MARTIN WINTERKORN IST ZURÜCKGETRETEN. Seine Tantieme sollte er wirklich zurückzahlen - die Gewinne, auf die sie abhebt, wandelten sich zu Verlusten. Der Schaden nicht nur für VW, sondern möglicherweise für die gesamte deutsche Autoindustrie, für Wohlstand und Arbeitsplätze ist enorm.
Aktualisierung: MARTIN WINTERKORN IST ZURÜCKGETRETEN. Der Skandal um den Dirty Diesel von VW hat das Potential, den Konzern ernsthaft zu bedrohen.
„Zur Abdeckung notwendiger Service-Maßnahmen und weiterer Anstrengungen, um das Vertrauen unserer Kunden zurückzugewinnen, beabsichtigt Volkswagen, im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres rund 6,5 Milliarden Euro ergebniswirksam zurückzustellen“, hieß es in einer Mitteilung. 6, 5 Milliarden – klingt viel, ist es auch; nämlich der halbe Jahresgewinn. Aber das eigentliche Ausmaß des Checkens liegt im Kleingedruckten:
„Aufgrund der laufenden Untersuchungen unterliegt der angenommene Betrag Einschätzungsrisiken. Die Ergebnisziele des Konzerns für das Jahr 2015 werden entsprechend angepasst“, erklärte Volkswagen weiter. Aha. Die 6,5 sind nur sie Spitze des Eisbergs. Die Höhe des Schadens wird erst nach und nach auftauchen.
Ein Konzern wankt
Denn der Image-Schaden ist enorm. Weltweit prüfen jetzt die Umweltbehörden, ob sie auch betrogen worden sind. Aus dem strahlenden Konzern ist ein fieser, kleiner Betrüger geworden. An souveräne Beherrschung von Technik und Fortschritt glaubt man nicht. Das Desaster schädigt auch die anderen Marken des Konzerns: Audi, wer glaubt noch an Vorsprung durch Technik? Steckt auch bei Porsche der Schwindel unter der Haube? Eine ganze Reihe von Regierungen kündigte umgehend an, Sondertests für VW-Fahrzeuge einzuführen, und forderte eine explizite Untersuchung der Vorgänge, darunter Frankreich, Südkorea und Australien. 11 Millionen Fahrzeuge sind betroffen. In diesen Tagen schämt man sich, wenn man seinen VW oder AUDI aus der Garage holt.
Und was machte VW-Chef Martin Winterkorn?
Er hatte nicht begriffen, was geschehen ist. Hilflos sondert er noch Erklärungen am laufenden Meter ab, will aufklären, Ermittlungen an sich ziehen. Er hat wohl nicht nicht kapiert, dass er im Zentrum steht. Er wird aufgeklärt. Nicht er untersucht, andere untersuchen ihn. Er hat immer noch nicht kapiert, dass er da steht wie ein Ladendieb, der großkotzig erklärt: „Ich werde alles tun, um den Vorgang aufzuklären“. Es ist eine peinliche Veranstaltung. Übrigens hat sein Pressesprecher erst vor zwei Wochen eine Auszeichnung erhalten, den „Seismographen“. Und also sprach Winterkorn:
„Als gelernter Physiker weiß ich natürlich, dass man mit einem Seismographen Erdbeben registrieren kann. Aber: Kommunikation und Katastrophe? Zumindest bei Volkswagen sehe ich da keinen direkten Zusammenhang…“
Da hat sich einer getäuscht. Nun ist das Problem, dass das Versprechen vom sauberen Diesel vielleicht generell ein Fehler war – für kleine Autos und Motoren ist das System Diesel ungeeignet. Schnell fahren, ganz ohne Abgase – dieses Ziel ist nicht erreichbar. Die Automobilindustrie hat sich wohl in ein Versprechen hineintreiben lassen, das sich jetzt als unhaltbar herausstellt. Dann wäre Winterkorn allerdings nur der Erste, den es erwischt. Auch Mercedes-Chef Dieter Zetsche hat ja gesagt, dass er nicht jeden Zweifel ausschließen will. Das macht die Sache aber nicht besser: Dann steht die Industrie auf der Kippe, nicht mehr und nicht weniger. Sie kann nicht erfüllen, was der Gesetzgeber von ihr verlangt. Aber mit Schwindeleien läßt sich das Dilemma nicht lösen. (Mehr dazu gleich hier)
Und nun verhandelt Martin Winterkorn auch noch über die Verlängerung seines Vertrags als CEO. Ein kleiner Tipp: Das wird nichts. Denn er steht in mehrfacher Hinsicht nicht gut da.Schade, wir haben ihn zu lange als lebenden Held gefeiert, und jetzt endet er als Betrüger? Das ist hart, und dabei ist er ja schon ein armer Mann. 2011 betrug sein Gehalt nebst Tantieme 17,5 Mio €; 2013 waren es nur 15 Mio. Und das in einer Zeit, in der sonst alle mehr gekriegt haben! 2014 konnte er sich wieder etwas erholen; da flossen gerade magere 16 Mio. auf sein Konto.
Erschwindelte Gewinne
Winterkorn hat sich feiern lassen, als Schöpfer der Erfolge und prächtigen Gewinne. Jetzt stellt sich heraus, dass seine Erfolge und die Gewinne buchstäblich erschwindelt sind.
Das Maximum an Skandal wäre, wenn er höchstselbst wissentlich verwickelt wäre. Kaum geringer aber ist der Schaden, wenn er davon nichts gewusst hat. Denn er lässt von seiner Presseabteilung doch so gerne verbreiten, dass er sich um jedes Detail kümmert. Sensationell sein Auftritt, als er sich über das Klappern erregte, das durch eine billige Gummi-Manschette im Cent-Wert ausgelöst war. Und jetzt also soll er nichts gewußt haben von systematischen, andauernden und gezielten Betrügereien?
So oder so, der Mann ist seine Tantieme nicht wert.Er hat sich reich betrogen, und dem Konzern einen existenzbedrohenden Schaden zugefügt – vielleicht sogar der gesamten deutschen Automobilindustrie und damit einen Schaden von wahrhaft volkswirtschaftlicher Bedeutung.
Der Mann muß weg, sofort. Und wenn er etwas Anstand noch hat – dann zahlt er seine Gewinnbeteiligung, die auf Betrug basiert, zurück.
Übrigens hat der Konzern alleine für Winterkorns Pensionsansprüche die sagenhafte Summe von 29 Millionen Euro zurückgestellt. Soviel also bekommt ein Betrüger – oder einer, der unfähig ist, massiven Betrug im Unternehmen zu verhindern?
Noch mal Winterkorn: „Relevante Kommunikation nimmt Veränderungen hochsensibel wahr, genau wie ein Seismometer. “
Er hat gar nichts wahrgenommen. Entweder hat es geleugnet, oder die Physik nicht akzeptiert. Beides ist eine Katastrophe. Und jetzt? Die Tantieme bleibt, obwohl sie rückwirkend betrachtet gegenstandslos ist. Aber bei VW gilt: Da alle eingebunden sind, Gewerkschaften, Staat und Familienaktionäre, wird das unter sich ausgemacht. Ein Lehrstück, was passiert, wenn Kontrollen fehlen.
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[…] Wahrheit und Ehrlichkeit: Es versteht sich von selbst, schadet aber nicht, wenn man es wiederholt. Das A&O in puncto Kundenbindung, Kundenzufriedenheit und Kundenvertrauen ist Ehrlichkeit. Und das wissen wir nicht erst seit Volkswagen. […]