Flüchtlingskrise und Erbschaftsteuerdebatte offenbaren derzeit im Doppelpack, dass großen Teilen der Politik nichts anderes als Umverteilung und Abwälzung der Verantwortung in den Sinn kommen.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) fordert angesichts der Flüchtlingskrise eine Erbschaftsteuer, „die diesen Namen verdient“ – neben einer Erhöhung der Einkommensteuer und der Einführung der Vermögensteuer.
So wie die Vermögen in Deutschland verteilt sind, würde das in allererster Linie Betriebsvermögen sowie haftendes und krisensicherndes Privatvermögen von Familienunternehmern und Altersvorsorgen von Selbständigen treffen. Das sind vermutlich auch genau jene, die Ramelows Schwester im Geiste, die grüne Parteivorsitzende Simone Peter, vor Augen hat, wenn sie für die finanziellen Folgen des Asylansturms einen „von Staat und Wirtschaft getragenen, bundesweiten Investitionspakt“ fordert. Nachdem die Integration der Flüchtlinge eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe wäre, sei jetzt doch auch einmal ein wenig Beteiligung der Unternehmen angebracht, in Sinne einer „Solidarität von allen“, die sie ansonsten ganz offensichtlich in der Unternehmerschaft nicht vermutet. Da ist sie nicht alleine.
Auch der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lothar Binding, wirft den Familienunternehmern dieses Landes in der ersten Lesung zur Novelle des Erbschafsteuergesetzes vor, dass sie sich jetzt endlich auch „fair an der Stärkung der Gemeinschaft beteiligen“ sollen. Nachdem man einen so schönen Gesetzesentwurf gemacht habe, „müssen diese [die Familienunternehmer] sich [jetzt] auch anstrengen, die Gemeinschaft zu stärken“. Und in großkoalitionärem Harmonieüberschwang beklagt sich die Sprecherin von CDU/CSU im Finanzausschuss des Bundestags, Antje Tillmann, bitter über die Verbände der Familienunternehmer, die sich erdreisten über diesen – mit Verlaub – Gesetzesentwurfsschrott zu schimpfen. Sie sei über den herrschenden Ton „sehr verärgert“, das man ungebührlich Widerwort gebe, „obwohl wir uns wirklich Mühe geben“. Wie sagt man nicht so schön: „Er hat sich stets bemüht“ heißt „er war unfähig, einmal etwas wirklich auf die Reihe zu bringen“.
Pawlow’scher Reflex auf alles: umverteilen
Migrationskrise und Erbschaftsteuerdebatte offenbaren derzeit im Doppelpack, dass großen Teilen der regierenden Politik zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen nichts anderes als stets nur mehr Umverteilung und die Abwälzung der Verantwortung in den Sinn kommen. Hast du ein Problem, dann schüttle dich und pack den Unternehmen entweder die Schuld oder die Kosten auf – sprich: denk dir schnell neue Gängelbänder oder Abgaben/Gebühren/Steuern aus. Gängige Praxis, vom Tageslicht auf dem Betriebsklo bis zur EEG-Umlage auf Eigenstrom und von der Generalunternehmer-Haftung beim Mindestlohn bis zur Erbschaftsbesteuerung von betrieblichem Verwaltungsvermögen.
Dass wir uns richtig verstehen: Hier soll mitnichten gegen die staatstragende Idee der Leistungsfähigkeit in der Steuergerechtigkeit polemisiert werden – auch nicht gegen die grundgesetzliche Forderung der Gemeinnützigkeit des Eigentums. Beides ist als kodifiziertes Sankt-Martins-Prinzip ein grundlegender Ausdruck des Wertesystems auf dem die Erhard’sche Soziale Marktwirtschaft fußt und damit unser Wohlstand für alle. Nur Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit heißt nicht simpel, immer denselben alles aufhalsen. Gute Politik bedeutet eben nicht, ein Problem möglichst schnell abzuschütteln, sondern die Konsequenzen von politischem Handeln möglichst weit vorauszudenken.
Denkt man die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit mal ein Stück weiter als bis zum nächsten Bundeshaushalt, stößt man wenigstens auf zwei nicht unmaßgeblich bedenkenswerte Aspekte: die Notwendigkeit und die Geschichte mit der Melkkuh.
