Italien: Paris und Berlin wollen unbedingt vom Regen in die Traufe

Bei Neuwahlen geht es nicht, wie die Achse Paris-Berlin hofft, um die alten Parteien gegen "Links- und Rechtspopulisten", sondern um die Anteile der verschiedenen Gegner des Euro und der EU an der künftigen Macht in Italien.

VINCENZO PINTO/AFP/Getty Images

An Paolo Savona als Finanzminister von Italien scheiterte erst einmal eine Regierung von Fünf Sterne und Lega. Damit verschwindet aber seine Meinung zu Euro, EU und Deutschland nicht aus der Welt, nicht in Italien, nicht in Europa. In einem Buch schrieb Savona, der Euro bedeute für Italien das gleiche wie 1918 der Vertrag von Versailles für Deutschland. Das ist deshalb bemerkenswert, weil Frankreichs classe politique (Macron einschließlich, auch wenn er das öffentlich nicht sagt) sicher ist, der Euro wäre zu ihren Gunsten für Deutschland wie der Vertrag von Versailles. Wenn Savona recht hat, dass Italien bei Deutschland im Gefängnis sitzt, dann übersieht er, dass im Euro die Nordländer bei den Südländern im Schuldturm hocken.

In Paris, Berlin und Brüssel sind die üblichen Verdächtigen in ihrer chronischen politischen Kurzsichtigkeit froh, die „links- und rechtspopulistische“ Gefahr aus Rom abgewehrt zu haben. Wissen sie nicht, dass Neuwahlen in Italien bedeuten, dass Fünf Sterne und Lega aus diesen noch stärker hervorgehen werden als das letzte Mal? Ja, dass gut sein kann, Lega mehr als Fünf Sterne – und Berlusconis Forza Italia wieder im Rennen? Alles was die Achse Paris-Berlin jetzt meint, verhindert zu haben, kommt in verschärfter Form nach Neuwahlen in Italien auf sie zurück.

Die gigantische Euro-Krise
Die "Jetzt-erst-recht- Euro-Krise": Italien ist Griechenland in XXL
Staatspräsident Sergio Mattarella will eine Übergangsregierung unter dem Ökonomen Carlo Cottarelli als Ministerpräsident bilden, der von 2008 bis 2013 hoher Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IWF) war und dann Sparkommissar der italienischen Regierung. Eine solche „Technokratenregierung“ würde das Land dann zu Neuwahlen führen. Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio erklärte gestern Abend, unter Berufung auf Artikel 90 der Verfassung die Absetzung von Präsident Mattarella durch das Parlament zu fordern. Der Verfassungsartikel ermöglicht die Anklage eines Präsidenten vor dem Parlament wegen Hochverrats oder Verletzung der Verfassung. Danach soll es Neuwahlen geben, sagte Di Maio.

Ob es zu diesem spektakulären Vorgang kommt oder nicht, ist nicht entscheidend. Allein, dass darüber öffentlich gestritten wird, illustriert den Charakter des beginnenden Wahlkampfs, in dem es nicht, wie die Achse Paris-Berlin hofft, um die alten Parteien gegen „Links- und Rechtspopulisten“ gehen wird, sondern um die Kräfteverteilung zwischen Fünf Sterne, Lega und Forza Italia, also um die Anteile der verschiedenen Gegner des Euro und der EU an der künftigen Macht in Italien.

Paris und Berlin tun wirklich alles ihnen Mögliche, um vom Regen in die Traufe zu geraten. Aber vielleicht muss erst alles nach dem alten Wort schlimmer werden, bevor es besser werden kann: in Rom, Berlin, Paris und Brüssel.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 50 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

50 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
prague
6 Jahre her

Immer mehr Menschen in der EU Ländern wachen auf, nur in D. wird weiter hin geschlafen, die Merkel macht es vor.

W aus der Diaspora
6 Jahre her

Die Lawine fängt an – in Italien.

Pitt Arm
6 Jahre her

Wo ist eigentlich Frau Merkel in der Debatte? Oder wo ist ihre Stellungnahme zu den Vorgängen im BANF?

