Beide Forderungen sind legitim: die Zahl derer, die bei uns leben wollen, nach geltendem Recht zu begrenzen, oder mehr oder weniger alle willkommen zu heißen, die ihre Zukunft bei uns sehen. Aber wir sollten wissen, worüber wir reden und streiten: über Asylbewerber, Schutzsuchende nach der Genfer Konvention, Kriegsflüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge oder Zuwanderer bzw. Migranten.
Diese begriffliche Klarheit fehlt. Weil man mit Begriffen Politik machen kann, haben die Befürworter einer mehr oder weniger grenzenlosen Freizügigkeit das Wort Asylbewerber durchgehend durch den Begriff Flüchtlinge ersetzt. Denn Flüchtling klingt sympathischer als Asylbewerber. Zum Asyl gehört auch der Begriff des Asylmissbrauchs. Flüchtling ist dagegen positiv besetzt: Wer fliehen muss, muss halt fliehen, ist in jedem Fall ein Opfer. Eine weitere Differenzierung ist aus der Sicht der „Lasst-alle-zu-uns-kommen“-Fraktion da nicht nötig, nein, sogar hinderlich.
Wirtschaft reitet Flüchtlings-Welle
Es sind nicht nur die rot-grünen Gutmenschen in der Politik, die so reden. In unseren Rundfunksendern und Zeitungen wird fast ausschließlich von Flüchtlingen gesprochen und geschrieben. Man ahnt, warum diese „Nachrichten“-Sprache verwendet wird. Unsere Wirtschaftsverbände stimmen ebenfalls in den „Flüchtlings“-Chor mit ein. Die Wirtschaft beschwört zwar mit guten Argumenten einen sich abzeichnenden Fachkräftemangel. Sie war aber bisher nicht willens, einen Teil ihres Bedarfs durch ein gezieltes Zuwanderungs-Marketing abzudecken. Stattdessen reiten der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) lieber auf der Flüchtlingswelle mit. Frei nach dem Motto: Uns interessiert kein Aufenthaltsrecht, uns interessieren nur Arbeitskräfte.
Bei der Differenzierung zwischen Asylbewerbern, Flüchtlingen und Zuwanderern geht es um mehr als um semantische Feinheiten. Es macht schon einen Unterschied, ob ich einen Ankömmling aus dem Westbalkan als Flüchtling oder Migrant bezeichne. Der Flüchtling ist gekommen, weil sein Heimatland ihn nicht schützen kann oder will. Migranten hingegen verlassen ihr Land aus eigenem Antrieb – meistens, um ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Während der Flüchtling unsere Hilfe und unseren Schutz verdient, ist der Arbeitsmigrant aus sicheren Herkunftsländern wie Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina schlichtweg ein illegaler Einwanderer. Aber illegal klingt nicht so sympathisch; also wird aus dem Illegalen ein Flüchtling.
Eigentlich ist es gar nicht so schwierig, zwischen Asylbewerbern, Flüchtlingen und arbeitsuchenden Zuwanderern zu unterscheiden. Politisch Verfolgte genießen bei uns nach Artikel 16a Grundgesetz Schutz. Das trifft aber nur auf ein bis zwei Prozent aller hier Schutzsuchenden zu. Knapp 40 Prozent sind Wirtschaftsflüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern. Deren Wunsch nach einem besseren Leben in unserem Land ist verständlich, hat aber keine rechtliche Basis. Diese Zuwanderer sagen Asyl und meinen Sozialhilfe. Sie versuchen, ein Recht zu erschleichen, das ihnen nicht zusteht.
Fast 50 Prozent derer, die ohne Visum zu uns kommen, haben nach der Genfer Konvention und dem Humanitären Völkerrecht gute Chancen, als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Das ist dann der Fall, wenn sie befürchten müssen, wegen ihrer „Rasse“, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer politischen Überzeugung oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in ihren Heimatländern verfolgt zu werden. Zur Aufnahme und zum Schutz sind wir zudem bei Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen verpflichtet. Unstrittig ist aber auch: Weder die Genfer Konvention noch andere internationale Abkommen verpflichten Staaten, Wirtschaftsflüchtlinge aufzunehmen.
Um es auf den Punkt zu bringen: Wer in seiner Heimat weder verfolgt wird noch kriegerischen Auseinandersetzungen samt ihren Folgen ausgesetzt ist, ist kein Flüchtling. Asylanträge solcher Zuwanderer haben deshalb keinerlei Aussicht auf Erfolg. Diese knapp 40 Prozent illegale Zuwanderer belasten unsere Aufnahmeeinrichtungen, kosten den Steuerzahler viel Geld und verzögern die Verfahren der knapp 50 Prozent mit sehr guten Aussichten auf eine Aufenthaltsgenehmigung. Die Kapazitäten, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für unbegründete Anträge aufwenden muss, fehlen für „echte“ Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak.
Keine Kraft für echte Flüchtlinge
Vor diesem Hintergrund ist der bayerische Vorstoß, Asylbewerber ohne Aussicht auf ein Bleiberecht künftig separat unterzubringen, schnell zu überprüfen und gegebenenfalls schnell wieder abzuschieben, kein Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit, wie uns die „Lasst-alle-zu-uns-kommen“-Fraktion weismachen will. Obwohl viele rot-grüne Bundespolitiker unverzüglich Abscheu und Empörung geäußert haben, ist die Reaktion rot-grüner Landesregierungen eher positiv. In den Kommunen, die sich letztlich um Asylbewerber wie illegale Zuwanderer kümmern müssen, stößt der bayerische Vorschlag ebenfalls auf Zustimmung.
BAMF-Präsident Manfred Schmidt hat es auf den Punkt gebracht: Die hohe Zahl der aussichtslosen Fälle „bindet Kräfte, die wir brauchen, um uns um Menschen aus Krisenregionen zu kümmern.“ Ein differenzierter Umgang mit Asylbewerbern, Flüchtlingen und Arbeitsmigranten setzt indes sprachliche Klarheit voraus. Wer klare Worte scheut, scheut auch klare Entscheidungen. Oder er will sein eigentliches Ziel vernebeln: die Öffnung der Bundesrepublik für alle und jeden, die sich – aus welchen Gründen auch immer – hier ein besseres Leben versprechen.
In der ersten Fassung hatte es geheißen: „Fast 60 Prozent derer, die ohne Visum zu uns kommen, haben nach der Genfer Konvention und dem Humanitären Völkerrecht gute Chancen, als Flüchtlinge anerkannt zu werden.“ Die „bereinigte Schutzquote“ lag im ersten Halbjahr 2015 nach Angaben des BAMF bei 47 Prozent.
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