Nur linke Extremisten sind gute Extremisten

Pegida-Galgen, Anti-TTIP-Guillotine: Zwischen rechten und linken Extremisten herrscht innige Übereinstimmung: im grenzenlosen Hass auf jeden, der anderer Meinung ist.

Dies ist ein freies Land. Wer will, darf selbst den größten Unsinn von sich geben, roten wie braunen, rassistischen wie verschwörungstheoretischen. Allein das Strafrecht setzt da Grenzen. Deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft zu Recht gegen jenen „Pegida“-Demonstranten, der am Montag in Dresden einen Galgen für Angela Merkel und Sigmar Gabriel hoch hielt. Dass dieser selbst ernannte Patriot der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig ist und deshalb den Vornamen des SPD-Chefs falsch schrieb, belegt die Großzügigkeit unseres Demonstrationsrechts: Man darf auch seine eigene Dummheit zur Schau stellen.

Gabriel – Feindbild für linke und rechte Radikale

Die mediale Empörung über den Galgen ist groß. Das kann man verstehen. Und doch war es sehr peinlich. Denn dieselben Medien hatten nichts dabei gefunden, dass bereits bei der Anti-TTIP-Demonstration am vergangenen Samstag eine Guillotine mitgeführt wurde, auf der der Name von Gabriel stand. Dass die meisten Sender und Zeitungen in Bezug auf den TTIP-Galgen Spätzünder waren, kann eigentlich nicht überraschen. Irgendwie herrscht in den meisten Redaktionsstuben Konsens darüber, dass Extremismus – ganz gleich ob von links oder rechts – abzulehnen sei, Linksradikalismus ob seiner angeblichen hehren Ziele aber Nachsicht verdiene. Das hat sich im unterschiedlichen Empörungsgrad über Galgen und Guillotine wieder einmal gezeigt. Quod erat demonstrandum, wie der Lateiner sagt.

Die „intellektuellste“ Begründung, warum ein „Pegida“-Galgen schlimmer ist als eine Anti-TTIP-Guillotine, lieferte Heribert Prantl am Mittwoch in der „Süddeutschen“, dem bürgerlichen Zentralorgan der Gutmenschen. Sein Urteil über „Pegida“ fällt erwartungsgemäß brutalstmöglich aus: „Das ist die Sprache der Gosse, das ist die Primitivierung des Abendlandes.“ Und die Guillotine der TTIP-Gegner? Das ist nur ein „intolerabler Vorfall“, der „auch strafrechtlich verfolgt werden muss.“

Linkes Pack und rechtes Pack

Was aber macht den Unterschied zwischen rechtsextremem und linksextremem „Pack“ aus, um es im Gabriel-Jargon auszudrücken? Die „Süddeutsche“ unterscheidet feinsinnig: Bei „Pegida“ geschehe „nun seit einem Jahr die Veralltäglichung des Kriminellen.“ Wir lernen also: Die „Primitivierung des Abendlandes“ darf schon mal vorkommen – nur halt nicht jeden Montag.

Apropos „Veralltäglichung“: Es ist natürlich eine Mär, dass primitive Parolen und blanker Hass ein trauriges Privileg des rechten Rands wären. Das mag so erscheinen, weil linke Auswüchse von den Medien meistens nicht mit der Lupe, sondern eher mit dem Feldstecher beobachtet werden und wurden. Ist es aber nicht, wie ein anderes Beispiel aus diesen Tagen zeigt. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) posierte mit dem Juso-Chef von Mayen-Koblenz vor der Kamera. Dabei trug der junge Sozialist ein T-Shirt mit dem Schriftzug „Capitalism“. Darüber ein Mann, der mit einer Pistole einen anderen Mann mit Koffer (Geldkoffer?) erschießt. Die politische Botschaft: „Erschießt die Kapitalisten“. Und die SPD-Landesmutter? Sie strahlte mit der schießwütigen SPD-Nachwuchshoffnung um die Wette. Für die meisten Medien war das natürlich kein Thema.

