Wenn wir es für richtig halten, dass eine Partei wie die FDP nur dabei sein, aber gar nicht regieren will, oder dass auch Union und SPD dem parteipolitischen Kalkül absolut Vorrang vor staatspolitischer Verantwortung einräumen, gewinnen wir nichts und verlieren viel.
Auch mehr als vier Monate nach der Wahl steht noch lange nicht fest, wer künftig in diesem Land regiert oder ob es noch in diesem Jahr zu Neuwahlen kommt. CDU/CSU und SPD verhandeln zwar. Aber weil der SPD-Führung der Mut zum Führen fehlt, entscheiden letzten Endes die SPD-Mitglieder, ob das Votum der 9,5 Millionen SPD-Wähler vom 24. September etwas wert war oder nicht.
Kein Wunder, dass die Unterhändler der beiden vom Wähler geschrumpften Parteien kein glanzvolles Bild abgeben. Begleitet werden ihre kleinen Schritte in Richtung Großer Koaltion von medialer Häme. Inhaltlich wird das Fehlen eines „großen Wurfs“, eines „Projekts“ beklagt. Union und SPD planten ein ambitionsloses Weiterwursteln – antriebsarm und ideenlos. Letztlich gehe es den Beteiligten um nichts anderes als um Macht und Posten. Beim „Niederschreiben“ der GroKo sind sich die Medien einig wie selten.
Zum hämischen Unterton gehören die ständigen Hinweise, diese Große Koalition wäre in Wirklichkeit ja eher eine kleine. Was insofern stimmt, als Union und SPD sich nur noch auf 53,4 Prozent der Wähler stützen können. 2005 waren es noch 69,8 Prozent und vor vier Jahren 67,2 Prozent. Ganz zu schweigen von jenen 86,9 Prozent der Wähler, die hinter der ersten Großen Koalition im Jahr 1966 standen – 47,6 Prozent CDU/CSU und 39,3 Prozent SPD.
Dass die beiden Volksparteien nicht mehr neun von zehn Wählern repräsentieren, sondern nur noch jeden zweiten, hat vielfältige Gründe. Der wichtigste ist wohl der, dass Gesellschaft und damit die Wählerschaft heute heterogener sind als jemals zuvor. Das wurde noch durch das Hinzukommen der ostdeutschen Wähler mit ihrer anderen politischen Sozialisation verstärkt. Folglich hat die Bindekraft der Volksparteien rapide nachgelassen, was das Entstehen neuer Parteien befördert hat. Das Resultat ist ein Sechs-Parteien-System, in dem klassische Koalitionen – eine große plus eine kleine Partei – zahlenmäßig nicht mehr möglich sind.
Natürlich sind die dominierenden Marktführer von einst – CDU/CSU und SPD – mitverantwortlich dafür, dass neue Wettbewerber entstanden sind und ihnen Marktanteile abgenommen haben. Aber es sind Zweifel erlaubt, ob es den beiden Volksparteien selbst bei klugem Verhalten hätte gelingen können, die im Vergleich zu den sechziger und siebziger Jahren vielfältiger gewordenen gesellschaftlichen Strömungen weiterhin an sich zu binden und alle Wünsche und Forderungen einer viel individuelleren Wählerschaft zu befriedigen. Was zweifellos ein spannendes Thema für politikwissenschaftliche Seminare wäre, ist für die Regierungsbildung anno 2018 jedoch unerheblich. Nach dem Scheitern von „Jamaika“ lautet die Alternative eben GroKo oder Neuwahlen.
In Deutschland gab es bisher erst einmal vorgezogene Neuwahlen: 2005. Aber da waren seit der Bundestagswahl 2002 schon drei Jahre vergangen. Wenn jetzt nach nur einem Jahr abermals gewählt werden würde, ginge die Welt nicht unter. Im Gegenteil: Im neuen Bundestag hätten wir dann abermals eine mehr oder weniger unveränderte Konstellation, allenfalls mit gestärkten Rändern ganz rechts wie ganz links. Das reichte wiederum für „Jamaika“ oder eine nochmals geschrumpfte Große Koalition. Und dann?
Ja, „Jamaika“ wäre die interessantere Lösung gewesen, hätte einen Aufbruch signalisieren können. Ja, CDU/CSU und SPD geben kein großartiges Bild ab. Ja, von einer Neuauflage der schwarz-roten Koalition ist keine grundlegende andere Politik, kein Schub zu erwarten. Aber wenn wir es für richtig halten, dass eine Partei wie die FDP nur dabei sein, aber gar nicht regieren will, oder dass auch Union und SPD dem parteipolitischen Kalkül absolut Vorrang vor staatspolitischer Verantwortung einräumen, gewinnen wir nichts und verlieren viel.
