Warum wir nicht allen helfen können. Ein und eine halbe Buchkritik.
Die Politiker Boris Palmer und Christian Ude haben verblüffend viel gemeinsam. Sie sind (a) Alleinunterhalter und spielen am liebsten Soloprogramme. Damit hängt zusammen (b): Sie haben in ihren Parteien nicht mehr viel sagen. Sie sind, beziehungsweise waren (c) über Parteigrenzen hinaus beliebte Oberbürgermeister. Damit wiederum hat zu tun, dass sie (d) in einem zentralen Feld der Politik, der Migrationsfrage, quer zu ihren Parteien liegen. Kommunalpolitiker müssen die Willkommenskultur schließlich umsetzen und ausbaden. Sie liegen deshalb (e) auch quer zur Bundeskanzlerin, die sich mal gesinnungsethisch, mal pragmatisch gibt, doch vor allem eines ist: ahnungslos und haltungslos.
Und sie haben aus Frust und Geltungstrieb – siehe a und b – beide darüber gerade gut lesbare und lesenswerte Bücher publiziert. Mit diesen Streitschriften wiederum versuchen sie durchaus (f) das Fell zu waschen (nicht unbedingt das eigene, Selbstzweifel ist beider Stärke nicht), ohne es davon schwimmen zu lassen. Will heißen: diskursfähig zu bleiben im eigenen Laden.
Das ist leichter geschrieben als getan. Denn, und dies ist (g) die nächste Gemeinsamkeit: beide Bücher handeln im Kern von der Krankheit, die diese Demokratie seit Jahren erfasst – nämlich der Unfähigkeit, die großen offenen Fragen auch offen auszutragen. Dieses Land ist von vielen Ängsten besessen. Die größte Angst jedoch scheint die vor der Zwietracht zu sein. „Einigkeit“ ist das erste Wort der Hymne. Nur wird hierzulande Einigkeit gern mit Einheitlichkeit – oder besser: Konformismus – verwechselt, so wie Gerechtigkeit mit Gleichheit.
Udes „Buch „Die Alternative oder: Macht endlich Politik!“ klingt nicht bloß ungehalten, sondern ist es auch. Es wendet sich gegen die moralisierende Selbstgerechtigkeit der politischen Klasse in Deutschland und gegen die falsche Emotionalisierung von Sachfragen auf vielen Feldern. Das ist der Unterschied zu Palmer, der sich auf das Thema Integration beschränkt. Das ist durchaus ein Vorteil, dient der Vertiefung und Anschaulichkeit aus zahllosen Episoden, Beispielen, persönlichen Erfahrungen. „Wir können nicht allen helfen“, lautet seine für TE-Leser nicht gerade überraschende Erkenntnis. Doch im grünen Publikum klingt das schon ziemlich hart und herzlos.
Palmer hätte gut und gern auch ein wenig mehr die moralisierenden Blaustrümpfler im eigenen Lager attackieren können, die in jedem Fremden ein Geschenk sehen, am liebsten auch noch eine sozialversicherungspflichtige Fachkraft. Merkels „humanitärer Imperativ“ aber entgeht ihm nicht. Und Palmer schont auch nicht den „anschwellenden Chor der deutschen Leitartikler“, der Deutschlands Alleingänge preist. Diesen Chauvinismus durch die Hintertür ihrer Liebe zu allen Schutzsuchenden kann er nicht übersehen. Die Deutschen wähnen sich wieder einmal „auf der guten Seite der Weltgeschichte“ und kennen kaum noch Grenzen – vor allem auch „bei der moralischen Verurteilung unserer Nachbarländer.“
Die Deutschen aber sind ein Volk romantischer Idealisten, das am liebsten von Millionen Schutzsuchender geküsst wird und die ganze Welt umschlingen möchte – ohne zu merken, dass es sich dabei selbst die Luft abdrückt. Palmer schüttelt darüber sein schwäbisches Haupt. Ihn plagt zu Recht die Sorge, dass die verfehlten Integrationsbemühungen die Gesellschaft spalten. Auch er schätzt den Konsens. Doch hat er das Paradox erkannt, das in Merkels großer Harmonieshow steckt. Aus falscher Integration wird Desintegration – weil damit ein guter Teil der deutschen Bevölkerung ausgegrenzt und stigmatisiert wird. Eine Gesinnungsfrage richtet Unheil an.
Palmer schreibt dagegen an, stets selbst in Gefahr, sich rechtfertigen zu wollen für seine Haltung, der eigenen Sehnsucht nach „Minimalkonsens“ nachzugeben. Ja, das Thema war, als er das Buch schrieb, fast aus den Schlagzeilen verschwunden. Ist es aber nun nicht mehr. Angela Merkel hatte nicht Recht. Und nichts läuft, wie Palmer gern konstatieren würde, „ziemlich rund.“ Nein, dieser Satz ist leider nicht einmal Zweckoptimismus, sondern Gefallsucht: „So wie es letzt läuft, schaffen wir es.“. Palmer setzt den Satz ohne Not in Anführungszeichen. Weshalb wohl? Weil er ihm selbst misstraut. Eigentlich sagt er (an anderer Stelle): „Wenn wir es schaffen, haben wir noch eine Menge zu tun.“ Sein Buch gibt wenig Hoffnung.
