Kirchenfunktionäre wittern überall dort Hass, wo sie die Wirklichkeit nicht mehr verstehen, und suchen deshalb Zuflucht im Aberglauben.
In die heile rot-grüne Welt des Apparats der EKD ist die Wirklichkeit eingebrochen. Unter rot-grün wird weder ein klassisch linkes oder sozialdemokratisches Denken verstanden, sondern eine Ideologie, deren Ziel darin besteht, Politik für Minderheiten auf Kosten der Mehrheit zu machen und deren Subjekt das »Ökowohlfühlwohlstandsbürgertum« (Sarah Wagenknecht) ist.
Dieser Eindringling, der den Funktionären als Ruhestörer, als „Rechter“ gilt und vor allem als „hochaggressiv“ wahrgenommen wird, so aggressiv eben Wirklichkeit ausschaut, wenn man im Wolkenkuckucksheim des Hypermoralismus lebt, soll nun mit allen Mitteln vertrieben werden. Die Ideologie des Wohlfühlprotestantismus kennt die Toleranz nicht, sie will ausgrenzen, sie will theologisch den Feind definieren und erbarmungslos bekämpfen. Der Kulturbeauftragte der EKD schreibt über der Feind:
„Er darf keinen noch so kleinen Anteil an der Macht erhalten, sein Sieg ist unter allen Umständen zu verhindern, Kompromisse sind mit ihm nicht erlaubt. Es darf kein Appeasement geben.“
Mit anderen Worten, Gefangene werden nicht gemacht, es gilt das ideologische Standrecht. Der Sprachduktus erinnert an den Patriarchen in Lessings „Nathan der Weise“. Die Frage, wer der Feind ist, beantwortet sich von selbst: niemand anderer als die Wirklichkeit. Dass sich der evangelische Pfarrer bedroht und mit Feindseligkeit, also mit Wirklichkeit konfrontiert findet, belegt, dass er in einem Streitgespräch mit mir Carl Schmidt zitiert, von dem er zwar nicht allzu viel hält, der aber Pate bei seiner Bemühung, Feinde zu klassifizieren, stand: „Der Feind ist unsere eigene Frage als Gestalt.“ (nur in der weiter unten unter „Die Gesprächspartner“ gestellten Langfassung nachzuhören.)
Wo käme man schließlich hin, wenn die Realität die schönsten Luftgebilde zum Platzen brächte, all jene ideologischen Träumereien, die man seit Jahr und Tag verkündet. Dass, was real in diesem Land geschieht und was man gewöhnlich Wirklichkeit oder Lebensrealität nennt, muss deshalb anathematisiert, also verketzert und gebannt werden. Nie war ihnen Luther ferner als heute.
Die neue Blasphemie heißt übrigens „Rechts“, die neue Ketzerei besteht darin, zu sagen, was ist.
Evangelischer Exorzismus
In dieser Not greift nun die Evangelische Akademie zu Berlin zum letzten, schon lange nicht mehr genutzten Mittel, dem Mittel des Exorzismus in der Hoffnung, die Wirklichkeit austreiben zu können.
Als Ende des vorigen Jahres zwei evangelische Bischöfe „hasserfüllte E-Mails“ erhielten, trat nun der wackere Theologe Timo Versemann an die beiden Bischöfe heran, um für sie den Kampf mit Feuer und Schwert gegen den bösen Versucher zu führen, so jedenfalls beschreibt er den Anfang seines Projekts. Wie „hasserfüllt“ diese e-mails tatsächlich waren, ob sie bei Lichte besehen nicht lediglich in einer konkreten und direktvorgetragenen Kritik bestanden, bleibt dahin gestellt. Denn der Apparat der evangelischen Kirche, so meine Erfahrung, reagiert dünnhäutig und in einer Mischung aus Ignoranz und Arroganz auf Kritik. Das ins Werk gesetzte Exorzismus-Projekt erhielt sinnfällig den Titel „NetzTeufel“.
Ein angenehmer Nebeneffekt für den tapferen Theologen besteht darin, dass ein lukrativer Job für ihn heraussprang. Die Evangelische Akademie steckte 20 000 Euro (laut idea-Anfrage) in das Projekt und das Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ spendierte für den hübschen Exorzismus 45 616,10 Euro. Übrigens entzog dieses Programm des Bundesfamilienministeriums der Förderung von Familien, der Hilfe für Alleinerziehende und dem Kampf gegen Kinderarmut generös 104,5 Millionen Euro, um 104 470.939,60 Euro davon für den Kampf gegen Rechts einzusetzen. Von den umgewidmeten Geldern lebt auch der selbsternannte Exorzist. Aus der Kirchengeschichte ist hinlänglich bekannt, dass Inquisitoren immer schon mit einer großzügigen Vergütung rechnen durften.
