Der Minister für Justiz kam nach Dresden, um für sein neues Internetgesetz zu werben.
Das Geräusch kommt immer näher. Und je lauter es wird, umso mehr Köpfe strecken sich in den Himmel über der „Ballsportarena“ in Dresden. Jemand ruft: „Der wird bestimmt eingeflogen.“
Möglich wäre es. Der Minister für Justiz, Heiko Maas, hat in Sachsen viele „Freunde“, die sich immer wieder „freuen“, ihn gebührend begrüßen zu können, wenn er in ihr Bundesland kommt. Erst recht, wenn es um das Thema Meinungsfreiheit geht. Die war im Osten Deutschlands 40 Jahre lang abgeschafft, daran können sich auch in Sachsen viele noch genau erinnern. Vielleicht liegt es daran, dass sich die „rechten Pöbler“, wie sie in den Leitmedien genannt werden, diesmal alle einig sind und gemeinsam das Empfangskomitee für den Gast aus Berlin bilden. Aktive aus Parteien und Initiativen, einfache Bürger. So sind es mehrere Hundert geworden.
Der Pressesprecher der Dresdner Polizei, Marko Laske, sieht die Lage jedoch entspannt. Aus seinen Erfahrungen weiß er, dass es mit den sogenannten „Rechten“ noch nie größere Probleme gegeben hat, wenn sie ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen: „Pöbeleien gibt es zwar immer mal, aber ganz selten so, dass wir deshalb einschreiten müssen.“
Das ist eher bei den linken Gegendemonstranten des öfteren nötig. Aber von denen sind heute nur etwas mehr als 50 zugegen, die meisten davon Jugendliche. Angemeldet hat ihre Demonstration Nico P., 18 Jahre, von den Jusos der SPD, der Partei, der auch der Justizminister Heiko Maas angehört. So richtet sich ihr Protest auch nicht gegen ihn, sondern gegen die, die gegen ihn demonstrieren. Aber die stehen auf der anderen Seite der Halle, um ihn zu empfangen. Nur wo, weiß keiner. Auch der Hubschrauber verrät es ihnen nicht. Als er über ihnen vorbeifliegt, sehen sie, dass er vom ADAC ist.
Immerhin bleibt so noch etwas Zeit ihre Meinungen zu dem „Überwachungsgesetz des maaslosen Heiko“ in die Öffentlichkeit zu halten.
Heiko Maas kommt dann doch noch an. Allerdings dort, wo die „Linken“ stehen, so fällt der Empfang deutlich freundlicher aus. Aber einige der Gegenseite schaffen es trotzdem, ihm ihre Meinung entgegenzurufen: „Hau ab! Hau ab!“ So klingt es der schwarzen Limousine entgegen, bevor sie zu einem Hintereingang der Ballsportarena entrollt.
Mit 17 Minuten Verspätung beginnt die Veranstaltung. Eingeladen hat der Direktor des Instituts für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden, Prof. Dr. Lutz M. Hagen unter dem Titel: „Fake News und Hate Speech im Social Web.“
Die Zuhörer, die sich alle vorher anmelden mussten, warten schon gespannt, was der Minister zu dem großen Thema zu sagen hat. Immerhin geht es um das wichtigste Menschenrecht auf Erden, das Recht auf Meinungsfreiheit. Das wusste schon der liebe Gott: Am Anfang stand das Wort. In dem Fall das urdeutsche „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“.
Allein vom Namen her nur schwer zu verstehen, aber dann auch noch seine Inhalte? Dem Minister merkt man das nicht an. Allein auf weiter Bühne bleibt er bei jedem Wort locker. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich und sein Gesetz verteidigen muss. Und wer ihm dabei zuhört, merkt schnell, dass er jedes Wort, das er dazu sagt auch glaubt. Denn: „Ich bin von diesem Gesetz wirklich zutiefst überzeugt.“
Seiner Meinung nach wird es verhindern, dass das Internet zu einem rechtsfreien Raum wird, der nicht hingenommen werden darf: „Was offline verboten ist, kann online nicht legal sein.“
Und wie immer sind seine Lieblingsbeispiele die vielen Hasskommentare, die die sozialen Medien zu asozialen machen. Die gehören für ihn nicht zum Recht auf freie Meinungsäußerungen und müssen ab jetzt gelöscht werden, egal aus welchen Motiven sie gepostet wurden. Wie das gehen soll, regelt sein neues Gesetz. Dass der Staat sich einmischt, wenn es um Meinungsfreiheit geht, haben Einige in dem Saal schon erlebt und wo das hinführen kann, auch. So kommt das Gesetz fünf Zuhörern in der ersten Reihe vor wie früher. Weil sie den Minister nicht unterbrechen wollen, erinnern sie ihn stumm daran. Ohne etwas zu sagen, stehen sie auf und stellen sich in Sichtweite von ihm nebeneinander. Was sie über das Gesetz denken, steht nur auf den Bändern, die ihre Münder verschließen: „Stasi 2.0“
Aber auch davon lässt sich der Gast aus Berlin nicht aus der Ruhe bringen. Schließlich will er nur Gutes und viele der Zuhörer können ihm dabei folgen. Beleidigt, gar bedroht, will niemand werden.