Zur Sache mit der Notwendigkeit ein kleines Beispiel: Wenn eine Gruppe aus sieben eher schwachen Personen und drei wirklich Starken zusammen Baumaterial mit insgesamt 100 Kilogramm tragen soll, wird wohl eine Gleichverteilung der Last auf alle als gerecht angesehen werden. Zehn Kilogramm schafft jeder ohne Mühe, da kann leicht jeder gleichermaßen mithelfen. Es besteht keine Notwendigkeit, solidarisch eine höhere Leistungsfähigkeit zu nutzen. Es ist sogar umgekehrt so, dass es in diesem Fall als ungerecht empfunden werden würde, wenn man einzelnen mehr aufhalst, wo es doch alle ohne Probleme selber schaffen könnten. Soll die gleiche Gruppe aber 300 Kilogramm tragen, wird es eventuell mit der Gleichverteilung schwierig. Die Schwachen müssten sich mit jeweils 30 Kilogramm Traglast jetzt elendig abmühen. Die Starken stemmen hingegen auch noch einen Zentner halbwegs locker. Also lädt das Prinzip Solidarität jedem der Starken 50 Kilogramm auf den Buckel, dann kommen die Schwächeren mit den gut 20 Kilo schweren Ladungen zurecht.
Aber, wie gesagt, ohne Notwendigkeit zieht die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit nicht. Am Rande: Deswegen wird bei uns Armut und Reichtum relativ definiert, dann lässt sich immer eine Notwendigkeit konstruieren. Das Beispiel auf unser Gemeinwesen übertragen kann man nun bei einem Steuerzahler-Gedenktag am 8. Juli – bis dahin haben alle Steuerzahler theoretisch nur für Steuern und Abgaben gearbeitet – hierzulande nicht gerade von einem schlanken Staat sprechen. Betrachtet man zudem die von Jahr zu Jahr real wachsenden Steuereinnahmen des Staates, dann drängt sich einem nachgerade die Notwendigkeit zur Einsparung von Staatsausgaben anstatt der Notwendigkeit zur Ausweitung der Einnahmen auf. Es hat nichts mehr Solidarität zu tun, wenn nicht mehr die Notwendigkeit, sondern die vermutete maximale Tragkraft die Lasten bestimmt. Da hat man sich schnell überhoben.
Die fraglos unumgänglichen finanziellen Strapazen zur Integration der Asylsuchenden müssten also bei vernünftiger Erwägung der staatstragenden Gerechtigkeitsprinzipien zu allererst ein Bündnis der nationalen Einheit für Einsparungen bewirken. Erste bescheidene Vorschläge meinerseits dazu wären die Umwidmung des Rundfunkbeitrags (sieben Milliarden Euro) oder die Umleitung des Länderfinanzausgleichs (neun Milliarden Euro).
Die Kuh schlachten ist nicht nachhaltig
Die Geschichte mit der Melkkuh ist schließlich die, dass man sie nicht schlachtet, wenn man über die Tagespolitik hinausdenkt. Mal ganz abgesehen davon, wie sehr die eingangs erwähnten Politphrasen davon zeugen, wie ideologisch verbrämt und realitätsfremd das Unternehmerbild vielerorts ist: Selbst wenn ich tatsächlich alle Unternehmer für vaterlandslose Kapitalistenschweine halte – beziehungsweise um im Bild zu bleiben: für kapitalistische Rindviecher –, dann bin ich doch klug beraten, lieber über Jahr und Tag den fetten Rahm abzuschöpfen, als mir einmal ein paar zähe Steaks zu braten.
Unternehmer sind Unternehmer, weil sie ihr Geld investieren. In einer funktionierenden Marktwirtschaft geschieht dies meist zum Wohle aller. Da sollte man sich genau überlegen, ob ein aus versteuerndem Einkommen erspartes Vermögen besser in der Umverteilungsmasse des Staates oder bei den Unternehmerfamilien aufgehoben ist. Vielleicht sollten Herr Ramelow, Frau Peters, Herr Binding und Frau Tillmann sich mal mit den Mitarbeitern von familiengetragenen und -geschaffenen Unternehmen unterhalten – also mit dem Gros der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesem Lande. Die erklären ihnen dann schon, auf wen sie mehr vertrauen, dass er mit dem Geld Zukunft schafft.
Vom Autor ist im September 2015 eine umfassende Auseinandersetzung zur Erbschaftsteuerdebatte „Warum Erben gerecht ist: Schluss mit der Neiddebatte“ im FinanzBuch-Verlag erschienen.
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