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Zitieren Sie ruhig ganz:
Drei Ringe der EU-Kommission hoch im Licht,
Sieben den Spekulanten in ihren Hallen aus Stein,
Den Sterblichen, ewig den Krisen verfallen, neun,
EINER den dunklen Herrn auf dunklem Thron
Im Lande Mammon, wo die Schatten drohn.
Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,
Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden
Im Lande Mammon, wo die Schatten drohn.
Wer gelesen hat, wie in dieser Geschichte die Welt gerettet wurde, der weiß auch, was heute bei uns zu tun wäre!
Das Buch von Palmer ist hochinteressant. Abgesehen von dem unvermeidlichen AfD-Gebashe ist es auch erstaunlich ruhig und neutral geblieben – ob man ihm zustimmt oder nicht, jedenfalls eine Bereicherung der Debatte.https://www.youtube.com/watch?v=Ofpl626tm_I
Ich glaube N-TV gehört seit einiger Zeit einem Ägyptischen Kopten.Glaube aber nicht das der weiss wie und was die berichten.
Ihre Frage läßt sich, fürchte ich, wie folgt beantworten. Ein paar Punkte vorweg: Multikulti hat (in all seinen Ausprägungen, von denen es in der Geschichte genügend gab und immer wieder gibt) noch nie lange funktioniert und wird es auch nicht, zumindest solange es nicht ein verbindendes übergeordnetes und alle zusammenhaltendes Ideal gibt, und auch das muß „am Leben“ gehalten werden. Gibt es das nicht, und in Deutschland sehe ich keines mehr (außer unserem Sozialsystem ), werden immer zusammenghörige Gruppierungen andere versuchen zu unterdrücken. Die Tendenz dazu besteht im Übrigen um so stärker, je niedriger entwickelt die Herkunftszivilisation der „Teilnehmer“ ist.… Mehr
Den Tipp für die AfD hab ich jetzt nicht gebraucht (trotzdem danke), denn ist klar, dass ich die AfD wähle. Nur ist mit diesen Wahlen ein Systemchange nicht zu schaffen, geschweige denn die Entscheidungen der Vergangenheit kaum zu revidieren. Ihren Kommentar finde ich sehr konstruktiv. In dieser Richtung muss die Reise weitergehen. Ein Versuch eine Zugehörigkeit zu einem übergeordneten Ganzen nicht mehr in der Nation zu sehen, sondern in sich über soziale Netzwerke (nicht nur internet) die verbindenden ethnischen und kulturelle Elemente aufrechterhalten und sich dabei eben von der totalen Vereinzelung aber auch vom Rest (Linker Mainstream und kulturfremde bzw.… Mehr
Boris Palmer könnte ja auch ein Zeichen setzen und die Grünen verlassen.
Bei seiner Beliebtheit in Tübingen, könnte er auch als Parteiloser wiedergewählt werden.
Boris Palmer schüttelt sein schwäbisches Haupt
Ihr Hausapotheker empfiehlt, weil gefragt, wie nie:
https://www.juvalis.de/apotheke/wp-content/uploads/2016/12/hausmittel-gegen-schuppen.jpg
denn – auch ohne Merke-l: *nicht alles, was von oben kommt, ist die Weisheit!*
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Genau das ist der Punkt! Die Kritiker werden immer erst dann mutig, wenn das Ende der Karriere bereits absehbar ist. Siehe Thilo Sarrazin, Heinz Buschkowski, Klaus v.Dohnani, u.v.a. Solange der moralische Imperativ das Führungspersonal aller Gutmenschenparteien diszipliniert, wagt sich niemand aus der Deckung.
Vielleicht hätte man auch das eine „n“ im Buchtitel noch in Klammern setzen sollen. In etwa so: „Wir können nicht alle(n) helfen“ Das ergäbe dann eine doppelte Wahrheit…
Vorreiter dieser Altersintelligenz waren Geißler und Blüm. Beiden gehört ein Blumentopf an den Kopf geworfen.
Ude ist offensichtlich aus dem gleichen Holz geschnitzt.
Bei Palmer weiß ich nicht so recht, auf was er spekuliert. Seine Äußerungen gehen ja in die Richtung, dass er in der falschen Partei ist. Umkrempeln wird er die heutigen Grünen mit Sicherheit nicht, dass weiß er auch. Was er will…..????
Herr Palmer ist der Horst Seehofer der Grünen.
Ist ja alles gut und schön, was er da von sich gibt, aber er ist dort einer der ganzen wenigen (Halb) Realos.
Denn wenn man ihm mal ganz genau zuhört, sagt er im Prinzip nichts was nicht schon längst bekannt ist.
Und so richtig unternehmen möchte er auch nicht. Er möchte das Chaos nur besser verwalten.