Wer dieses Buch liest, wird zunächst in Ratlosigkeit gestürzt - um danach aktiv zu werden: Man nimmt angesichts drohender Katastrophen die Verantwortung an und mischt sich vor dem Hintergrund unserer plan- und ziellos agierenden Politiker in dieses Geschäft ein.
Das jüngste Buch von Gregor Schöllgen gibt zwar keine Antworten, jedenfalls nur sehr wenige und diese nur indirekt. Dafür lässt es den Leser mit so vielen Fragen zurück, dass man bereits bei der Lektüre das Bedürfnis hat, jedes Kapitel für sich mit jemandem in der Hoffnung zu besprechen, Antworten zu finden, die es tatsächlich nicht gibt. Und so wird der Leser in einem Gefühl der individuellen Einflusslosigkeit zurückgelassen. Zunächst. Es folgen das Gefühl der Dankbarkeit und die Bereitschaft, sich wieder einzumischen. Wann kann man das von einem Buch sagen?
Geschichte der Weltpolitik – spannend und kenntnisreich
Auch ich hatte ein solches Bedürfnis der Einflusslosigkeit und das, obwohl mir die beschriebenen Ereignisse und Zusammenhänge der Geschichte durchaus geläufig waren. Daher war meine erste Reaktion zunächst eine solche der Dankbarkeit darüber, dass all das, was Schöllgen beschreibt, zwar auch mich betrifft, persönlich aber doch an mir vorbeigegangen ist.
Es ist die kompakte Art der Darstellung, von der Schöllgen sagt, dass es sich nicht um eine umfassende Geschichte der Weltpolitik des 20. Jahrhunderts handelt, sondern um das Porträt einer Welt, die seit 100 Jahren am Abgrund steht. Und so gelingt es Schöllgen auf 340 Seiten, diese einhundert Jahre Weltpolitik am Abgrund, die er erst in der Gegenwart enden lässt, spannend und kenntnisreich zusammenzufassen.
Das Buch fängt unter der Überschrift „Putsch“ mit einer Bewertung der Oktoberrevolution in Russland an, zu der Schöllgen geradezu lapidar feststellt, dass es unter der Führung von Lenin das erste Mal war, dass ein Akteur nicht nur einem lokalen, regionalen, nationalen oder internationalen Gegner den Krieg erklärte, sondern der Welt, und es deshalb seither keinen universellen Frieden mehr gegeben hat.
Die Kapitelüberschriften sprechen für sich
Schöllgen verzichtet bei diesem Einstieg auf das sonst häufig genutzte Klischee, wonach wir Deutschen die Bösen sind, und eigentlich alle Schrecklichkeiten des letzten Jahrhunderts mehr oder weniger auf unser Konto gehen. Dabei relativiert er die deutsche Rolle keineswegs, aber er setzt sie im zweiten Kapitel unter der Überschrift „Revision“ in einen europäischen Zusammenhang und zeigt, dass die Geschichte der ersten 50 Jahre des 20. Jahrhunderts das Ergebnis von Fehleinschätzungen, Versagen und gravierenden Führungsfehlern auf gesamt-europäischer Bühne war. Diese Fehler fächert er dann unter den folgenden Kapitelüberschriften „Säuberung“, „Vernichtung“, „Blitz“, „Teilung“, „Intervention“, „Guerilla“, „Prävention“, „Mord“, „Terror“, „Flucht“, „Raub“ und „Annexion“ immer weiter auf. Und so wird aus der europäischen Betrachtung sehr schnell eine globale und es beginnt eine Zeitreise bis in die Gegenwart.
Geradezu virtuos verknüpft Schöllgen Ereignisse und Entwicklungslinien. Wer wie ich Jahrgang 1957 ist, wird an vieles erinnert, was als Ursache manchen Konfliktes der Folgezeit heute nur noch schemenhaft präsent ist. Und für die später Geborenen wird beim Lesen mit jedem Kapitel deutlicher, dass das 20. Jahrhundert politisch immer noch andauert.
Mich haben die Ausführungen zu den Themenkomplexen „Säuberung“ und „Raub“ am meisten bewegt. Wenn in einem einzigen Kapitel alle Umsiedlungen, Bevölkerungstausche oder schlicht die ethnischen „Säuberungen“ in der europäischen Geschichte rund um die beiden Weltkriege kompakt und schonungslos beschrieben werden, dann macht das Flüchtlingsproblem von heute einen fast schon überschaubaren Eindruck, was angesichts der dahinterliegenden quantitativen Potentiale natürlich falsch ist. Bei allem Leid, das den betroffenen Menschen damals zugemutet worden ist, fragt man sich am Ende dieses Kapitels, ob eine regionale Trennung der zum Teil sehr unterschiedlichen Ethnien nicht auch ein stabilisierender Faktor war, wenngleich in dieser ethnischen Trennung der Keim der Integrationsunwilligkeit der Gegenwart angelegt ist. Schöllgen relativiert dabei keineswegs die deutsche Verantwortung insbesondere im Zweiten Weltkrieg. Aber er spricht auch davon, dass die Deutschen das Opfer der bis dahin größten ethnischen Säuberung in der Geschichte waren. Und so stellt sich die Frage, was nun im kollektiven Gedächtnis der Deutschen stärker verankert ist, die Befähigung, Millionen von Flüchtlingen aufzunehmen, oder die Erfahrung, sich auf die nationale Verbundenheit verlassen zu müssen.