Old-Man
6 Jahre her

Sergio Mattarella hat sich tüchtig verzockt. Er glaubt tatsächlich das er eine „rechts populistische Allianz mit 5Sterne“ erfolgreich verhindert hat,zum Gefallen der Brüsselaner Merkel und Macrönchen,aber er hat exakt das Gegenteil erreicht! Wenn im Herbst neu gewählt wird,dann werden ihm die Augen tränen,aber auch der Brüsseler Gilde der Dummheit! Das Ende vom Euro wurde vertagt,aber der Anfang wurde erfolgreich gemacht,und es wäre doch gelacht,wenn der Moloch EU nicht auch dabei über die Klinge springt,wünschen würde Ich es mir! Die einzige Reform die Aussicht auf Erfolg hat,ist die Eu zu zerschlagen und wieder die EWG auf die Tagesordnung zu setzten,ebenso den… Mehr

spindoctor
6 Jahre her

„Hochverrat oder Verletzung der Verfassung“ – genau das ist es, was aktuell in einigen Ländern der EU läuft.

Ede Kowalski
6 Jahre her

Der italienische Präsident Sergio Mattarella maßt sich das Recht an, im Auftrag von niemandem gewählter Eurokraten in Brüssel und deren Unterstützer in Berlin und Paris im eigenen Land eine Regierung abzulehnen, obwohl diese sich auf die Mehrheit der gerade gewählten Abgeordneten stützt. Wer die italienische Mentalität auch nur ansatzweise kennt, wird sich nicht im geringsten darüber wundern, dass Neuwahlen die Fünf Sterne und Lega noch mehr erstarken werden.

Andrea Dickerson
6 Jahre her

Ja, es muß schlimmer werden, oder eben das Schlimme bekannt.
Habe gerade in der JF gelesen, daß Ruanda den FC Arsenal für die nächsten drei Jahre mit 35 Millionen sponsort.

Der Etat des deutschen Steuerzahlers für Ruanda in diesem Zeitraum ist mit 103 Millionen Entwicklungshilfe angesetzt. Was für ein Irrsinn!

josefine
6 Jahre her
Antworten an  Andrea Dickerson

Ich kann das nicht glauben!
Mir fehlen die Worte!

Falk Kuebler
6 Jahre her

„Aber vielleicht muss erst alles nach dem alten Wort schlimmer werden, bevor es besser werden kann: in Rom, Berlin, Paris und Brüssel“ Das ist wohl so, wobei sich darin ja immerhin noch eine Hoffnung ausdrückt… Kurzfristig sehe ich trivialerweise aber zwei mögliche Folgen: a) wie im Tenor des Artikels, dass sich durch Mattarellas Intervention die Anti-Euro-Stimmung verschärft und eine künftige Regierung in diese Richtung geht, b) dass Merkel (&Juncker, Macron et al) im Vorfeld der voraussichtlichen italienischen Herbstwahlen gegenüber dem italienischen Wähler Appeasement machen durch weitere Verwässerung der Euro-Regeln bis ins absolut unkenntliche… Einfacher ausgedrückt: Merkel schiebt einfach mal ein… Mehr

Robert Polis
6 Jahre her

Verehrter Herr Goergen,
zu Ihrem letzten Absatz: „vom Regen in die Traufe“ wäre vielleicht nicht so schlimm – es ginge uns halt nur „naß rein“. Ich fürchte aber, daß es bereits brennt.
Wann wird in Berlin verfassungsrechtliche Vorsorge getroffen, damit die „Falschen“ im Falle eines Falles wie in Italien ausgebremst werden können?
Um es mit (stark eingeschränkter) Ironie zu sagen: Wie lange haben „wir“ noch ausreichende Mehrheiten im Bundestag, um per Grundgesetzänderung ein Notverordnungsrecht für staatstragende europakonforme Institutionen einzuführen, ehe „falsche“ 34 (+) % dies unmöglich machen?

Thorsten
6 Jahre her

Italien spielt mit dem Feuer und wird das Haus Europa abfackeln. Das sie dazu zuerst ihr eigenes Haus Italien abbrennen müssen, werden sie wohl nicht verstehen.

Wenn das Merkelsche Deutschland NICHT zahlt, dann wird es zum Showdown kommen. Zahlt Merkel, dann wird sie und ihr „Wahlverein“ dafür in die Wüste geschickt.

Eine klasssiche „Loose-Loose“ Situtation…

Enrico
6 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Nicht Merkel zahlt sondern wir steuerzahlende und wertschaffende Bürgerinnen und Bürger werden blechen, und das nicht zu knapp. Mit der entsprechenden medialen Begleitmusik ist in diesem Dummland ALLES machbar! Tragisch. Leider.

josefine
6 Jahre her
Antworten an  Enrico

Italien können wir nicht stemmen! Dagegen war Griechenland ein Klacks.

spindoctor
6 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Nennen wir es „Varoufakis-Game“.