Ein paar Wochen vorher war in Dortmund das Stück „2099“ von Philipp Ruch aufgeführt worden. Ruch leitet in Berlin das „Zentrum für politische Schönheit“, eine auf politische Provokationen spezialisierte Gruppe. Sie hatte vor einiger Zeit in Berlin Kreuze gestohlen, die an die Opfer von Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl erinnern, und die Mauertoten mit ertrunkenen Flüchtlingen gleichgesetzt. Für sein Stück warb Ruch in einer Schweizerischen Zeitschrift mit dem Plakat „Tötet Roger Köppel!/Köppel Roger tötet!“. Warum Köppel töten? Nun, der frühere „Welt“-Chefredakteur und aktuelle Chef der Schweizer „Weltwoche“ tut das, was „Gutmenschen“ gar nicht ausstehen können: Er bekennt sich dazu, ein Konservativer zu sein und bringt die Tugendwächter der „Political Correctness“ mit seinen Thesen gerne zur Weißglut. Warum dann nicht mal mit einem Aufruf zum Mord an Köppel antworten? Groß aufgeregt hat das in Deutschland niemanden, schon gar nicht das Dortmunder Theater.

Die Kunst des Tötens

Da denkt man willkürlich an manche niederträchtige Aktionen älteren Datums zurück. Im Jahr 1996 inszenierte Regisseur Schlingensief ein Open-Air-Spektakel in Berlin, eine Abfolge von 38 Mini-Inszenierungen in einer Art Irren-Anstalt. Der Höhepunkt: Ein bunter Haufen zieht auf die Bühne, zeigt das Transparent „Tötet Helmut Kohl“ und schlägt der mitgeführten Kohl-Puppe den Kopf ab. Ein Jahr später trug Schlingensief seinen Mordaufruf auf der Kasseler Documenta spazieren. Die Empörung hielt sich in engen Grenzen. Schließlich wurde „nur“ ein CDU-Kanzler symbolisch geköpft, kein Prophet.

Ein ähnliches Puppenspiel wurde 1998 im Bundestagswahlkampf aufgeführt. Da demonstrierte in Frankfurt am Main die Gewerkschaftsjugend, Seit‘ an Seit‘ mit allerlei linkradikalen Bundesgenossen. Als Höhepunkt der Veranstaltung wurde dann eine Kohl-Puppe im Main ertränkt. Das Gewerkschaftsvolk johlte und den Medien war das keine große Erwähnung wert – es ging ja „gegen rechts“.

Noch eine Puppen-Tötung: Im Sommer 2000, ein halbes Jahr nach Bekanntwerden der CDU-Spendenaffäre und der „schwarzen Kassen“ der Hessen-Union, veröffentlichte eine Zeitung eine Anleitung zum Basteln einer Puppe. Es war die „Frankfurter Rundschau“, dem inzwischen auf das Verbreitungsgebiet Rhein-Main geschrumpften Zentralorgan der westdeutschen Alt-Achtundsechziger und ihrer Nachkommen. Als Puppenkopf war ein Bild des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch abgebildet – zum Ausschneiden. Damit auch jeder Rundschau-Leser wusste, was er mit dem selbst erstellten Kunstwerke machen sollte, gab ihm die Redaktion den hilfreichen Tipp: „Drehen Sie dem Ministerpräsidenten einfach den Hals um.“

Schön wär’s ja, wenn Gut und Böse so klar zu trennen wäre wie im süddeutschen „Prantlhausen“ (Don Alphonso). Aber außerhalb von dessen Grenzen ist die Welt halt nicht so heil. In der realen Welt gibt es zwischen Rechts- und Linksextremen eine innige Übereinstimmung: der grenzenlose Hass auf jeden, der anderer Meinung ist. Wer darauf Rabatt gibt, weil ihm die Richtung passt, macht letztlich mit – bei der „Primitivierung des Abendlandes“.

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