Evangelischer „NetzTeufel“
Versemann rühmt sich, dass er „toxische Narrative“ vom Oktober 2017 bis zum 16. Mai 2018 im Internet analysiert habe, um gegen „hateSpeech im Namen des christlichen Glaubens im Internet“ vorzugehen. Ob er dabei allzu fleißig vorgegangen ist, bleibt dahingestellt, denn der Exorzist hat Beiträge und Kommentare auf sage und schreibe 3 in Worten drei Facebook-Seiten sich „angeschaut“. Anschauen bedeutet nicht analysieren und wo Versemann von Analyse spricht, verbreitet er m.E. fake news. Zumindest entfällt angesichts dieser schmalen Materialbasis die Kategorie der Wissenschaftlichkeit. Ergo geht es dem Teufelsaustreiber nicht um die Summe der Urteile, sondern um die Bestätigung seiner Vorurteile. Denn die drei Facebook-Seiten, die sich der Aufmerksamkeit des Inquisitors rühmen dürfen, sind die der evangelischen Nachrichtagentur idea, des katholischen Onlinemagazins kath.net und die der Bundesvereinigung „Christen in der AfD“. Alle drei Zielobjekte, wie es bei der Stasi gehießen hätte, werfen ein bezeichnendes Licht auf Versemanns Intention, denn es wird gegen eine Partei, die noch dazu die größte Oppositionsfraktion im deutschen Bundestag darstellt, gegen evangelische Christen, die mit ihren Glaubensvorstellungen sehr wohl zum reichen Spektrum des protestantischen Glaubens gehören, ob es allen Funktionären der EKD nun passt oder nicht, und gegen ein katholisches Internetportal ermittelt.
Ist man sich in der Evangelischen Akademie eigentlich bewusst, dass man mit diesem Projekt den Bereich der Meinungsfreiheit, der Religionsfreiheit, des Glaubens und der Toleranz verlässt, um sich zum Gehilfen in einem parteipolitischen Kampf zu machen? Versteht Timo Versemann, dass er derjenige ist, der in Wahrheit hasst, der intolerant und menschenverachtend vorgeht, indem er wie seinerzeit der Hauptpastor Goetze gegen alles kämpft, was nicht seiner Auffassung entspricht und jeden, der nicht seiner Meinung ist, moralisch exekutiert? Versemann, der „toxische Narrative“ herausgefunden haben will, vergiftet den gesellschaftlichen und auch den innerkirchlichen Diskurs, indem er Christen dafür abqualifiziert, was er bei ihnen gefunden zu haben meint. Seine Argumentation wirkt allerdings so subtil wie die des Hexenhammers von Sprenger und Institoris. Seine Grundlage ist genauso fragwürdig, wie obskurant. So wie der Hexenhammer von der realen Existenz von Hexen ausging, glaubt Versemann, dass „toxische Narrative“ existieren.
Um es kurz zu sagen, die in „einfacher Sprache“ vorgebrachten Narrative haben so viel mit der aktuellen Diskussion geneinsam wie der Kaffeesatz, aus dem sie gelesen worden sind, mit dem Satz des Pythagoras.
Evangelisches Narrativ
Machen wir es an einem Beispiel fest: Versemann definiert als ein toxisches Narrativ: „Die Erzählung einer gezielten Islamisierung setzt Muslim*e mit Terrorist*innen gleich.“ Sicher gibt es Menschen, die der Ansicht sind, dass in Deutschland eine „gezielte Islamisierung“ stattfindet, doch ist das längst keine sinnstiftende Erzählung für eine größere Gruppe von Menschen, sondern eher eine verschwörungstheoretische Vorstellung, wie es viele gibt. Wenn alle verschwörungstheoretischen Ideen Narrative wären, befänden wir uns in einer Nervenheilanstalt namens Deutschland. Wie bei den anderen vier „toxischen Narrativen“ setzt Versemann einfach ein sogenanntes Narrativ, ohne es zu begründen, ohne es zu definieren, ohne es darzustellen. Das „Narrativ“ der gezielten Islamisierung besteht darin, dass Muslime Terroristen seien. Das ist so kohärent wie ein aufgeplatztes Sofakissen, denn die Vorstellung einer „gezielten Islamisierung“ hat mit muslimischen Terror erst mal nichts zu tun, denn die Vorstellung eine gezielten Islamisierung würde doch besagen, dass Deutschland von Muslimen unterwandert wird, die an die Schalthebeln der Macht zu gelangen suchen und via Geburten auch bald die Mehrheit in Deutschland bilden. Im „Narrativ“ der gezielten Islamisierung würde muslimischer Terror geradezu als Störfall wirken. Versemann müsste, wenn dieses Narrativ existierte, definieren, wer das Ziel der Islamisierung im Narrativ verfolgt, wer es in Umlauf bringt, bei welchen größeren Bevölkerungsgruppen es wirkt, ob und wenn ja wo es sein Sitz im Alltag hat, er müsste das Narrativ beschreiben und analysieren. Stattdessen behauptet er Äpfel sind Elefanten.
