Umgang mit Flüchtlingen und Migration vom Kopf auf die Füße stellen

Oh Flüchtling, kommst du nach Deutschland, stell‘ dich auf viele Vorschriften und lange Verfahren ein. Das ist die Wirklichkeit. Flüchtling, was kannst du? Das kann unsere Wirklichkeit sein. Finden wir im ersten Schritt heraus, welche Arbeit oder Ausbildung Flüchtlinge sofort beginnen können, weil unsere Wirtschaft und Gesellschaft sie sucht. Dann wird die Zahl derer, für die wir andere Wege finden müssen, deutlich kleiner sein. Drehen wir die Reihenfolge um. Nicht zuerst verwalten, sondern als erstes gestalten. Stellen wir das System vom Kopf auf die Füße.

Heute prüfen die Behörden nach dem „Dublin-Verfahren“ welcher EU-Mitgliedsstaat für die Durchführung des „Asylverfahrens“ überhaupt zuständig ist. Es muss nämlich der sein, in dem der Flüchtling in den EU-Raum kam. Erst dann beginnt die Prüfungsmühle sich tatsächlich zu drehen. Die endlose Darstellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lässt ahnen, welches Bürokratiemonster sich mit dem Ergebnis dreht: außer Spesen nichts gewesen. Denn wer geschickt ist, wird nicht abgeschoben. Wer sich von deutschen Spezialisten zur Austricksung des Asylrechts helfen lässt, bleibt auch nach einer Rückführungsentscheidung im Lande. Diese Hilfe ist zunehmend genauso ein Geschäft auf dem Schwarzmarkt wie das der Schlepper, die Zuwanderer nach Europa schleusen. Kenner sprechen schon von Strukturen, die beides im Paket anbieten.

Die Genfer Konvention reicht auch in anderen Staaten

Artikel 16a des Grundgesetzes sagt im ersten Absatz: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Mehr muss im GG nicht stehen, der Satz hat gut im Artikel 16 Platz. Den eigenen 16a gibt es wohl auch nicht für dieses wichtige Prinzip, sondern für die dort folgenden umfangreichen Gesetzgebungsrichtlinien, die eine wuchernde Bürokratie in Gang gesetzt haben. Deshalb dominiert die Exekution der Vorschriften, die am Ende wirkungslos bleiben, den Umgang mit Flüchtlingen so sehr, dass unter den „Fällen“ und in den Akten die Menschen verschwinden. Um die „Fälle“ verwalten zu können, werden die Menschen in Unterkünften verwahrt, zur Untätigkeit verdammt – kurz im Umstände versetzt, die neue Probleme unter den Verwahrten selbst und zwischen ihnen und den Einheimischen produzieren.

Solche Verwaltungswirklichkeit verschärft das negative Bild von der Einwanderung in die Sozialsysteme weit über den wahren Umfang hinaus. Asylbewerber dürfen nicht arbeiten. Daraus wird schnell, sie wollen nicht arbeiten. Dabei würden die vielen, die sofort arbeiten, den wenigen gegenüberstehen, die tatsächlich lieber von der Stütze leben. Die Bürokratie kann auch parallel und nachträglich stattfinden. Und wer sich hier nützlich macht, dem sollte sie ganz erspart bleiben. Wo die Vorschriften etwas anderes wollen, kann die Politik von ihrem Primat Gebrauch machen und sie ändern. Die beste Änderung von Vorschriften liegt übrigens oft in ihrem Wegfall.

Jetzt und gleich arbeiten lassen

Bund, Länder und Gemeinden können den unkonventionellen Weg gehen, wenn sie denn nur wollen. In den Institutionen der Arbeitsvermittlung und Ausländerbehörden, bei Industrie-, Handels- und Handwerkerkammern, der Gewerkschaften und sicher noch anderswo lassen sich die Erfahrensten für eine Task Force „Jetzt und gleich“ finden. Für fliegende Teams zur schnellen, unbürokratischen Integration von Neuankömmlingen aller Art in die deutsche Gesellschaft. Zusätzlich brauchen die Teams Mitglieder, die mit den Zuwanderern in ihrer Muttersprache kommunizieren.

Sofort nach ihrer Ankunft können die Teams als erstes feststellen, welche Kenntnisse, Ausbildungen und Begabungen die einzelnen haben. Unabhängig vom gesetzlichen Verwaltungsgang sollten jene, die für freie Arbeitsplätze geeignet sind, auf diesen ohne weiteren Zeitverzug beschäftigt werden. Für Unterkunft und Betreuung können die Teams der Task Force „Jetzt und gleich“ mit Unternehmen und Gemeinden, vor allem aber auch ehrenamtlichen Organisationen und Initiativen – von denen es viele gibt – flexible Lösungen finden.

Ins wahre Leben statt in Sammelunterkünfte

Wo heute die schier unüberwindliche Hürde der amtlichen Anerkennung ausländischer Zeugnisse und Qualifikationsnachweise Fachkräfte zur Untätigkeit zwingen oder zum Niedrigstverdienst in illegalen Jobs, können Fachbeurteiler der Task Force „Jetzt und gleich“ den Weg zur direkten Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit ebnen. Die Verfahren können parallel und nachholend stattfinden. Verwaltung darf keinen Vorrang haben, zumal sie doch versagen muss, da Vorschriften immer nur für inländische „Normalfälle“ gemacht sind.

