Liebe Leser von „Tichys Einblick“, wie geht es Ihnen?

Keiner Gesellschaft tut es gut, wenn darin zu Vieles unausgesprochen bleibt. Sprechen Sie sich also aus. Das Wort haben Sie: die Leser. Wir heben Ihre Worte auf Tichys Einblick, damit Sie voneinander erfahren.

Marco Ceschi

Sie wundern sich vielleicht über diese sehr allgemein gehaltene Frage. Wir, die Redaktion von Tichys Einblick, wollen so grundsätzlich fragen. Denn wir registrieren – wie viele andere auch – , dass sich in der Gesellschaft eine tiefe Frustration ausbreitet, die bei einigen in Wut, bei anderen in Resignation umschlägt. Und das nicht nur wegen der sogenannten großen Politik in Berlin, nicht nur wegen des radikalen Kurswechsels der Union, die wesentliche Wahlversprechen einfach kassiert – von der Schuldenbremse über die Eindämmung der Migration bis zum Heizgesetz, das sie jetzt offenbar doch nicht abschaffen will.

Viele Menschen reagierten auch schon vor der Wahl mit Unverständnis, Unwillen und Abwehr auf das, was sich in ihrem Alltag zum Schlechteren verändert. Sie nehmen wahr, wie ihrer Gemeinde immer mehr Migranten zugewiesen werden, obwohl es eigentlich kaum geeignete Unterbringungsmöglichkeiten gibt. Viele, die bisher glaubten, einen sicheren Arbeitsplatz in der Industrie oder Dienstleistungsbranche zu haben, erleben jetzt: Diese alte Sicherheit gibt es nicht mehr. Sie machen sich Sorgen, ob und wie sie ihren Lebensstandard halten sollen angesichts stark gestiegener Preise, teurer Energie und der an vielen Orten kräftig erhöhen Grundsteuer. Und was aus ihrem Ersparten wird.

Nicht nur in Berlin, auch in anderen Städten klagen Bürger über die zunehmende Verwahrlosung des öffentlichen Raums. Nach etlichen größeren Anschlägen und der steigenden Zahl kleinerer und nur regional noch für berichtenswert gehaltener Gewalttaten („Messerkriminalität“) fühlen sich viele selbst in ihrer eigentlich vertrauten Umgebung nicht mehr sicher.

Alltagssorgen gab es für Normalbürger immer. Nur existierte nach Ansicht Vieler noch nie eine derart tiefe Kluft zwischen ihrer Alltagswahrnehmung und dem Bild, das Politiker und Medien von diesem Land zeichnen. Bürger und Politiker scheinen sich nicht mehr in der gleichen Welt zu bewegen. Und die Medien, die sich ihrem Begriff nach eigentlich als Mittler zwischen beiden betätigen sollten, übernehmen immer häufiger die Aufgabe, ihre Leser zu belehren, ihnen ihre tagtäglichen Erfahrungen auszureden und sie mit sogenannten „Narrativen“ zu versorgen – also Hinweisen, wie die Verhältnisse im Land „richtig“ zu sehen und zu interpretieren sind. Jedenfalls erkennen die etablierten Medien darin mittlerweile ihre eigentliche Rolle.

Dazu kommt: Hundertausende haben eben nicht ihre Erlebnisse während der Corona-Zeit vergessen, angefangen von den willkürlichen Lockdowns und dem einsamen Sterben von Angehörigen in Krankenhäusern und Altenheimen bis zum gesellschaftlichen Ausschluss von Ungeimpften. Sie reagieren mit Verbitterung, wenn die damals Verantwortlichen sich heute herauszuwinden versuchen, mit dem Finger auf andere zeigen oder großzügig erklären, es sei jetzt Zeit, „nach vorn zu sehen“.

Wenn wir sagen, es habe sich vieles angestaut, dann gehört zu diesem Bild auch die Staumauer: Sie steht unter ungeheurem Druck. Und danach fragen wir, die Redaktion: Wie gehen Sie ganz persönlich mit diesem Druck im Inneren um, mit dem Gefühl, von Politik und alten Medien nicht gehört zu werden, mit dem Gefühl, Politikern, die Sie vielleicht früher, vielleicht aber auch noch im Februar 2025 gewählt haben, nicht mehr vertrauen zu können?

Manche Menschen ziehen sich ganz ins Private zurück. Andere suchen gerade jetzt das Gespräch mit Leuten, die ähnlich denken, um sich auszutauschen. Manch einer überlegt auszuwandern, packt gerade seine Sachen, oder er wohnt schon nicht mehr in Deutschland. Andere hoffen auf eine Änderung zum Besseren, und fragen sich: Was kann ich dazu beitragen?

Schreiben Sie uns bitte, wie Sie Ihren Alltag wahrnehmen. Was sie nicht mehr ertragen können, woran Ihre Hoffnung hängt, woraus Sie trotzdem Lebensfreude ziehen. Sehen Sie noch die öffentlich-rechtlichen Medien, lesen Sie noch Ihre Lokalzeitung und ärgern sich über vieles – oder haben Sie sich von ihrer früheren Mediennutzung verabschiedet? Igeln Sie sich ein – oder suchen Sie nach Möglichkeiten, Ihrem Ärger Luft zu machen? Schildern Sie auch gern Positives.

