Juncker träumt von der alleinigen Macht

Juncker will alle EU-Staaten in den Euro-Raum zwingen, wo schon jetzt die Zentrifugalkraft den Währungsraum zu zerreißen droht. Doch mit seinen Scheuklappen sieht er das nicht.

© Patrick Hetzog/AFP/Getty Images
European Commission President Jean-Claude Juncker delivers his State of the Union speech at the European Parliament in Strasbourg, eastern France, on September 13, 2017

Gestern hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine jährliche Rede zur Lage der Union gehalten. Niemand hat dabei einen großen Wurf erwartet, dafür ist Juncker schon zu lange dabei und alle kennen ihn zur Genüge. Dennoch zeigt die Rede, wo es nach er Bundestagswahl hingehen soll und was die Konfliktlinien sein werden. Juncker hält unvermindert am Dogma der „ever closer union“ fest. Stillstand ist Rückschritt für ihn. Die Notwendigkeit belegt er mit Zahlen. Das Wirtschaftswachstum ist stärker als in den USA und die Arbeitslosigkeit so niedrig wie seit 9 Jahren nicht mehr. Seine Investitionsoffensive habe 225 Milliarden Euro Investitionskapital für kleine und mittlere Unternehmen bereitgestellt und 270 Infrastruktur-Projekte aktiviert. Selbst das öffentliche Defizit sei von 6,6 auf 1,6 Prozent gesunken. So viel Eigenlob war nie. Dennoch ist die EU und auch die Euro-Zone noch weit vom Vorkrisenniveau entfernt.

Junckers Scheuklappen

Wer meint, alles richtig gemacht zu haben, kann jetzt auch diesen Weg konsequent weitergehen. Investitionen in der EU will Juncker einem „Investment Screening“ unterziehen. Investitionsfreiheit gibt es nur auf Gegenseitigkeit. Die Übernahme von Schlüsselindustrien und Infrastruktur sollen nicht mehr in den Händen der Eigentümer liegen und durch individuelle Regelungen in den Mitgliedsstaaten vereinbart werden, sondern unter den Zustimmungsvorbehalt der Kommission gestellt werden. Warum nicht auch der Lebensmitteleinzelhandel oder die Müllabfuhr? Mehr Schlüsselindustrie geht doch nicht!

Juncker agiert wie immer
Europäische Verteilungskämpfe nach der Bundestagswahl?
Natürlich ist es ein wichtiges politisches Anliegen, dass Unternehmen aus der EU möglichst ungehindert in China investieren, dort Unternehmen kaufen und verkaufen können. Doch eine zwingende Gegenseitigkeit setzt das nicht voraus. Es unterstellt nämlich, dass Unternehmen aus Europa per Zwang in China investieren. Nein, sie machen es freiwillig. Vielleicht könnte China noch mehr Investitionskapital aus dem Ausland erhalten, würde es seine Märkte stärker öffnen. Doch auch die Selbstschädigung ist erlaubt. Wieso wir es anderen gleichtun sollten, ist jedoch schleierhaft. Die Beispiele, die Juncker anführt, sind daher höchst fragwürdig. So dürfe China keine Häfen in Europa ohne Zustimmung der Kommission kaufen. Doch Häfen sind meist in staatlicher, halbstaatlicher oder kommunaler Hand. Wenn ein souveränes Land entscheidet, sein Eigentum zu verkaufen, dann hat keine Kommission dieser Welt das Recht, das zu verhindern.

Alle Macht für Juncker

Besonders spannend ist Junckers persönliche Vision der EU. Er wünscht sich eine EU mit den Grundprinzipien Freiheit, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit. Er beschreibt das als sein großes Leitbild. Dabei ist er für die mangelnde Durchsetzung dieser Grundprinzipien höchstselbst verantwortlich. Wer hat sich denn in der beginnenden Flüchtlings- und Migrationskrise im Herbst 2015 in die Büsche geschlichen? Hat es seinerzeit Kritik von Juncker gegeben an der Aussetzung des Dubliner-Abkommens durch die derzeitige Bundesregierung? Hat er bei der Verletzung der Stabilitätskriterien des Maastrichter-Vertrages nicht fortwährend die Augen zugedrückt? Dabei ist seine Kommission die Hüterin der Europäischen Verträge. Wo ist die vielbeschworene Rechtsstaatlichkeit der EU? Auch in Brüssel gilt: wer im Glashaus sitzt, sollte daher nicht mit Steinen werfen.