Nur diejenigen, die von dem Gesetz direkt betroffen sind, haben auch nach dem Vortrag noch ihre Probleme damit. Niklas Henkel, Head of Community bei „Jodel“, einem lokalen sozialen Netzwerk in Deutschland, klagt: „Herr Maas hat die großen aus dem Silicon Valley zu seinen Vorgesprächen eingeladen, aber die kleinen wurden leider nicht gefragt.“
Nach dem neuen Gesetz müssen auch sie Hasskommentare und ähnliches auf ihren Plattformen 24 Stunden nach dem Posting löschen.
„Meine Angst ist, dass Menschen ohne juristischen Hintergrund innerhalb von 24 Stunden die Grauzonen ausleuchten müssen. Ist das nun eine Beleidigung? Oder noch nicht? Diese Entscheidung wird jetzt in die Hände von Leuten wie uns gelegt, die keinen juristischen Hintergrund haben, aber in so kurzer Zeit etwas entscheiden müssen, wofür Gerichte normalerweise Monate brauchen.“
Wenn sie das nicht tun, drohen Geldstrafen. Die bezahlen weder die großen noch die kleinen der Branche gerne. Führt alleine das schon zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit? „Es kann dazu führen, dass man lieber löscht, als Probleme zu bekommen.“ Also doch eine Einschränkung der Meinungsfreiheit?
„Es ist nicht so, dass das Gesetz gegen die Meinungsfreiheit ist, aber in der Praxis wird es dazu kommen, dass Meinungen dann weniger offen verbreitet werden.“ Für die fünf Protestler aus dem Saal sind diese Aussichten kein Wunder. Sie stehen danach noch vor der Halle und sagen fast resignierend: „Das kann ja nur passieren, weil sich die Bevölkerung schon wieder alles gefallen lässt.“
Aber aufgeben werden sie hier nicht. Zwickau heißt die nächste Station von Heiko Maas auf seiner ganz persönlichen Wahlkampftour, und auch dort werden „Widerständler“ das wichtigste Menschenrecht auf Erden weiter verteidigen: „Wehret den Anfängen.“ Losgegangen ist es schon.
Torsten Preuß ist freier Autor.
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sie ist schon lange da – nur wird sie weiter step by step ausgebaut.
Frage: wer wählt sowas ?
Ist es nicht irgendwie schade, dass Margot das nicht mehr erleben darf?
Darum geht es nicht. Indymedia wird wohl schwierig, da es sich um eine unabhängige Plattform handelt, aber Facebook und Co. sollten ab sofort gezielt aufgesucht werden um ALLES was irgendwie gegen Rechts „hetzt“ mit einer Meldung zu bestrafen. Natürlich hat Maas nicht an die guten Linken gedacht, aber erklären Sie das doch mal der studentischen Hilfskraft, die demnächst tausende Kommentare zu lesen hat. Die Meinungsfreiheit ist am Arsch. Aber wir können dafür sorgen, dass sie es für alle ist. So traurig das auch klingt. Ziel muss es sein, dass Onlineplattformen ihre Kommentarfunktionen einstellen, denn nur so werden es manche Menschen… Mehr
Auch Indymedia kann für Inhalt haftbar gemacht werden
“ … Head of Community bei „Jodel“, einem lokalen sozialen Netzwerk in Deutschland, klagt: „Herr Maas hat die großen aus dem Silicon Valley zu seinen Vorgesprächen eingeladen, aber die kleinen wurden leider nicht gefragt.“
Nach dem neuen Gesetz müssen auch sie Hasskommentare und ähnliches auf ihren Plattformen 24 Stunden nach dem Posting löschen.“
Haben die zwei Millionen Nutzer? Sonst muss sie das Gesetz – über dessen Sinn und Unsinn und insbesondere das fehlende Augenmaß hier hinlänglich diskutiert wurde – Stand jetzt nicht weiter interessieren.
Und noch einmal für den Autor: Nichtlöschen „aktiviert“ nicht die Geldbußen. Nur nicht dokumentieren.
„Und noch einmal für den Autor: Nichtlöschen „aktiviert“ nicht die Geldbußen. Nur nicht dokumentieren.“
Dazu § 4 Abs. 1 Nr. 4 NetzDG:
„Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 3 Absatz 4 Satz 1 den Umgang mit Beschwerden nicht oder nicht richtig überwacht.“
Ich glaube, zwischen nicht überwachen und nicht löschen wird die „MAASI“ (oder wie auch immer sich i.S.d. § 3 Abs. 7 NetzDG die Nachfolgerin im Geiste der STASI nennen mag) wohl kaum unterscheiden.