Vielleicht haben Sie mit den Politikern einer Partei in Berlin abgeschlossen, halten Ihren Bürgermeister oder Ihren Wahlkreisabgeordneten aber nach wie vor für integer? Vielleicht wollen Sie von der Amtskirche nicht mehr hören, schätzen aber immer noch den Pfarrer oder Priester in Ihrer Gemeinde?

Sehr viele Menschen suchen nach einer Möglichkeit, über das, was Sie beschäftigt, zu reden. „Sich etwas von der Seele reden“ – in dieser Wendung liegt das Wissen, dass es oft wohltuend und heilsam ist, die eigene Erfahrung mit anderen zu teilen. Schreiben Sie uns also – natürlich ohne justiziable Beschimpfungen, Beleidigungen und pauschale Schuldzuweisungen ohne grobschlächtige Wortwahl, sondern so, wie Sie mit einem guten Freund oder Freundin darüber reden würden, was Sie bewegt. Konkret, anschaulich, bürgerlich.

Wobei ‚bürgerlich‘ nicht heißt, Wut und Zorn zu unterdrücken. Sie können gern unter Ihrem Namen schreiben, aber auch anonym, wenn Ihnen das lieber sein sollte. In dem Fall genügt es, wenn Sie beispielsweise schreiben: ‚Angestellter, Hessen, 43 Jahre‘ oder ‚Rentnerin, Sachsen, 67‘, um etwas über ihr Lebensumfeld mitzuteilen.

Es geht nicht nur darum, dass Sie etwas über Ihren Blick auf den Alltag und Ihr Leben mitteilen. Anderen, die es lesen, hilft vielleicht schon die Erkenntnis: Ich bin mit dem, was ich denke, gar nicht so allein.

Wir als TE-Redaktion wollen mit dieser Aktion ein Echolot in die Gesellschaft werfen. Keiner Gesellschaft tut es gut, wenn darin zu Vieles unausgesprochen bleibt. Sprechen Sie sich also aus. Das Wort haben Sie: die Leser. Und wir heben Ihre Worte auf Tichys Einblick, damit Sie voneinander erfahren.

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Kommentare ( 546 )

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546 Comments
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Norbert123
10 Stunden her

Danke der Nachfrage. Mir/uns geht es sehr gut, wir sind 2017 ausgewandert, und lesen mit entsetzen was in Deutschland vor sich geht. Wir haben es keine Sekunde bereut mit 60 ein neues Leben zu starten. wir sind dankbar das wir ein gutes Leben in D. hatten und viel gelernt und damals in einem Land leben und arbeiten durften als Respekt noch eine Sache von Charakter und Wert hatte. Leider wird nur noch, in der Politik , von Werten geredet aber niemand definiert sie…..Fuer uns war es die richtige Entscheidung zu gehen und werden eine gute erinnerung an das Deutschland behalten… Mehr

Regine61
16 Stunden her

Liebe Mitleser/innen und an dieser Gesellschaft Mitleidende,
ich hätte großes Interesse an Vernetzung und Treffen,denn darin sind uns ,die sicher oft der mittleren bis älteren Generation angehören, die NGO’S ,Friday for Future etc. haushoch überlegen.Ich wohne im Berliner Umland und es müsste doch möglich sein eine Gruppe zusammen zu bringen.Soll ich eine E-mail Adresse einrichten unter der wir Kontakt aufnehmen und uns absprechen können?
Beste Grüße aus dem
Havelland

Was ist das
15 Stunden her
Antworten an  Regine61

Ja, Regine, das wäre sehr toll, danke!

Kumquat
17 Stunden her

Seit 2022 bin ich Rentnerin. Mein Leben lang musste ich lernen, umschulen, mich weiterbilden, mich immer wieder in neuen Berufen bewähren (IT-Administration, technische Redaktion, Controlling, Beschaffung, Buchhaltung, Grafikerin u.a.). Das erste Mal in meinem Leben bin ich von der andauernden Existenzangst relativ befreit, weil die Rente (noch) verlässlich ausgezahlt wird. Die Existenzangst kommt jedoch – gefühlt – durch die Hintertür wieder, wegen der allgemeinen Verteuerung. Dann kam Corona: Weil die Großeltern der Freundin meines Sohnes über 90 sind, wurde ich von ihm vor die Wahl gestellt: Impfen oder Verzicht auf seine künftigen Besuche. Bis heute gibt es dadurch einen latent… Mehr

