Wer es sich einfach macht, für den ist es ganz einfach: Es gibt gute, hilfsbereite Menschen, die das Elend der Welt bekämpfen. Sie möchten jeden, der nach Deutschland will, mit offenen Armen empfangen, empfinden jeden Flüchtling als Bereicherung und fordern großzügige staatliche Hilfe für deren Start in ein neues Leben. Dieses Verständnis verändert auch die Sprache – der Begriff des Flüchtlings wird inflationär gebraucht und verwischt notwendige Unterschiede. Darauf habe ich bereits hingewiesen. Das Problem verschärft sich seither von Tag zu Tag. Denn es gibt auch andere Stimmen – auch aus der Politik; von der SPD ebenso wie von Grünen, die konkret Verantwortung wahrnehmen müssen. Und dann gibt es andere, angeblich herzlose Zeitgenossen. Die verweisen darauf, dass eine ungebremste Zuwanderung Deutschland überfordern würde – organisatorisch, finanziell und nicht zuletzt in Bezug auf die Fähigkeit unserer Gesellschaft, Jahr für Jahr 500.000, 700.000 oder noch mehr Zuwanderer zu integrieren. Wer das tut, wird vom linken Teil des politischen Spektrums und vielen Medien schnell zum Ausländerfeind und geistigen Brandstifter erklärt, als williger Helfer jenes braunen Mobs diffamiert, der Flüchtlinge attackiert und Unterkünfte anzündet.
Begriffliche Klarheit hilft gelegentlich
Dabei sind beide Forderungen legitim: die Zahl derer, die bei uns leben wollen, nach geltendem Recht zu begrenzen, oder mehr oder weniger alle willkommen zu heißen. Aber wir sollten offen sagen, worüber wir reden und streiten: über Asylbewerber, Schutzsuchende nach der Genfer Konvention, Kriegsflüchtlinge, Wirtschafts- bzw. Armutsflüchtlinge, legale oder illegale Einwanderer. Diese begriffliche Klarheit, diese Ehrlichkeit fehlt. Weil man mit Begriffen Politik machen kann, haben die Befürworter einer mehr oder weniger grenzenlosen Freizügigkeit das Wort Asylbewerber durchgehend durch den Begriff Flüchtling ersetzt.
Zum Asyl gehört auch der Begriff des Asylmissbrauchs. Flüchtling klingt dagegen sympathischer, ist positiv besetzt: Wer fliehen muss, muss halt fliehen, ist in jedem Fall ein Opfer. Eine weitere Differenzierung ist aus der Sicht der „Lasst-alle-zu-uns-kommen“-Fraktion nicht nötig, nein, sogar hinderlich. Dabei waren unsere politischen Sprachpolizisten durchaus erfolgreich. In den 90er-Jahren schrieb selbst der „Spiegel“ von „Asylanten“. Wer heute Asylant sagt, den trifft sofort die Diskriminierungs-Keule. Es sind nicht nur die rot-grünen Gutmenschen in der Politik, die ausnahmslos von Flüchtlingen reden. In den Medien dominiert dieser vernebelnde Ton ebenfalls. Man ahnt, warum diese „Nachrichten“-Sprache verwendet wird. Unsere Wirtschaftsverbände stimmen gleichfalls in den „Flüchtlings“-Chor mit ein. Die Wirtschaft beschwört zwar mit guten Argumenten einen sich abzeichnenden Fachkräftemangel. Sie war aber bisher nicht willens, einen Teil ihres Bedarfs durch ein gezieltes Zuwanderungs-Marketing abzudecken. Stattdessen reiten die Wirtschaftsverbände lieber auf der Flüchtlingswelle mit. Es ist ja für Unternehmen auch viel einfacher, sich aus dem „Flüchtlings“-Pool die Besten auszusuchen, statt im Ausland gezielt Fachkräfte anzuwerben.
Nicht jeder ist Flüchtling im Wortsinn
Bei der Differenzierung zwischen Asylbewerbern, Flüchtlingen und Zuwanderern geht es um mehr als um semantische Feinheiten. Es macht schon einen Unterschied, ob ein Ankömmling aus dem Westbalkan Flüchtling oder Migrant genannt wird. Der Flüchtling ist gekommen, weil sein Heimatland ihn nicht schützen kann oder will. Migranten hingegen verlassen ihr Land aus eigenem Antrieb – meistens, um ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Während der Flüchtling unsere Hilfe und unseren Schutz verdient, ist der Arbeitsmigrant aus sicheren Herkunftsländern wie Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina schlichtweg ein illegaler Einwanderer. Aber illegal klingt nicht so sympathisch; also wird aus dem Illegalen ein Flüchtling.