Max Webers Definition von Politik ist unverändert aktuell: „ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.“ Wobei das Augenmaß die Leidenschaft dämpft und den Kompromiss – und damit Koalitionen – erst möglich macht. Diesem Maßstab versuchen die GroKo-Unterhändler gerecht zu werden. Dass sie dafür Prügel beziehen, ist in unserer Mediendemokratie wohl unvermeidlich: Verantwortungsvolles Handeln ist eben nicht so sexy wie die politische Show.
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Was mögliche Neuwahlen betrifft, muss ich Ihnen Recht geben. Anhand der Umfragen kann man von leichten prozentualen Verschiebungen ausgehen. Aber nichts, was neue Koalitionsmöglichkeiten eröffnen würde, die nicht schon jetzt bestehen würden.
Herr Müller-Vogg,
Sie haben das richtig erkannt: ohne Kompromisse lässt sich kein Land regieren. Allerdings ist auch richtig: Ohne Verstand und ohne Empathie für die Bürger eines Landes, lässt sich auch kein Land zum Wohle des Landes regieren. Zerstören kann man es aber.
„CDU/CSU und SPD eint vielmehr die Überzeugung, dass das Land eine stabile Regierung braucht und man mit Neuwahlen nicht spielen sollte. “ Ich brauch keine „stabile Regierung“, deren hauptsächliches Ziel es ist, Deutschland und die Deutschen zu vernichten und einen europäischen Superstaat zu schaffen. Homo-Ehe, Doppelpass, Einwanderer-Flutung, Zeitarbeit statt echte Jobs: dann lieber keine Regierung als so eine! Heute habe ich die Zahl gelesen, im Jahre 2017 wurden wohl fast 99 000 Kinder in Deutschland im Mutterleib getötet, bevor sie ihren ersten Schrei am Lichte machen konnten. Und dann schwafeln diese Trantüten im Parlament von den armen Kindern in Syrien,… Mehr
„Ohne Kompromisse lässt sich kein Land regieren…“
Und ohne Fraktionszwang wird es wohl auch nicht gehen…
Man darf gespannt sein, ob die unsägliche Passage am Ende der Sondierungspapiere in den Koalitionsvertrag übernommen werden!
Kompromisse? Ich erinnere mich: da wollte eine Partei eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 % und die andere um 0 %. der gefundene Kompromiss 3 % Erhöhung.
Wirklich toll, diese Kompromisse ….
Dumm nur, daß dieser Kompromiss die einzig richtige Entscheidung war. Aber wer will das schon wissen….. Vor Merkels Amtsantritt 2005 hat die Vorgänger-Regierung lieber Schulden gemacht für die Steuergeschenke an die „Reichen und die Schönen“… dafür dann ausgerechnet diese EU-Stabilitätskriterien federführend aufweichte, die mal die zentrale Bedingung für die Aufgabe der DM waren. DER SÜNDENFALL Statt dafür die MwSt. zu erhöhen, wie es die Kanzlerin dann machte, wurde lieber die Euro-Stabilität zum Spielball parteipolitischer Interessen gemacht. Mit verheerenden Folgen, wie man sieht…….. ABER HEUTE NIEMAND SEHEN WILL. Darum steht sowas auch wohl nicht in den Zeitungen. Es ist erstaunlich, wie… Mehr
@karel: Was hat Ihr Geschreibsel mit der Richtlinienkompetenz zu tun? Davon abgesehen ist schwer nachvollziehbar, wie Sie eine verbesserte Euro-Stabilität durch höhere Mehrwertsteuern konstruieren wollen. Als ob Griechenland und Co. auf einmal bessere Einnahmen hätten, wenn Deutschland höhere Steuern kassiert. Es sei denn, Sie meinen, es läge an uns, die Pleitestaaten zu „retten“. Dass das nicht funktionieren kann, sollte inzwischen Allgemeinwissen sein.
Egal welchen Artikel von HMV man bei Tichy liest – es ist immer nur die eine, gleiche, Botschaft: CDU an die Macht. Das ist mittlerweile soooooo langweilig.
Dieses „langweilig“ ist nur zu verstehen, wenn die über verheerenden Folgen der Politik
von 1998 bis 2005 weitestgehend Unkenntnis herrscht.
@karel: Falls es Ihnen entgangen ist, die Politik der letzten drei Jahre war noch verheerender.