Bleichgesicht
17 Stunden her

Wie geht es Ihnen? Gute Frage. Zwei Antworten: Privat und gesundheitlich gut, wenn ich an Deutschland, meine Kinder (3) und Enkelkinder (6) denke, sehr schlecht. Ich bin erst arg spät politisch aufgewacht, nämlich 2013 mit dem Ende meiner Dienstzeit als Lehrer in Hessen. Als das Buch „Deutschland schafft sich ab“ 2010 erschien, habe ich erst mal nur am Rande wahrgenommen und gehofft, so schlimm wird es schon nicht werden. Hellhörig wurde ich allerdings, als Merkel die Lektüre dieses Buches als „nicht hilfreich“ bezeichnete. Da ich schon immer ein autoritätsungläubiger Mensch war, bin ich ihrer Empfehlung natürlich nicht gefolgt. Wer den… Mehr

QNAP
20 Stunden her

Zuerst vielen Dank an TE für dieses Thema. Nach dem Lesen der Kommentare geht es mir schon mal viel besser. Ich fühle mich nicht mehr allein mit meiner Sichtweise/Bewertung dessen, was seit langer Zeit in diesem Land falsch läuft – das tut sehr gut. Dem hier geschriebenen kann ich nichts neues hinzufügen – es ist genau so und vielmals stilistisch perfekt auf den Punkt gebracht. Danke dafür. Ein Erlebnis möchte ich doch noch in diesem Kreis kundtun. Beim gestrigen Einkauf im Kaufland wurde mir bei einer Werbedurchsage ein „Schöner Ramadan“ gewünscht – ich glaubte mich verhört zu haben und sprach… Mehr

Riffelblech
21 Stunden her

Mit großem Interesse lese ich die Zuschriften und bin entsetzt über die Grundstimmung der meisten Foristen . Ich kann den Frust ,den Ärger und die generelle Ablehnung dieses Staates und seiner Politiker ( die derzeit Regierenden / sich an die Regierung geschwindelten ) sehr gut nachvollziehen . Mir geht es genau so . Allerdings denke ich doch ein wenig hoffnungsvoller . Die von de Schwab und seinen Konsorten ins Leben gerufene Bewegung der „ Großen Transformation „ scheint durch Trump ,Orban ,Meloni usw langsam an ihr Ende zu kommen . Gewiss der Schaden den diese Verbrecherbande angerichtet hat ist gewaltig.… Mehr

tbrey
22 Stunden her

Nun, ich weiss, womit ich es zu tun habe. Wir erleben die Endphase der Zerstörung der westlichen Zivilisation. Einige Entwicklungen scheinen mir vorhersehbar, noch mehr autoritäres Gehabe, Staatspleite und Wohlstandsverlust, eventuell Krieg in Europa, aber was danach an neuen Strukturen entsteht, kann heute niemand mit Sicherheit sagen. Im Gegensatz zu vielen Bekannten, die sich endlos an den Gegebenheiten abarbeiten und daran sichtbar leiden, bin ich entspannt, denn: Ich habe keinen Einfluss auf die Dynamik und Richtung der laufenden Entwicklung, ich kann nur mich selbst und meine Familie (im Rahmen unserer Möglichkeiten) mental und praktisch auf das Kommende vorbereiten. Für das… Mehr

Peter Pascht
1 Tag her

Wie geht es mir ?
Ich habe ein traumatisches deja-vue an die Zeit in meinem Leben in einer kommunistischen Diktatur.
Es ist der sehenden Auges Niedergang von Rechtstaat und Demokratie der mich fassungslos macht, insbesondere,
dass diejenigen die es verhinden könnten nichts tun.
Es ist die Ohnmacht, am allgemeinen Niedergang sehenden Auges, nichts ändern zu können.
Deutschland ein Land in dem die Skrupellosigkeit menschlicher Dummheit die Macht erobert hat, verköpert von geistig verkommenen Zeitgenossen.
Wenn ich jung genug wäre würde ich dieses Land für immer verlassen.

KantiSweets
1 Tag her

Seit ca. 5 Jahren empfinde ich zunehmende Entfremdung von diesem Land und von vielen Menschen. Was für mich eine Zeit des Erwachens und der Erkenntnis war, ist für viele andere eine Zeit wie jede auch. Sie merken nichts, sehen nichts, spüren nichts von dem, was so deutlich vor unser aller Augen geschieht. Manchmal kann ich immer noch nicht glauben, wie tief die Spaltung in unserer Gesellschaft ist. Es sind völlig parallele Welten entstanden und ich habe einige langjährige Freundschaften dadurch verloren. Außerdem habe ich einen arabischen Familienhintergrund, bin jedoch weitestgehend in Deutschland aufgewachsen und finde neben allen anderen dystopischen Entwicklungen… Mehr

Alte weise Frau
20 Stunden her
Antworten an  KantiSweets

Ich glaube nicht, dass die Deutschen freiheitsfeindlich sind, sie wollen eben die Freiheit zum Nulltarif und auf der Couch sitzend ihre Erdnussflips verzehren.

Was ist das
1 Tag her

:
Liebes TE-Team, wäre es möglich auf der Startseite eine permanente Rubrik „Leser-Treffen und Stammtische“ zu installieren, und da könnten die Leser einfach posten, wann sie sich an welchem Ort treffen wollen?

Last edited 1 Tag her by Was ist das