Juncker geht es in seiner Rede nur darum, wie die Kommission zu mehr Macht gelangt. Juncker will den Europäischen Stabilitätsmechanismus in das Vertragswerk der EU integrieren, damit er dann per Mehrheitsbeschluss entscheiden kann. Er will alle EU-Staaten in den Euro-Raum zwingen, wo schon jetzt die Zentrifugalkraft den Währungsraum zu zerreißen droht. Neulich war ich bei einem Unternehmen in Baden-Württemberg, einem dieser Hidden-Champions, das zunehmend Probleme mit unfairen Wettbewerbern hat. Wer in Polen investiert, bekommt auf seine Maschinen einen 50 prozentigen Zuschuss aus dem EU-Haushalt. Der Unternehmer fragte mich, wie er mit einer solchen Wettbewerbsverzerrung dauerhaft mithalten soll, wenn er seine Maschine zu 100 Prozent kaufen muss. Er bezahlt also mit seinen Steuern die Maschine seiner eigenen Konkurrenz. Absurder geht es nicht.
Gleichzeitig schützt die Kommission durch die Entsenderichtlinie heimische Unternehmen vor „Billigkonkurrenz“ aus osteuropäischen Ländern. Was ist daran falsch? Alles. Sowohl die Subventionierung der polnischen Maschine ist falsch, als auch die Abschottung durch die Entsenderichtlinie. In einem gemeinsamen Markt muss es nicht gleiche Lohnkosten geben. Es gibt ja auch nicht eine gleiche Infrastruktur, ein gleiches Ausbildungsniveau oder gleiche Steuern und Abgaben. Zwar will Juncker auch das noch angleichen. Dennoch sollten wir unsere heimische Regulierungswut Polen, Tschechen oder Slowaken wahrhaft nicht antun. Das würde Europa nicht stärker zusammenführen, sondern auseinanderdividieren. Nicht ohne Grund wird BRD oft auch mit „Beinahe Regelungs Dicht“ übersetzt.

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Kommentare ( 31 )

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John Galt
7 Jahre her

So isses, je gigantischer politische Einheiten werden, desto weniger demokratische Kontrolle kann ausgeübt werden.
Manche wünschen sich so etwas ja zur Durchsetzung ihrer Ziele, mir fallen da spontan einige „Klimaforscher“ ein, Stichwort „Große Transformation“.

Wilhelm Schuster
7 Jahre her

Ein kleiner Mann, aus einem kleinen Land, mit zu großen Ambitionen. So eine Melange hatten wir schon einmal, ist nicht gut gegangen.

Veronika Deutsch
7 Jahre her

Ein sehr guter Vortrag und mit Ausblick auf die kommenden Jahre Europas.
Sollte sich jeder anschauen und sich Gedanken darüber machen, das wird
noch zu ein großes Problem in der EU werden, wenn nicht dagegen gesteuert
wird.
Herr Junker wird auch angeprochen und einige mehr.

https://youtu.be/tGib3KJ5Plw

Cathys
7 Jahre her

Warum eine gemeinsame Währung? Solange es MENSCHEN gibt, wird es unterschiedliche Vorstellungen und Meinungen geben und solange MUSS es auch unterschiedliche Währungen geben. Eine gemeinsame Währung, vielleicht sogar weltweit würde eine ZENTRALREGIERUNG voraussetzen, wollen wir das? Ich sage Ihnen schon jetzt voraus, dass das nicht funktionieren wird. GIGANTONOMIE hat noch nirgends funktioniert glauben Sie mir das! Wer für Freiheit des Menschen ist, sorge stets dafür, dass die Unterschiedlichkeit zentraler Bestandteil des Menschen ist, denn alles andere hat nichts mehr mit Freiheit sondern mit ZWANG zu tun.

Herbert Wolkenspalter
7 Jahre her
Antworten an  Cathys

Geld ist das, was zwischen und fließt, was wir miteinander zu tun haben, worauf sich alle Seiten gleichermaßen verlassen können müssen. Eine Weltwährung wäre die einzige faire Währung ohne floatende Wechselkurse, die strenggenommen Betrug sind.