Nachdem der tapfere Exorzist den Teufel erkannt hat, will er ihn im zweiten Teil austreiben, denn jetzt fragt der Netzteufel von einer Scharfsinnigkeit, die niemanden außer ihn selbst überzeugt: „Wie können Menschen, die gerade vor der Gewalt des selbsternannten „Islamischen Staates“ fliehen, zu dessen Unterstützer*innen erklärt werden?“ Einwanderer fliehen nicht vor etwas, sondern wandern ein.
Das gibt sich selbst dem Spott preis: In Versemanns wunderlicher Welt scheint Anis Amri, der Attentäter vom Breitscheidplatz, ein verkleideter AfD-Mann und die Terroristen, die die Journalisten von Charly Hebdo oder die Konzertbesucher vom Bataclan in Paris massakrierten, maskierte Männer des Front National gewesen zu sein.
All das lohnt der Rede nicht, würden für diesen obskuren Unfug nicht Steuer- und Kirchensteuergelder verschwendet werden. Grundsätzlich ist zu fragen, in welchen vormodernen, düsteren Aberglauben und in welche Atavismen die Evangelische Akademie zu Berlin inzwischen abgedriftet ist? Wie konnte es geschehen, dass in ihren Mauern unter dem Namen Arbeitsbereich für Demokratiekultur eine hochbudgetierte Hauptabteilung Agitation und Propaganda entstanden ist, ein Heilige Inquisition und ein Index verbotener Narrative?
Die Evangelische Akademie hat sowohl den Begriff Evangelisch als auch den Begriff Akademie verwirkt. Sie ist ein Ärgernis und wirkt schädlich für die Debattenkultur innerhalb der Kirche. Sie gehört daher an Haupt und Gliedern reformiert, wozu auch gehört, dass die Verantwortlichen den Weg für eine Reform, die auch personelle Konsequenzen einschließt, freimachen – der Arbeitsbereich für Demokratiekultur muss aufgelöst werden. Freiwerdende Budgets sind besser für die Gemeindearbeit zu verwenden, und die Mittel des Bundesfamilienministeriums für Familien, für Alleinerziehende, für Kinder in Armut einzusetzen.
Zur Streitschrift fand im rbb ein Streitgespräch zwischen dem Autor Dr. Klaus-Rüdiger Mai und dem Kulturbeauftragten der EKD Dr. Johann Hinrich Claussen statt. Es empfiehlt sich aber, nicht die Sendefassung von 15 min, sondern die Langfassung anzuhören, weil die Kurzfassung das Streitgespräch nicht korrekt abbildet.
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Ich habe Verständnis dafür, dass viele Juden sich einen jüdischen Staat wünschen.
Wir Deutschen haben auch einen eigenen Staat, zeitweise hatten wir sogar zwei.
Mit Österreich und der Schweiz haben wir noch zwei weitere deutschsprachige Staaten.
Für Araber gibt es sogar mehr als ein Dutzend arabische Staaten.
Es ist kein Widerspruch, wenn die EU Administration auf die Regungen der Europäer, auf deren Freiheitsbedürfnis, Vielfaltswunsch, Identitätsverlangen und alles andere, was durch die EU zerstört, von den Europäern aber heiß geliebt wird, mit immer mehr Zentralismus reagiert, wenn sie – scheinbar wie zum Hohn – die „immer engere Integration“, immer enger, also bis zur Erstickung aller, fordert. Es ist derselbe Mechanismus wie in einer Haftanstalt, in der immer mehr Zellentüren ausgehängt, immer mehr Häftlinge geflohen sind – man reagiert mit noch mehr Repression, dickeren Mauern, schärferer Bewachung und Einschüchterung und Einzelhaft. Fazit: Nach ihrem Verhalten, ihrer ideologischen Grundorientierung, ihrem… Mehr
Was die Kirche, insbesondere die Evangelische, mit dem Christentum oder gar Jesus zu schaffen hat ist mir bis heute nicht erklärbar, den Jesus hätte diese Selbsternannten Vertreter alle in seinen Predigten gescholten.