Für jugendliche Zuwanderer gibt es freie Ausbildungsplätze, vorhandene Vorbehalte lassen sich systematisch ausräumen. Begleitende Pressearbeit sollte als Fähigkeit in jedem Team personell vorhanden sein. Es gibt genug arbeitssuchende Journalisten, vor allem auch freie Journalisten, die dringend Aufträge suchen.

Es gibt aber auch viele ältere Mitmenschen, die keinen neuen Job mehr kriegen, aber über profunde berufliche – auch sprachliche – Erfahrungen verfügen; und sich nichts mehr wünschen, als wieder gebraucht zu werden. Viele von ihnen werden ehrenamtlich und nicht wenige gern gegen vergleichsweise bescheidene Bezahlung in den Teams der Task Force „Jetzt und gleich“ mitwirken.

Der wichtige Unterricht in deutscher Sprache kann für alle, die unbürokratisch ins deutsche Arbeits- und Ausbildungs-Leben integriert werden, auch von den Teams der Task Force „Jetzt und gleich“ für Einzelne und Gruppen ergänzend organisiert werden. Die Deutsch-Ausbildung muss bei vielen Tätigkeiten nicht vorgeschaltet sein.

Aktueller Lichtblick: Blue Card für hochqualifizierte Flüchtlinge

Akademische Fachkräfte von außerhalb der EU können seit 2012 in Deutschland eine Blue Card bekommen und samt Familie nach Deutschland ziehen. Voraussetzung: ein fester Arbeitsvertrag, abgeschlossene Ausbildung und ein Mindestgehalt von 48.400 Euro.

Diese Blue Card zur Anwerbung von Fachkräften schlägt die Bundesagentur für Arbeit (BA) nun auch für hochqualifizierte Flüchtlinge vor. Die Verwaltung weiß, dass unter ihnen viele Ärzte und Ingenieure sind. Solche Flüchtlinge sollen mit ihren Familien aus dem Asylverfahren herausgenommen werden, hier arbeiten und leben können. Bisher geht das nicht, weil sie nach geltendem Recht zurück ins Land der Herkunft und dort ein Spezialvisum beantragen müssen. Ein schlagender Beweis für die Wirklichkeitsferne der deutschen Vorschriften.

Lokal kommen Zuwanderer und Einheimische gut klar

Heute schon ist der Anteil der Zuwanderer in Vereinen im Steigen begriffen. Nicht zuletzt Jugendliche finden den Weg in Sportvereine und werden dort schneller akzeptiert als anderswo. Womit die vielfältigen Möglichkeiten der Teilnahme von Neuen am ganz normalen Alltagsleben der Einheimischen nur beispielhaft beschrieben sind. Fern der Verwahrungsstätten für Asylbewerber mitten im Alltag der angestammten Bevölkerung finden Zugewanderte meist problemlos ihren Weg. Deshalb sieht das Bild in lokalen und regionalen Medien so viel positiver aus als in überregionalen.

2,1 Kinder muss im Durchschnitt jede Frau zur Welt bringen, wenn eine Nation ihren Lebensstandard halten soll, gilt als Regel. Ob das auch noch Mitte des Jahrtausends wahr ist, bezweifle ich angesichts von noch schneller voranschreitender Automation und Roboterisierung: Industrie 4.0. Aber bis auf weiteres werden Länder wie Deutschland wohl tatsächlich nicht weniger, sondern mehr Fachkräfte brauchen. Was auch immer die Regierungen gegen die Ströme von politischen wie wirtschaftlichen Flüchtlingen unternehmen, die Wanderungsbewegungen werden nicht aufhören, Migration wird nicht weniger, solange sich die Umstände in den Herkunftsländern nicht ändern. Die Umstände werden erst andere, wenn Europa und Amerika die Konsequenzen aus Befunden wie diesem ziehen: „Experten haben ausgerechnet, dass Afrika allein durch die Agrarprotektion der Amerikaner, Europäer und Japaner jährlich rund dreißig Milliarden Dollar an Exporteinnahmen verliert – das ist fast das Doppelte der Entwicklungshilfe, die jedes Jahr nach Afrika fließt.“ Bis dahin können alle nur mit den Zuwanderern so gut wie möglich umgehen, aufhalten kann sie niemand.

Übrigens: Zuwanderer, die später in ihre Heimat zurückkehren, warum auch immer, hoffentlich, weil die Umstände dort besser wurden, sind dort dann die besten Botschafter eines Landes, das sie freundlich aufgenommen und in ihrer Entwicklung weiter gebracht hat.

Bringen wir also das menschlich Verpflichtende mit dem wirtschaftlich Nützlichen so weit wie nur möglich in Übereinstimmung. Die Zahl der Kommenden, mit denen das nicht geht, könnte sich als sehr überschaubar herausstellen.

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