Eine Weltwährung setzt auch keine Zentralregierung voraus sondern klare Verhältnisse. Beim Gold als weltweit anerkannter Tauschwert geht’s auch ohne Zentralregierung.

Cathys
7 Jahre her

Richtig, wenn DER EURO so eine „geile“ (sorry) Währung wäre, warum verdammt nochmal hat denn diese Währung nicht die gesamte Welt?? Warum haben mit Recht die meisten Länder ihre eigenen Währungen?? WARUM, WARUM, WARUM? Weil das mit gewachsenen Strukturen und auch mit viel Freiheit zu tun hat. Der EURO ist eine Kunstwährung um die Völker zu unterdrücken, so schnell es jedem Einzelnen klar wird umso schneller können wir mit der Aufarbeitung dieses Währungskrieges beginnen, denn was anderes ist es nicht. Man braucht nicht immer Patronen und Bomben, um den Menschen „ALLES“ zu nehmen, eine FINANZWAFFE hilft da oftmals besser, da… Mehr

Cathys
7 Jahre her

Ich würde EU Länder mit „Konzerndiktatur“ ersetzen, dann wird ein Schuh daraus! Wollen wir das wirklich? Wollen wir wirklich, wie auch Herr Schäffler schreibt, dass Wettbewerbsverzerrungen wie oben beschrieben stattfinden? Dass Deutschland wie von USA unter Obama gefordert „mit der Wirtschaft runterfährt und gleichzeitig inflationiert“ (das was gerade stattfindet und noch ausgebaut werden soll)?? Dann werden sie das Deutschland wie wir es kennen bald nicht mehr wiedererkennen! Prof. Schachtschneider sagte ganz deutlich schon damals, dass die EU zu einer „Wirtschaft der Konzerne“ errichtet werden soll, der MITTELSTAND hat da nichts mehr VERLOREN! Dann gute Nacht, rette sich wer kann. Die… Mehr

Cathys
7 Jahre her

Das erinnert nicht nur daran, das ist leider bittere Realität!
Deutschland erwache endlich aus deinem Tiefschlaf, denn das Pseudoargument, „wenn wir das gewusst hätten“, ist leider zu abgedroschen und schützt vor Strafe nicht!

Cathys
7 Jahre her

Richtig, war vor ein paar Jahren aktiv bei der FDP dabei. Diese Partei ist unwählbar geworden zumindest für Liberale. Alles haben diese Parteigänger mitgemacht. Das hat mitnichten mit Liberalität zu tun.
Für die FDP werden die Futtertröge einfach wieder sichtbar und zum Greifen nahe, da legt man sich mit so manchem Ungetüm ins Bett. Stichwort „die Grünen“. Welcher FDPler kann mit ruhigem Gewissen noch diese FDP wählen?? Merkelklatschverein!!
Stimmen wir als souveränes Volk endlich für einen Erdrutschsieg für die AFD und nach dem Gewitter kommt der Sonnenschein von alleine!

Christian Fuchs
7 Jahre her

Macht, im Sinne von Möglichkeiten nicht von Beherrschung. Junker hat ein typisches Verwaltungsgehabe. Diese Leute unterliegen keiner Ideologie oder Herrschergelüsten, sie wollen einfach alles am laufen halten und dabei persönlich am besten wegkommen. Wir haben im Moment eine völlig neue Herrschaftsform, auf jeden Fall keine die in der Schule gelehrt wird. Haben zwei Personen im Büro keine Arbeit, stelle einfach eine dritte mit dazu und mach dir gleich gedanken über eine neue Abteilung oder Behörde. Das schafft Arbeitsplätze, kosten tut es ja nichts, genauso wie regenerative Enegie.

pd
7 Jahre her

Sehr geehrter Herr Schäffler, stimmt, wovor Sie warnen. Was hilft dagegen: Ihre F.D.P. zu wählen, die sich schon jetzt ausrechnet, welche Pöstchen zu ergattern sind unter „Muttis“ Fittichen? Nein; Ihren zurecht genannten Befürchtungen ist nur zu entgegnen, wenn die AfD stark und machtvoll in den Bundestag kommt und dem Brüsseler Irrsinn widersteht! Gruß PD