Im Kapitel „Raub“ wird die Problematik des limitierten Zugangs zu Süßwasser thematisiert. Anhand von durchaus bekannten Beispielen, die Schöllgen wiederum global verknüpft, wird dieses Konfliktpotential dimensioniert. Und nach den Konfliktbeschreibungen in den vorstehenden Kapiteln versteht man die Auseinandersetzung um Wasser als die Sprengkapsel der nächsten globalen Konflikte. Wobei die klimatischen Veränderungen als potentielle Brandbeschleuniger durchaus hätten Erwähnung finden können.
Digitalisierung – neue Waffe und wachsende Bedrohung
Was mir allerdings gefehlt hat, ist ein Hinweis auf die Auswirkungen dessen, was wir als Digitalisierung bezeichnen. Alle von Schöllgen beschriebenen Bedrohungsszenarien werden von den Möglichkeiten überlagert, verstärkt und unter Umständen ausgelöst, die sich mit einer zunehmenden Digitalisierung bieten. Noch nie hatte der Mensch an jedem Ort der Welt eine nahezu beliebige Rechen- und Informationskapazität zur Verfügung. Diese Tatsache muss und wird sich auf die globale Entwicklung unserer Sicherheit auswirken.
Was bleibt, wenn man dieses Buch gelesen hat? Viele Informationen und die Erkenntnis, wie sich die Entwicklungen der letzten einhundert Jahre zu einem Netz der globalen Gefährdung verknüpft haben, dem wir nur durch ein kollektives System der wechselseitigen Verantwortlichkeit entgegentreten können. Zweifel an Europa und an der Notwendigkeit eines starken Deutschlands innerhalb unserer kollektiven Sicherungssysteme sind also unangebrachter denn je.
Für einen persönlich bleibt die Erkenntnis, dass es nur zwei Alternativen des Daseins gibt: Entweder in Agonie zu verfallen und sich in fatalistischer Gelassenheit der Erkenntnis hinzugeben, dass es für einen selbst wahrscheinlich noch reicht, jedenfalls in unseren Breiten. Oder man nimmt die Verantwortung an und mischt sich vor dem Hintergrund unserer plan- und ziellos agierenden Politikerkaste in dieses Geschäft ein. Für mich bleibt nach diesem Buch die indirekt ausgesprochene Aufforderung, eigenen Sachverstand auch dort einzubringen, wo er nicht abgerufen wird.
Insgesamt ein empfehlenswertes Buch, vor allem für die nächste Generation.
Unser Autor Dr. Stefan Knoll ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Familienversicherung. Er ist Oberst d.R. und war bis vor kurzem Vizepräsident im Verband der Reservisten der Bundeswehr.
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Zum Thema Krieg: Seit dem ersten Krieg Der Menschheitsgeschichte vor 5.500 Jahren (Hamoukar) hat es ca. 14.500 Kriege gegeben. Die letzten hundert Jahre haben nur größere Heere und vernichtender Waffen gehabt. Trotzdem wurden die meisten Menschen durch Spieße, Lanzen, Schwerter, Macheten und Pfeile getötet und nicht durch Panzer und Atomwaffen. Die Massenvernichtungsmittel der Neuzeit insb. in Afrika sind Kalschnikows und Macheten. Weder Pazifismus, noch Rüstungsstopp sind die Lösung. Ewiger globaler Friede könnte nur durch ein internationales Völkerrecht mit Legislative, Judikative und Exekutive (mit Gewaltmonopol bei einer internationalen Truppe) erreicht werden. Das dieses Konzept funktioniert, beweist das Staatsrecht. Auch hier liegt… Mehr
Der Staat ist eine Massenmörder und ein Dieb!
https://www.hawaii.edu/powerkills/NOTE1.HTM
169 Mio Tote „Death by Government“ im 20. Jahrhundert. (Quelle s. o.)
Hier die größten Massenmörder:
61,911,000 Murdered: The Soviet Gulag State
35,236,000 Murdered: The Communist Chinese Ant Hill
20,946,000 Murdered: The Nazi Genocide State
10,214,000 Murdered: The Depraved Nationalist Regime
Die vom Autor erwähnten zwei Alternativen des Daseins, beobachte ich in meinem Umfeld. Bei Gesprächen über die Zustände unserer Welt, werde ich exakt mit diesen beiden Reaktionen konfrontiert. Ich muß leider gestehen, das bei den meisten Gespächspartnern, in Agonie zu verfallen und sich fatalistischer Gelassenheit hinzugeben überwiegt. Ich sehe dabei folgenden Hauptgrund als Ursache: Die Mehrheit wartet auf die starke politische Person, die alles richten wird. Viele orientieren sich an vergangenen und vor allem historisch gescheiterten Peronal. Weiterhin erkenne ich einen großen Betrug durch sogenannten Reichtum! Merke: Reichtum ist keine Sünde, wenn er ehrlich erworben wurde und das ist bei… Mehr
„Wechselseitigen Verantwortlichkeit“ eindeutig ein schönes Ideal. Doch wie sieht die Realpolitik aus? Die Eurostaaten sind begeisterte „Nehmer“ und Deutschland in seiner ewigen Sehnsucht möglichst schnell von der Landkarte zu verschwinden, zahlt gerne, auch über jede Leistungsfähigkeit hinaus und ohne dass die Nehmer die nötigen Reformen einleiten. Ich finde, Zweifel an Europa sind sehr wohl angebracht. Jedenfalls heute mit die „Staatsleuten“, die wir heutzutage haben. Siehe Macron, der die Transferunion mit Deutschland als Melkkuh, in Gesetze gießen möchte. Die UN, auf deren Mist z.B. der Resettlementgedanke gewachsen ist, den Merkel so eifrig umsetzt. In diesem Verein haben die repressiven Staaten die… Mehr