In Deutschland liebt man es mild. Doch Käse ist genau genommen vergammelte Milch und riecht oder stinkt sogar. Je intensiver, desto besser. Meistens jedenfalls. Von Ingo Swoboda und aufgegessen.info

„Dann begannen die Stinkerkäse: die hellgelben, süßlich stinkenden Mont-d’or-Käse; die sehr dicken, an den Rändern gequetschten Troyes-Käse von bereits kräftigerer Schärfe, die einen Gestank nach feuchtem Keller hinzufügten; die Camemberts mit dem strengen Duft zu lange abgehangenen Wildbrets; die viereckigen Neufchâteller, Limburger, Marolles und Pont-l’Evêques brachten jeder seine grelle und besondere Note in diesen bis zur Übelkeit herben Tonsatz; die Livarots, die rot gefärbt und in der Kehle furchtbar waren wie Schwefeldampf; schließlich dann über allen anderen die Olivets, die in Nußbaumblätter gewickelt waren gleich dem in der Sonne dampfenden Aas, das die Bauern am Rand eines Feldes mit Zweigen zudecken.“
Diese anschauliche Beschreibung französischer Käseherrlichkeit in Émile Zolas 1873 erschienenem Buch „Der Bauch von Paris“, die als „Käse-Symphonie“ literarische Berühmtheit erlangte, kann als Beweis dafür taugen, warum Deutschland ein Bratwurst- und Aufschnittland ist und kein Käseland wie Frankreich. Denn Käse stinkt, wie es Zola in seinem Roman auf den Punkt bringt. Zumindest guter Käse. Doch die meisten Deutschen mögen keinen „Stinkekäse“, deswegen wird er auch als sprachliches Negativum verwendet, um das Anrüchige bildlich hervorzuheben.
Ansonsten ist deutscher Käse gegenüber seinen französischen Pendants ein eher geschmackloses Lebensmittel, um das Kenner einen weiten Bogen machen. Rund 25,3 Kilo Käse (Platz vier in der EU) essen die Deutschen pro Kopf im Jahr. Am liebsten Schnittkäse und Frischkäse, inklusive Quark – alles hübsch und praktisch in buntes Plastik verpackt, und als sterile Augenweide im Supermarktregal präsentiert. Natürlich aus pasteurisierter Milch, die auf 73 Grad erhitzt wird, um zuverlässig böse Bakterien und Keime abzutöten.
Unter das „Käse-Rad“ kommen dabei allerdings auch Bakterien-Kulturen, die für den Geschmack, die Aromenvielfalt und die Reifung zuständig sind. Wie viele Menschen schon an Rohmilchkäse-Bakterien gestorben sind, ist nicht bekannt. Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, und der gemeine Deutsche mag es gerne verlässlich reguliert und pasteurisiert. Deswegen gibt es in Teutonia lieber scheibchenweise geschmacklosen Scheibletten-„Käse“!
Oder man stopft das wehrlose Milchprodukt gleich mit Aromaten voll, damit es überhaupt nach irgendetwas schmeckt. Das Wort verfeinert klingt in diesem Zusammenhang fast hämisch, vielmehr wird der authentische Käsegeschmack mit Chili, Basilikum, Knoblauch, Schnittlauch, Bärlauch oder exotischen Gewürzmischungen aromatisch vergewaltigt. Wer sich geschmacklich noch weiter vom Käse entfernen möchte, kleistert ihn mit Chutneys oder Fruchtsenf-Zubereitungen zu. Das kulinarische Grauen ist dabei fast grenzenlos. Dann doch lieber eine anständige deutsche Bratwurst! Grob, wie es sich in Deutschland gehört.
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Stimmt schon. Allerdings kann man auch die Franzosen mit deutschem Spezialkäse erschrecken. Immer wenn ich den franz. Kollegen vom Altenburger Milbenkäse berichte kriegen die Anfälle^^.
Und nichts geht über eine gescheite grobe fränkische Bratwurst. Diese fein-gewolften und vorgebrühten „Weißwürste“ aus dem Supermarkt die nach gar nix mehr schmecken und die man deshalb nur in Senf ertränken kann um sie dann runterzuwürgen sind mir ein Graus.
Ich mache meinen Luggeleskäs (Quark) aus Rohmilch. Geschmacklich kein Vergleich zum Supermarktpäckchen. Vorgestern angesetzt. Gibt‘s morgen zum Abendessen entweder mit Knoblauch oder mit Zwiebeln und Kümmel mit Pellkartoffeln.😋
Guten, aromatischen französischen Weichkäse kriege ich – Gott sei Dank! – auf dem Markt im Kleinstädtchen. Aber auch, gar nicht so schlechten bayrischen alten Hartkäse bekomme ich da. Ebenfalls Rohmilchkäse und richtig fein!
Einen sauren Käs mit Romadur gemacht? Als Kind konnte man mich damit jagen. Heute sieht‘s anders aus.😊
Der Artikel spricht mir aus der Seele! Rohmilchkäse ist das einzig wahre. Nur muss man sie in Deutschland mit der Lupe suchen. In Österreich ist die Lage unvergleichlich besser: hier gibt es sogar einen erschwinglichen Schafscamembert aus Rohmilch und natürlich Rohmilchbergkäse aller Coleur. Das feinste was ich hier aufspüren konnte, ist ein Büffelrohmilchbrie aus einem Einmannbetrieb. Da fliegt man fast davon vor Hochgenuß.
Nun ja, den Frankfurter Handkäs, den Harzer Roller, Romadur und Limburger sollte man nicht ganz unter den Tisch fallen lassen. Die können durchaus mitstinken.
Aber stimmt schon, was Käse betrifft, ist Deutschland im Vergleich zu Frankreich oder auch Italien recht langweilig. Und in Sachen Wurst zumindest auch im Vergleich zu Italien. Wobei mich in Italien und Frankreich dafür dann immer wundert, dass sie so tolle Sachen zum aufs Brot legen haben, aber dann kein gescheites Brot. Das gibt es nur bei uns.