In der Flüchtlingsdramatik starren viele enttäuschte Unionswähler auf die Freidemokraten. Und was machen die Liberalen? Sie trauen sich nicht.
Wer gegen Masseneinwanderung ist, ist kein Ausländerfeind. Seit diese Tabuisierungsstrategie an der Realität der Überforderung gescheitert ist, steigt das veröffentlichte Unbehagen an Angela Merkels Politik der Grenzöffnung gerade bei ihren Kernwählern. Die Rechnung ist ganz einfach: Bürgerliche Christdemokraten entdecken mit Schrecken, dass der Flüchtlingsansturm die Verletzbarkeit und die Krisenunfähigkeit ihres Wohlfahrtsstaates offenlegt. Alles was die Deutschen zu Recht von ihm erwarten, ist die Verteidigung von Leben, Freiheit und Wohlfahrt.
Wohlstand für Alle in Gefahr
Wohl in keinem Land der Welt wurde Ludwig Erhards Devise „Wohlstand für Alle“ so konsequent umgesetzt: Schule, Wohnen, Medizin, Sicherheit im Alltag – allem Gejammere von SPD und Grünen zum Trotz – werden die elementaren sozialen Belange wohl nirgendwo so perfekt umgesetzt wie in Deutschland. Es mag ja sein, dass sich die soziale Schere nach oben öffnet – nach unten sichert der Sozialstaat seine Bürger grandios ab. Massenarmut am Ende der Pyramide gibt es nicht. Dies wird und kann der deutsche Staat aber nicht der ganzen Welt – in der Form von Millionen anstürmenden Zuwanderern – bieten können.
Merkel mag Deutschland ohne Grenzen sehen – die Ressourcen des Sozialstaats sind ganz sicher nicht unbegrenzt. Die Einwanderung schafft eine neue Unterschicht. Die neue Klassengesellschaft entspricht aber so gar nicht der nivellierten Mittelstandsgesellschaft, wie sie in Deutschland perfektioniert und nach der Wiedervereinigung sogar nach Ostdeutschland verlängert wurde. Auf diese Kardinalproblematik reduziert sich die derzeitige deutsche Krise.
Das aktuelles Ergebnis der internen Umfrage der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU / CSU zur Flüchtlingspolitik zeigt: 74% sagen, wenn der Flüchtlingsstrom nicht bald gestoppt oder wenigstens abgemildert wird, bricht unser System zusammen
Auf diese dramatischen Probleme hat auch die Bundeskanzlerin keine Antwort. Sie hat durch ihr gut gemeintes Signal „Wir schaffen das!“ das Tor weltweit aufgemacht und zusätzliche Flüchtlingsströme in Marsch gesetzt, ohne die Folgen zu bedenken oder auch nur zu beschreiben. Diese werden sich weder durch Auffanglager an den Landesgrenzen – Merkels Versuch ihr weitgefasstes Einreiseversprechen zu relativieren – noch durch den Verweis auf das angeblich zur Mithilfe verpflichtete Europa („Wir schaffen es nicht alleine.“) bremsen lassen.
Wenn aber nur 10 Prozent auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar sind, wie Arbeitsministerin Andrea Nahles sagt, dann steigt die Arbeitslosigkeit schnell wieder auf 5 Millionen und die Zahl der Hartz-IV-Empfänger wächst im Gleichschritt – während die Sozialkassen leer laufen. Das wiederum macht Christdemokraten zu Wahl-Migranten. Im Regelfall führt dieser Weg nicht sofort zu rechten Splitterparteien wie der AfD, sondern zu bürgerlichen Alternativen. Und da die Grünen sich derzeit zum Lobes-Chor zum höheren Ruhme Merkels formieren, bleibt nur die FDP. Eigentlich, und bislang war es so. Problem dabei ist nur: Von der FDP sieht und hört man zurzeit wenig. Statt die Leerstellen der Regierung auszufüllen, bleibt sie selbst Antworten schuldig.