Was die Grenze der zwei Millionen Nutzer betrifft, ist Ihnen zuzustimmen. Aber Sie können sich darauf verlassen, dass diese Grenze temporär sein wird.
Richtig, dennoch Binnenhafen zuversichtlich, daß auch dieses Maasgesetz vor dem BVerfG scheitern wird, vermutlich allerdings erst nach der Wahl. Ob es dann überhaupt noch einen BMJ Maas geben wird, ist völlig offen. Ich persönlich denke (und hoffe) eher, das Frau Merkel SchwarzGelb oder Jamaika einer erneuten Groko vorzeihen wird. SchwarzGelbBlau wäre noch besser, ist aber mit Merkel an der CDU-Spitze reine Illusion. Was die Blauen betrifft, ist 2017 mehr als Opposition nicht drin und wie die Welt 2021 aussieht, wage ich heute nicht einmal zu vermuten. Dafür liegen global betrachtet einfach zuviele ungelöste Problem-Leichen in aller Staaten Kellern rum. Es… Mehr
Kleine Saarländer wie Maas, Honecker und Lafontaine haben die Welt bewegt, haben den Grossen gezeigt, dass niemand vor Denunzianten sicher sein kann. Und ein wenig STASI 2.0 wird den dekadenten Wessis sicher gut tun. Ob der Wähler das im September auch so sieht, müssen wir abwarten. Meine Prognose sind 19% für die Spezialdemokraten, aber es könnten auch weniger werden.
Die Ossis haben 40 Jahre unter Meinungsdiktatur gelitten und ihre Kreativität dagegen aufzubegehren haben sie immer wieder bewiesen, ob in Kabaretts oder Karnevalssitzungen, haben sie mit sprachlich-intelligentem Witz diese Diktatur und Planwirtschaft angeprangert. Seit 2015 machen sie mit Spaziergängen Protest und auch diese Bänder auf denen Stasi 2.0 steht und die ihre Münder verschliessen , würde normalerweise jeden mitfühlenden, freiheitlich denkenden Politiker nachdenklich machen.
Wer ausgerechnet im Osten für diese Einschränkung der Meinungsfreiheit werben will, muss ein Gemüt haben wie Eisberg.
Hatten die Kommunisten in der DDR nicht ein Gemüt wie ein Eisberg?
Maas ist der politische Ziehsohn eines Saarländers. Nein, nicht Honecker sondern Lafontaine. Der ist heute auch Kommunist. Weshalb sollte also ein Maas kein Kommunist sein? Das Fordern und die Taten, die Meinungsfreiheit zu verbieten, zeigen doch nicht nur ein Ramelow ist Kommunist, sondern auch der (noch?) SPD Maas. Ja und die „Ossis“ (ich mag den Begriff nicht, aber er soll hier etwas Positives aussagen) sollten jetzt wieder zeigen, was sie darauf haben. 1989 hat es doch auch geklappt.
„…die „Ossis“ […] sollten jetzt wieder zeigen, was sie darauf haben.“
Ach, und die „Wessis“ nicht?
Können die nicht oder wollen die nicht?
Ossis, Wessis, Sozialisten, Kommunisten – dieses oberflächliche Schubladen-Gelaber geht mir dezent auf den Geist. Wenn das nicht bald aufhört, schafft sich nicht nur Deutschland ab, sondern eine ganze Kultur(region) und das auch ohne Migranten. Und zu dem Satz, dass doch die „Ossis“ jetzt wieder zeigen sollten, was sie drauf haben, habe ich nur Verachtung übrig. Die „Ossis“ wollten Freiheit, dafür haben sie gekämpft. Um anschliessend in einem „wir wählen abwechselnd CDU und SPD-Staat“ zu landen (mittlerweile wird ja einfach beides so gewählt, dass man sich nicht mehr entscheiden muss, wem man die Schuld in die Schuhe schiebt – auch irgendwie… Mehr
Wie bereits geschrieben. Derartige Gesetze hießen in der DDR Gummiparagraphen. Die konnten gegen jeden und immer in der von der Partei gewünschten Richtung angewandt werden. Der Gummi zieht sich zusammen, wenn man Schutz braucht und nicht bekommt. Der Gummi streckt sich aus, um selbst die kleinste politische Verfehlung mit aller Härte zu bestrafen. Daraus entwickelte sich dann, vorauseilender Gehorsam (2,3 Mio SED Mitglieder bei knapp 17 Mio Einwohnern) und Denunziantentum.
“Censorship is the tool of those who have the need to hide actualities from themselves and from others“ ―
Charles Bukowski