Der Spiegel ist in dieser Woche keine empfehlenswerte Lektüre. Denn es wird undurchsichtig mit Faktenebene und suggestiver Ebene gespielt. Soll hier die Ehre von VW gerettet werden?
Ob Josef Ackermann bei der Deutschen Bank, Heinrich von Pierer bei Siemens, Ulrich Hartmann bei der IKB oder Martin Winterkorn bei VW: Die Granden der deutschen Wirtschaft wissen offensichtlich nicht, was in den von ihnen geleiteten und beaufsichtigten Konzernen wirklich geschieht. Da hilft nur eines: Die Managergehälter müssen sinken. Es heißt ja immer, dass es dann nicht mehr gelänge, Top-Leute zu engagieren. Aber schlimmer wird es sicher nicht. Winterkorn ist nun mal Spitzenverdiener unter den CEOs, aber auch er kneift und will den Skandal aussitzen – als Chef der Holding, die über VW herrscht. Compliance und Anstand sind halt für Topmanager offensichtlich Fremdwörter. Für die Abwehr von Schadenersatz sind die Juristen zuständig, für die Reputation die PR-Päpste. In beiden Fällen kann man den Sachverstand kaufen. Und den Anstand?
Der Spiegel gräbt in seiner Titelgeschichte ganz tief, und Dietmar Hawranek und Dirk Kurbjuweit liefern eine lehrreiche Story. Die Altmeister fördern zutage, dass es offensichtlich nicht Winterkorn sondern Ex-Vorstand Wolfgang Bernhard war, der als Markenvorstand gemeinsam mit VW-Technikern die von Bosch angebotene Software bei VW in die Motoren brachte und damit den vertrauensseligen Winterkorn perfide hinterging. Dennoch bleibt unklar, warum die Krise existenziell sein soll. VW dürfte trotz des Geschreis überleben.
Sehr fein ist die Kolumne „Wort und Ehre“ von Nils Minkmar. Das Highlight ist für mich aber der Essay „Zahlen und Werte“ des renommierten britischen Soziologen Colin Crouch über die VW-Mogeleien. Für ihn sind sie eine eher typische Folge des profitgierigen Neoliberalismus. Es gälte halt: Die unsichtbare Hand des Marktes funktioniert nur mit einem unerbittlichen und hart durchgreifenden Arm des Gesetzgebers, der Lobbyisten und Manager in die Schranken weise.
Kein Ruhmesblatt ist in dieser Ausgabe „Dann ist die Sache hier mausetot“ von Gisela Friedrichsen über den Umgang der Münchner Staatsanwaltschaft mit Josef Ackermann und Rolf E. Breuer. Da trug die Gerichtsreporterin emsig viele Details zusammen. Aber muss der Leser wirklich wissen, dass die Mutter der Staatsanwältin Serini, die angeblich den Deutsche-Bank-Vorstand rigoros einschüchter, mit Guido Kotschy, dem laut Spiegel cholerischen Vorsitzenden des 5. Zivilsenats und dessen Berichterstatter Andreas Harz früher auf demselben Flur saß? Wie sagte schon Torquato Tasso bei Goethe: „Man merkt die Absicht und man ist verstimmt.“
Der Spiegel ist in dieser Woche keine empfehlenswerte Lektüre. Denn es wird undurchsichtig mit Faktenebene und suggestiver Ebene gespielt. Wenn für Winterkorn und die Deutsche Bank Stimmung gemacht werden soll, sollte man das dem Leser offen kommunizieren.
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