Eigentlich ist es gar nicht so schwierig, zu differenzieren. Politisch Verfolgte genießen bei uns nach Artikel 16a Grundgesetz Schutz. Das trifft aber nur auf ein bis zwei Prozent aller Schutzsuchenden zu. Nimmt man zu den politisch Verfolgten noch die Menschen hinzu, die „Flüchtlingsschutz“ oder „subsidiären Schutz“ gemäß der Genfer Konvention genießen, dann wurden im ersten Halbjahr 2015 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 34,7 Prozent aller Schutzsuchenden anerkannt. Im Jahr 2014 lag die „Schutzquote“ etwas über 40 Prozent. Die Mehrzahl der „Flüchtlinge“ hat also keinen Anspruch darauf, sich hier niederzulassen. Diese Menschen sagen Asyl und meinen Sozialhilfe oder Arbeitsamt. Ihr Wunsch nach einem besseren Leben ist verständlich, hat aber keine rechtliche Basis. Diese Zuwanderer versuchen, ein Recht zu erschleichen, das ihnen nicht zusteht. Weder die Genfer Konvention noch andere internationale Abkommen verpflichten Staaten, Wirtschaftsflüchtlinge aufzunehmen. Um es auf den Punkt zu bringen: Wer in seiner Heimat weder verfolgt wird noch kriegerischen Auseinandersetzungen samt ihren Folgen ausgesetzt ist, ist kein Flüchtling; sein Asylantrag hat keine Aussicht auf Erfolg. Diese illegalen Zuwanderer belasten unsere Aufnahmeeinrichtungen, kosten den Steuerzahler viel Geld und verzögern die Verfahren derer mit sehr guten Aussichten auf eine Aufenthaltsgenehmigung wie der „echten“ Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak. Vor diesem Hintergrund ist der bayerische Vorstoß, Asylbewerber ohne Aussicht auf ein Bleiberecht separat unterzubringen, schnell zu überprüfen und gegebenenfalls schnell wieder abzuschieben, kein Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit, wie uns die „Lasst-alle-zu-uns-kommen“-Fraktion weismachen will.
Vor Ort reagieren rot-grüne Politiker zustimmend
Obwohl viele rot-grüne Bundespolitiker unverzüglich Abscheu und Empörung geäußert haben, ist die Reaktion rot-grüner Landesregierungen eher positiv. Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) fordert inzwischen ebenfalls „spezialisierte Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive“. In den meisten Kommunen, die sich letztlich um Asylbewerber und illegale Zuwanderer kümmern müssen, stößt der bayerische Vorschlag ebenfalls auf Zustimmung, ganz gleich, wer dort regiert.
Da zeigt sich der Unterschied zwischen Ideologen und Praktikern. Winfried Kretschmann, der grüne baden- württembergische Ministerpräsident, steht seinem bayerischen CSU-Kollegen Horst Seehofer in dieser Frage viel näher als seinen Parteifreunden in Berlin. Wenn von CSU-Politikern gefordert wird, die finanziellen Anreize für Wirtschaftsflüchtlinge zu verringern, löst das einen kollektiven Aufschrei aus – wohl gemerkt in der veröffentlichten Meinung, nicht bei der Bevölkerung. Wenn ein SPD-Politiker dasselbe sagt, schweigt die Gutmenschen-Fraktion betreten.
Rot-rote Asylhetzer?
Ein Beispiel gefällig? Hier der Originalton von Karl-Heinz Schröter (SPD), Innenminister im rot-rot regierten Brandenburg: „Wenn Armutsflüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern die Erstaufnahme nach drei Monaten verlassen, sollten sie statt Bargeld entweder Gutscheine oder Sachleistungen erhalten. Damit kann man keine Schleuserbanden bezahlen.“ Und: „Es muss uns gelingen, die Armutsflüchtlinge schon aus der Erstaufnahme wieder in ihre Heimat zu bringen.“ Wie gut, dass der Mann kein Unions-Politiker ist. Sonst schallte ihm ein lautes „Volksverhetzer“ entgegen.
Das Thema Asyl, Flüchtlinge und Zuwanderer wird uns wohl noch längere Zeit beschäftigen. Ein differenzierter Umgang setzt Ehrlichkeit voraus. Wer eine Politik nach dem Motto „Lasst alle Mühseligen und Beladen zu uns kommen“ fordert, wer die Bundesrepublik ausnahmslos für alle und jeden öffnen will, die sich hier ein besseres Leben versprechen, der möge das auch so deutlich sagen. Und er sollte noch hinzufügen, was das den Steuerzahler kosten wird. Stattdessen ergehen sich die Vorkämpfer für ein Deutschland der völlig offenen Grenzen in Menschlichkeits-Appellen. Und diffamieren jeden, der zwischen Asylbewerbern, Flüchtlingen und Illegalen unterscheidet, als unmenschlichen Fremdenfeind und geistigen Brandstifter. Aber auf die Frage, welche Sogkraft eine Politik der völlig offenen Grenzen auf die Armen dieser Welt entwickeln würde, gehen sie lieber nicht ein, ebenso wenig darauf, was das für unsere Gesellschaft bedeutete. Genau das ist das Unehrliche, ja Verlogene an dieser Diskussion.
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