Die FDP bleibt draußen vor der Studio-Tür
Fairerweise muss man zur Kenntnis nehmen, dass die öffentlich rechtlichen Medien die Liberalen generell totschweigen. Und jetzt erst recht, da die ARD doch intern das Kommando ausgegeben hat: Wir kennen nur noch Willkommenskultur. Da hat eine eventuell widerspenstige FDP schon gar keine Chance. Die Liberalen jedenfalls müssen draussen vor der Tür des Sendestudios bleiben. Und was macht die FDP?
Der FDP-Chef Christian Lindner verkündete noch am 26.08. den Beschluss seines Parteipräsidiums: Ein starkes Land wie Deutschland könne auch eine humanitäre Herausforderung dieser Größenordnung bewältigen. Damals waren es noch 800.000 erwartete Migranten. Inzwischen sind die Schätzungen bei 1,5 Millionen für das Jahr 2015 angekommen. Und die Bundeskanzlerin verweigert sich jeder Schätzung des Umfangs der anrollenden Zuwanderungswelle, was an sich schon ein Skandal ist. Eigentlich die beste aller Chancen für eine Opposition, die ausfüllen könnte, was die Regierung verschweigt. Allerdings: Das deutliche Signal, dass die besorgten Ex-Unions-Wähler von der FDP erwarten, ist nicht zu hören.
Immer die alte Leier und lange Beine
Die führenden FDP-Politiker spekulieren zwar über einen deutlichen Anstieg der Sozialhilfe und Arbeitslosenzahlen, um gleich darauf wieder zu beruhigen. „Das kann Deutschland bei einer Jahreswirtschaftsleistung von 2,7 Billionen eine Zeitlang verkraften,“ sagt Lindner. Ansonsten gibt es nur aufgewärmte Kritik an der Rente mit 63 und der verfehlten Energiepolitik; beides ohne Neuigkeitswert und ohne Verbindung zur Asylkrise.
Es klingt wie alte Leier aus einer Zeit, die noch ohne wirkliches Problem war. Und selbst der sonst kluge Ökonomieprofessor Karl-Heinz Paqué merkt nur seltsam bescheiden an: „Der Mindestlohn ist ein klares Integrationshindernis.“ Recht hat er – aber auch ein fallender Mindestlohn bringt kaum wirkliche Entlastung. Das ist also alles nicht die Antwort, auf welche die gefrusteten Ex-Unions-Wähler gewartet haben. Sie hoffen auf ein klares Signal und das ist eben nicht der mediale Streit über die Bezeichnung der geplanten Transitzonen als „KZ“ (FDP-Vize Kubicki). Das machen schon Linke, SPD und Grüne; noch eine linke Opposition nun auch in Form der FDP braucht dieses Land nun wirklich nicht.
Die Wahlstrategie Christian Lindners war bislang einfach und in Hamburg und Bremen durchaus erfolgreich: Hübsche Spitzenkandidatinnen, grelle Farben und ein paar freche Sprüche. Aber in der derzeitigen Staatskrise reicht diese Rezeptur der langen Beine nicht – jetzt sind klare Alternativen gefragt. Und da ist Fehlanzeige bei der FDP. Fehlt der FDP der Mut zur klaren Position? Schon bei der Debatte um den Hauruckausstieg aus der Atomenergie hielt sich die vom Chefliberalen Rösler geleitete Boygroup in der FDP-Spitze dezent zurück. Das hat sicherlich zum Wahluntergang 2013 beigetragen. In der EU-Krise brauchte der FDP-Chef ziemlich viel Zeit, bis er dann allerdings glasklar gegen die Geldverbrennung in Griechenland argumentierte.
Wenn die Freidemokraten keine klare Antwort auf die „größte Herausforderung der BRD seit der Vereinigung“ (Merkel) finden, dürfen sie sich nicht wundern, wenn sie demnächst am Wahldesaster der CDU/CSU teilhaben. Denn eine CDU in gelb und pink ist nicht die Alternative, die die Wähler erwarten. Das bleiben die Farben des Chamäleons.
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