„Verantwortungsvolles Handeln ist eben nicht so sexy wie die politische Show“? Hallo, Herr Müller Vogg? Verantwortungsvolles Handeln hieße Einsicht erkennen lassen und das kann man aus den Sondierungsergebnissen und jetzt den Koalitionsverhandlungen nicht herauslesen. Das schreit alles nach „Weiter so!“ und „Ich weiß nicht, was ich hätte anders machen sollen!“. DAS IST POLITSHOW! Und eine extrem abstoßende dazu, weil erkennbar ist, dass die Verhandler nur im Blick haben, die eigenen Pöstchen zu sichern und sich damit die vermeintliche Wichtigkeit zu bewahren! Der Wählerwille geht den Herrschaften deutlich erkennbar weit am Allerwertsten vorbei! Das macht die Verhandler zu Politikerdarstellern (siehe Politshow!)… Mehr
„CDU/CSU und SPD eint vielmehr die Überzeugung, dass das Land eine stabile Regierung braucht “ – nein, die leitet nur die Überzeugung, dass ihre Funktionäre gutbezahlte Posten brauchen, auf denen sie das Land noch mehr gegen die Wand fahren können. Stalins Regierung war sicher eine stabile Regierung – das zeigt, dass die Stabilität einer Regierung kein Wert an sich ist. Was wir brauchen, ist ein stabiles Land und keine stabile Regierung, die das Land destabilisiert.
Sorry, Deutschland blieb ein stabiles Land. Dank der Kanzlerin.
Trotz der „rot-grünen Zwangsjacke“ im Bundestag und Bundesrat.
Trotz des medialen Singsangs über gutbezahlten Posten.
Auch Sie könnten sich um einen „gutbezahlten Posten“ bewerben,
um das Land in die „richtige Richtung“ zu führen.
Die Grundlagen der überall sichtbaren Verwahrlosungen, der Klagen,
auch über diese „Füchtlinge“ wurden in den 7 Jahren ab 1998 gelegt.
Nur lesen wir heute alle möglichen Mainstream-Meinungen,
aber kaum noch Fakten.
Schade drum.
@karel: In welchem Land leben Sie? Offenkundig nicht in Deutschland. Die Grundlagen für die Migrationskrise hat Merkel gelegt. Zwar wurden unter Schröder einige Fehlentscheidungen getroffen, aber niemand ist seinerzeit auch nur auf die Schnapsidee gekommen, die Grenzen zu öffnen. Ein Land mit offenen Grenzen ist alles andere als stabil. Wenn dieser Zustand anhält, wird es in absehbarer Zeit keinen funktionierenden Staat Deutschland mehr geben.
„Deutschland blieb ein stabiles Land. Dank der Kanzlerin“ Was für ein Unsinn ist das denn? In Deutschland ist derzeit die Wirtschaft (noch) stabil. Da es historisch immer mal hoch und runter geht, ist es nur eine Frage der Zeit, wenn es wirtschaftlich nicht mehr so rosig zugeht – trotz z.B. der Null-Zins-Politik, die nicht ewig wirken wird – und die Steuereinnahmen zurückgehen. Dann ist Schluss mit den großzügigen Geldgeschenken in alle Welt, mit denen sich die Führerin den Titel „Mächtigste Frau der Welt“ erkauft hat – was für ein Fake, um nicht zu sagen: WITZ! Deutschland ist nicht stabil WEGEN… Mehr
Es gibt mitnichten nur die Möglichkeiten GROKO oder Neuwahlen. Da wären noch Minderheitsregierung und vor allem Schwarz-blau-gelb OHNE Merkel!
Sie haben Recht, .
es bliebe noch die Möglichkeit von schwarz-blau-gelb.
Fragt sich nur, warum in unserer so gelobten Demokratie
dies nicht möglich ist, offenbar auch nicht sein soll.
Und wer bestimmt darüber eigentlich?
Selbst ein Parteiverbot der NPD wurde ja ein „Rohrkrepierer“
Kaum zu glauben, daß sich sowas „Demokratie“ nennen darf.
Nun, darüber „wacht“ ja schließlich der Mainstream ……..
Odda so….
@karel: Ich halte zwar eine Minderheitsregierung für Quatsch, da die Kanzlerin dann nur noch mehr im Alleingang regieren würde, aber was Sie schreiben hat nicht einmal Zusammenhang zum Artikel. Einfach nur rumplärren und meckern, anstatt hier sachlich mit uns zu diskutieren…
Mein Kompromiß: Merkel absetzen, Schulz zum 100%-Oppositionsführer aller Zeiten machen, dann: Koalition aus CDU/CSU, AfD und FDP. Eine nationalliberale Regierung. Ein bißchen österreichisch. – Was würde TEs Seelmann-Eggebert der Donaumonarchie dazu sagen?
Merkel akzeptieren, wäre ja auch eine Möglichkeit.
Ich wüßte niemanden, der mehr Zustimmung vom Volk erhalten hat.
@karel: Ausnahmslos jeder Kanzler vor Merkel hat mehr Zustimmung vom Volk erhalten. Und warum soll ich eine Person akzeptieren, die Art. 16 a des GG willkürlich außer Kraft gesetzt hat?