wäre Augstein dann auch noch Höcke. Weil sie ja beide diese apokalyptisch codierte Erwartungshaltung haben. Nur eben mit unterschiedlicher Bewertung.

Jungs, kommt mal alle runter. Aber vergesst bitte nicht, wenn ihr wieder bei Besinnung seid, dieses Mal ist es kein Experiment! Was hier passiert, ist bittere Realität. Und es geht um das Wohl von Millionen Menschen: Einheimischen wie Fremden. Menschen, die euch allerdings herzlich egal sind. Solange ihr euch nur um immer dieselbe heilige Scheiße drehen könnt wie ums goldene Kalb.

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