Sieh mal einer an, dass Kreuz der Kirche hat also doch Haken.
Vergebung ist doch das Höchste Gut im Christentum: Sich um die verirrten AfD-Schäfchen zu kümmern somit oberste Hirten-Pflicht. Unerwähnt sollten auch nicht die Staatsleistungen an die Kirchen sein, deren ungeklärte Rechtsgrundlage Linientreue impliziert. Was die Priester-Oberen aber ganz zu vergessen haben scheinen: „Eitelkeit ist eine Todsünde“.
„Er darf keinen noch so kleinen Anteil an der Macht erhalten, sein Sieg ist unter allen Umständen zu verhindern, Kompromisse sind mit ihm nicht erlaubt. Es darf kein Appeasement geben.“
Exakt genau so ist vorzugehen. Aber genau andersherum, gegen die Gesellschaftszerstörer in den schwarzgrünen Talaren. Appeasement gegenüber den Linken und insbesondere gegenüber den extremen Gesellschaftszerstörern ist unangebracht. Sie möchten die Sprache der Antifamisten, sie bekommen dazu passende Antworten.
Wenn Kirche beginnt politisch zu polarisieren ist die Gesellschaft auf das Allerhöchste in Gefahr.
Es gibt ja wohl bemerkt auch noch ein „Studienzentrum der EKD für Genderfragen“, dessen Ziel es ist, „zur Gestaltung einer Kirche beizutragen, in der die Vielfalt menschlicher Begabungen auf allen Ebenen ohne Einschränkungen durch Geschlechtsrollen und Geschlechtsidentitäten zum Tragen kommt“. Im Glossar lernt man unter dem Stichwort „Geschlechterverhältnis“: „Queer studies hinterfragen … Normalitäten und wirklichkeitserzeugende Kategorien wie die Heteronormativität und binäre Logik des G(eschlechterverhältniss)es. Männl. u. weibl. werden neu verstanden als Pole eines Kontinuums mit fließenden Übergängen des Geschlechts (vgl. Intersexualität) … Weil Geschlechterstereotype vor Gott Adiaphora sind … und Gott wie Mensch nicht auf ein Bild festzulegen sind, votiert… Mehr
…….ich fasse diesen wahnsinn nicht mehr! wenn ich mir vorstelle, dieses theologische denken herrscht auch in marburg vor, wo ich einst theologie studiert habe, fällt mich das grauen an! glücklicherweise habe ich noch metallphysik studiert und bin deswegen nicht
brotlos geworden! und einen facharbeiterbrief als werkzeugmacher kann ich auch noch vorzeigen!
Alles Hass und Hetze. Nur die Kirchen schichten die Scheiterhaufen mit Liebe und freundlichen Worten auf, die Linken mit Solidariät und einem Lächeln und die Grünen mit Nachhaltigkeit und guten Ratschlägen.
Kleiner Tipp am Rande, fragt mal die Kopten was auf euch zukommt.
„An ihren Taten sollt ihr sie erkennen! (1. Johannes 2,1-6)“. Den CEOs der beiden deutschen Amtskirchen ist es wichtig, dass Ressourcen („Talente“ nach Matthäus 25,14–30) – auch über ihre Wirtschaftsunternehmen – überwiegend in Deutschland für junge, männliche Flüchtlinge ausgegeben werden, obwohl heimatnah damit viel mehr und auch geschwächten Bedürftigen geholfen werden könnte. Gleichzeitig wird großzügig über Christenverfolgungen, auch in Flüchtlingsunterkünften, hinweggesehen und das Kreuz wird aus Rücksichtnahme einer anderen Kultur gegenüber bereitwillig abgelegt. Welchen Wertekatalog als Richtschnur ihres Handelns muss man daraus ableiten? Vielleicht arbeiten die CEOs auf eine Anpassung des „Produktes“ hin, das sie in ihren Wirtschaftsunternehmen feilbieten, mit… Mehr
Herr, die Kirche ist sehr groß
wer itzt noch Kirchensteuer zahlt
dem hilft kein Exorzist …
wer weiter zahlt, der will
dass alles bleibt wie’s ist …
(im Duktus von Rainer Maria Rilke, sinngemäß)